curts Bücherstapel 08/09: Neuerscheinungen aus der curt Region

FREITAG, 1. AUGUST 2025, NüRNBERG

#Bücher, #Bücherstapel, #Kristina Pfister, #Leonhard F. Seidl, #Literatur

Wohlfühlroman, Krimi, Lyrik, Nature Writing, Sachbuch, … Alles für jeden dabei – und aus regionalen Schreibstuben. 

Kristina Pfister: Nach dem Sommerregen
Sie ist die wahrscheinlich erfolgreichste, zumindest junge Autorin unserer Region und veröffentlicht bei S. Fischer mit beeindruckender Regelmäßigkeit ihre fein komponierten Sommer-Romane. Auf Ein unendlich kurzer Sommer (2023) und Tage im warmen Licht (2024) folgt mit Nach dem Sommerregen ein Familienroman. Die Ritters sind früher jedes Jahr in ihr Ferienhaus an der alten Mühle gefahren. Ein sentimental aufgeladener Ort. Als die Eltern das Haus verkaufen wollen, treffen sich die Geschwister, Cecilia, Jonas und Marika, um einige letzte Wochenenden in ihrem zweiten Zuhause zu verbringen. Die drei haben sich über die Jahre voneinander entfernt und bringen alle ihre jeweiligen Konflikte und Krisen mit ins Haus. Und die Frage danach, wer sie eigentlich noch sein werden, wenn es das alte Haus nicht mehr gibt. Kristina Pfister spielt auf diesem Feld ihre bereits bekannten Stärken aus: lebendige Figurenzeichnung und ein Gespür für große Emotionen.  
S. Fischer, 352 Seiten, 18 Euro 

Helmut vorndran: Rattenharpyie
Der schon Mitte der 80er als Kabarettist die Kulturbühne betretende, mittlerweile ausschließlich als Autor arbeitende Helmut Vorndran, hat sich für seine Regionalkrimis ein besonderes Ordnungsprinzip überlegt: Ihre Titel folgen, relativ konsequent, dem Alphabet. Im Jahr 2025 kommen wir an beim Buchstaben R. In Rattenharpyie orientiert sich Vorndran an einem echten Fall und nimmt seine Lesenden mit in die düstere Nachkriegszeit. Ein Mann überrascht eine Einbrecherin und wird von ihr erschossen, kurz darauf wird auch der Großvater des Opfers im Altersheim ermordet. Ein in der Vergangenheit liegender Fall wird mit einem jetzigen verknüpft, das Ermittlertrio aus Bamberg steht vor einer gefährlichen Spurensuche, die sie von Oberfranken in die Schweiz und bis nach England führt. Spannend und natürlich gewürzt mit bissigem Humor. 
Emons, 352 Seiten, 16 Euro  

Alex Görlach: Halsermohnz
... in grünanlage rasender stillstand, heraklit, parmenides/stumm sediert in liegestühle, starren vor sich hin. Axel Görlach kann, das hat er bereits in drei Lyikbänden bewiesen, Zeilen schreiben, die nachhallen. Halsermohnz heißt seine jüngste Sammlung von Gedichten, die sich im Kern mit der Frage der Derealisierung unserer Welt beschäftigen, der gegenwartsprägenden Situation der vielfachen Deutung und Umdeutung dessen, was Wirklichkeit ist oder sein könnte. Die Beobachtung wirkt sich für Görlach nicht nur inhaltlich aus, sondern eben auch durch die Grammatik des poetischen Sprechens, das immer wieder neu ansetzt und selbst defomiert ist. Es sind tastende, aber auch ungestüm stolpernde Texte, in denen sich ein lyrisches Ich auf die Suche nach der eigenen Sozialisation und nach den Gründen für das Unbehagen mit der Existenz befindet. 
Black Ink Lyrik, 36 Seiten, 8 Euro 

Gamze Kubaşık, Semiya Şimşek Christine Werner: Unser Schmerz ist unsere Kraft 
Dieses Buch hat eine Unterzeile, die schonungslos ist und deshalb so stark: „Neonazis haben unsere Väter ermordet“. Es ist diese Erfahrung, die Semiya Simsek und Gamze Kubasik verbindet, ihre Väter waren Opfer des NSU, der eine in Nürnberg, der andere in Dortmund. Das vorliegende erzählende Sachbuch richtet sich an Leser:innen ab 14, aber letztlich an uns alle. Zusammen mit der Journalistin Christine Werner erzählen sie in Form von Gedächtnisberichten, Telefonaten und Chats, wie sie als Jugendliche diesen ungeheuren Verlust und die empörende Vorverurteilung ihrer Familien erlebt haben. Und welche Kraft zur politischen Arbeit mit der Zeit aus dem Trauma erwachsen ist. Es ist das erste Buch über den NSU, das sich an Jugendliche richtet und ein hoch emotionales Plädoyer für mehr politische Wachsamkeit.  
Fischer Säuerlander, 192 Seiten, 17,90 Euro

