Mich reizt das Schiller-Pathos: Jan-Philipp Gloger über seinen Wallenstein
#Interview, #Jan-Philipp Gloger, #Schiller, #Staatstheater Nürnberg, #Theater, #Wallenstein
Seit 16 Jahren herrscht Krieg, marodierend ziehen die Soldaten durch die Lande. Der Feldherr Wallenstein muss eine Entscheidung treffen: Soll er mit seinen Truppen zum Feind überlaufen? Derweil intrigieren seine Offiziere, darunter auch sein engster Vetrauter, dessen Sohn Wallensteins Tochter liebt … Nach 65 Jahren Pause bekommt Nürnberg wieder eine Wallenstein-Inszenierung. Am 26. Januar feiert Schilelrs Kriegs-Klassiker Premiere in der Inszenierung von Schauspiel-Chef Jan-Philipp Gloger. curt durfte ihm im Vorfeld ein paar Fragen zu dieser Arbeit stellen.
CURT: Der Wallenstein ist, kann man wahrscheinlich sagen, der große Klassiker eurer 23/24-Spielzeit. Warum genau dieser Stoff jetzt?
Weil die Welt voller schrecklicher Kriege ist. Das kann man mit diesem Stück natürlich nicht abbilden. Aber der Text untersucht in frappierender Weise, was mit Menschen geschehen kann, die in der emotionalen, ökonomischen, sozialen Maschinerie gefangen sind, die ein Krieg hervorbringen kann. Außerdem hat der Stoff einen reginalen Bezug und wurde 65 Jahre nicht am Staatstheater gemacht.
Du hast vor zwei Jahren Schillers Don Karlos inszeniert, jetzt Wallenstein, kannst du erklären, welche Bedeutung Schiller für dich als Theatermensch hat, was hat der an sich?
Als ich angefangen habe, war ich vorsichtig mit Schiller. Aber mittlerweile reizt mich sein Pathos. Die Figuren sind pathetisch, nicht der Autor. Sie reden sich in die Gefühle, Gedanken, Strategien hinein, die Sprache nimmt Anlauf und wird dann selbst Handlung. Das begeistert mich als Vorlage für ein Sprech-Theater im Wortsinn. Und wie Schiller auf den Menschen in seinen sozialen Zwängen und Rollen blickt, interessiert mich. Ohne den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren – wie bei Max Piccolomini in Wallenstein, der diese Abgebrühtheit nicht versteht und so starke Sätze hat wie: „Denn hört der Krieg im Kriege nicht auf, wie soll dann Friede werden?“
Wie nähert man sich einem solchen Klassiker Wie viele Inszenierungen der vergangenen Jahre hast du gesehen? Oder bewusst einfach gar keine?
Gar keine. Peter Stein auf Video vor mehr als 15 Jahren – aber das war eher abschreckend. Ich habe mich gemeinsam mit der Chefdramaturgin Brigitte Ostermann gefragt: Was wollen wir erzählen? Und worauf können wir verzichten? So entsteht eine Strichfassung – da streicht man die Hälfte des Stücks, weil es sonst acht Stunden dauern würde, trifft aber auch inhaltliche Entscheidungen. Und dann haben wir über die Welt gesprochen, in der wir das Zeigen wollen und sind u.A. zu der Erkenntnis gekommen: Das irgendwie nach heute zu verlegen verschmälert das alles viel zu sehr. Die Entscheidung dar dann: Die Kostüme an 1634 anzulehnen, aber in der Bühne und in der Spiel- und Sprechweise etwas ganz heutiges und auch persönliches zu suchen.
Worauf kann sich das Nürnberger Publikum einstellen, was magst du schon verraten?
Auf einen Stoff, der Aufschluss über die Vergangenheit bietet, die uns noch in den kulturellen Knochen sitzt und sich gleichzeitig vielfach mit der Gegenwart verbindet. Und auf ein großes Ensemblestück und Schauspieler*innen, die die Texte zu sich holen und aufschließen, erlebbar machen und spannend.
#Interview, #Jan-Philipp Gloger, #Schiller, #Staatstheater Nürnberg, #Theater, #Wallenstein