Leonhard F. Seidl: Beim Anschüren des Eisvogels
Der Fürther Autor durfte in den vergangenen Jahren immer wieder Stipendienzeit an schönen oder gar entlegenen Orten verbringen. Im Bayerischen Wald, im Nationalpark Gesäuse, in der Gipsmühle an der Tauber. Nun ist eine Sammlung von Texten erschienen, die sich dem Nature Writing zuordnen lassen oder mit seinen Elementen arbeiten. Das reicht vom Kurzkrimi im Bayerischen Wald über theoretisch-essayistische Betrachtungen zum Subjekt Nature Writing an sich bis zu fast tagebuchhaften Reflektionen aus einem Leben als Schriftsteller, als Naturaufsaugender, als Vater. Aus der Wechselwirkung von Äußerem und Innerem, wenn die Natur durchscheint ins Seelenleben, entstehen die stärksten Momente dieses schönen, schmalen Bandes. 
Killroy Media, 120 Seiten, 19 Euro  




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#Bücher, #Bücherstapel, #Kristina Pfister, #Leonhard F. Seidl, #Literatur

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NüRNBERG. Luisa Stömer, Eva Wünsch: Schwellenangst
Das schreibende und gestaltende Duo aus Gostenhof did it again: Mit einem außergewöhnlichen Buch schaffen es Luisa Stömer und Eva Wünsch, einen neuen Zugang zu einem tabuisierten Thema zu finden. Schwellenangst versammelt Annäherungen an den Tod, bzw. nicht ganz richtig: Annäherungen an einen anderen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Denn genau darum geht es den beiden, um die Frage, ob es möglich sein könnte, die Verdrängung hinter uns und eine neue Offenheit zuzulassen. Gestorben wird heute sehr allein und davor tanzen wir ein Leben lang um das Thema herum, als gäbe es ihn nicht, den Tod. „Sterben ist eine Schwelle. Und der Tod ist der Raum jenseits der Fußmatte“, heißt es so schön banalpoetisch im ersten Text des Buches. Luisa und Eva schaffen eine neue, entdämonisierte Form der Sensibilität, indem sie sich dem Tod von allen Seiten nähern: von biologischen Prozessen des Sterbens, der Auflösung eines Körpers, bürokratischen Hürden und Schlupflöchern, über Trauer, die sich allen Phasenmodellen entzieht, und Wachstumsschmerzen bis hin zu unkonventionellen Bestattungen und gesellschaftlichen Ungleichheiten, die über den Tod hinausreichen.
Ein Buch, in dem vier Jahre Auseinandersetzung mit dem Ende stecken und das Orientierung und vielleicht auch Trost spenden kann – und natürlich so aufwendig, wie schön gestaltet ist.
 
Kunstmann Verlag, 288 Seiten, 34 Euro  // www.kunstmann.de


Lisa Krusche, Jenny Schäfer: Die Anrufung der Riesin
Mit 13, 14, 15 hatte sie, schreibt Lisa Krusche, die patriarchalen Ansprüche an ihren Körper längst verinnerlicht. Aus der Distanz von heute diagnostiziert die Autorin: eigentlich wollte sie verschwinden, immer dünner und zarter werden. Die Anrufung der Riesin, erschienen im Fürther starfruit Verlag und herausgegeben vom Institut für moderne Kunst, ist ein Essay, der von der Suche nach einem „Woanders“ erzählt, einem verschollenen Ort, an dem weiblich gelesene Menschen so sein können, wie sie sind. Der Text mäandert dabei zwischen wiederentdecktem Teenager-Tagebuch, Bestandsaufnahme der Weiblichkeit im Spätkapitalismus, analytischer, fußnotenreicher Selbstbefragung und dem Verfolgen der Spur der titelgebenden mythologischen und literarischen Figur. Durchsetzt ist er von den Bildern von Jenny Schäfer, deren fotografischer Blick in Gesteinsoberflächen mystische Landschaften findet. Ein offenherziges und aufwühlendes Kleinod von einem Buch.

Starfruit Publications, 128 Seiten, 24 Euro // www.starfruit-publications.de


Susanne Reiche: K0mmissar Kastner und das perfekte Weihnachtsdinner
Fränkische Krimifans was habt ihr euch vom Christkind gewünscht? Natürlich einen Weihnachtskrimi, im Idealfall auch noch mit Susanne Reiches Ermittler Kommissar Kastner. In Susanne Reiches neustem Roman schickt sie ihren kulinarisch nicht ambitionierten Helden in die Endausscheidung des Wettbewerbs franken kocht – als Ersatz-Beikoch für einen Kollegen. Einer jedoch überlebt das Wettkochen nicht, ein allzu strenger Juror, über dessen Leiche Kastner im Kühlraum stolpert. Geschickt nutzt Kastner seine Rolle beim kulinarischen Wettbewerb für Nachforschungen aus – und wächst gleichzeitig auch als Koch über sich hinaus.

Ars Vivendi, 143 Seiten, 14 Euro // www.arsvivendiverlag.de  >>
MAGAZIN  28.08.2024
NüRNBERG. STEPHANIE MEHNERT: DAS FLIMMERN KLEINER LICHTER
In Nürnbergs Leseszene schon lange keine Unbekannte mehr, dürfen sich Stephanie Mehnerts feinfühlige Gedankenströme nun endlich auch in heimischen Bücherregalen einnisten. Mit ihrem Debütroman „Das Flimmern kleiner Lichter“ entführt die Wahlnürnbergerin in eine Welt, die das Dunkel des Lebens weder romantisiert noch ausklammert – und dabei kraftvoll stets das Licht hochhält: Ronja, Pflegehilfskraft in St. Pauli, wohnt in einer Datsche am Elbstrand. Traumatische Erfahrungen holen Ronja immer wieder ein und ihr Leben gerät letztlich aus den Fugen, als sie ihre zwangseingewiesene Lieblingspatientin aus der Klinik entführt, um deren Suizid zu verhindern. Alte Wunden brechen auf. Doch unerwarteten Rückhalt findet Ronja in einer Familie, von deren Existenz sie noch gar nichts ahnte. Ein Gesellschaftsroman über Identitätssuche, Hoffnung und Zwischenmenschlichkeit. Dabei so melancholisch schön, dass es auf jeden Fall entsteht: das zuversichtliche, gute Gefühl. 
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Ulrike Helmer Verlag, 144 Seiten, 20 Euro  // www.ulrike-helmer-verlag.de

INGRID ARTUS & NADJA BENNEWITZ: WIR KOMMEN AUS DEM KAMPF HERAUS
Das politische Leben und Wirken der Nürnberger Antifaschistin Berta Backof erzählen und beleuchten die Erlanger Professorin für Soziologie Prof. Dr. Ingrid Artus und die Historikerin Nadja Bennewitz in ihrem neuen gemeinsamen Buch „Wir kommen aus dem Kampf heraus“. Mit 17 lässt sich Berta Backof gegen den Willen ihrer Mutter einen Bubikopf schneiden. Ihre Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiterjugend verstärkt den Gegenwind, doch es bestärkt auch ihre Politisierung in der Weimarer Republik. Sie protestiert gegen die Aufrüstung der deutschen Marine und tritt der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) bei. Nach der Machtergreifung der Nazis geht sie in den Untergrund und wird als KPD-Mitglied schließlich Teil des Widerstands. Ein literarisches Porträt über eine fränkische Frau, deren Leben ein Schlaglicht auf die hiesige antifaschistische Arbeiter:innengeschichte von den 1920er-Jahren bis in die Nachkriegszeit wirft. 
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PapyRossa Verlag, 180 Seiten, 18 Euro  // www.papyrossa.de

MAGDALENA KRATZER: AM PLUTO VORBEI, DANN LINKS
Um eine innerliche wie äußerliche Reise dreht sich Magdalena Kratzers erster Selfpublishing-Roman, der die Lesenden mit nach Südfrankreich nimmt und dabei die Zufallsbegegnung zwischen den beiden Hauptprotagonist:innen Saniel und Anka erzählt. Beide kämpfen mit kürzlich erlebten schwierigen Ereignissen, beide suchen Halt im jeweils anderen. Sie beschließen, gemeinsam in die Provence zu reisen, um dort ausgesetzte Hunde zu retten. Doch ihre verdrängten Sorgen und Herausforderungen schleichen sich natürlich direkt mit ins Gepäck. Eine Geschichte über gegenseitige Inspiration und Wachstum. 
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BoD – Books on Demand, 244 Seiten, 11,99 Euro  // www.buchshop.bod.de

FITZGERALD KUSZ: DER BESTE KUSZ
Seine schönsten Gedichte der letzten 50 Jahre versammelt das Nürnberger Urgestein Fitzgerald Kusz nun eigens kuratiert in seinem neusten Werk Der beste Kusz. Bereits seit vielen Jahrzehnten zählt der Sprachkünstler zu den wohl bedeutendsten fränkischen Mundart-Lyrikern im gesamtdeutschen Raum und bereichert uns dank seines satirischen Blickes regelmäßig mit unterhaltsamsten Zeilen über Absurditäten des Lebens sowie politische Machenschaften im Weltgeschehen. 
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ars vivendi verlag, 256 Seiten, 20 Euro // www.arsvivendi.com  >>
MAGAZIN  07.07.-09.07.2023
KATHARINENRUINE. Die Schreibenden, und curt fühlt sich ausdrücklich mitgemeint, haben in Nürnberg im Sommer einen besonderen Platz in der Stadt. Ein Wochenende lang gehört der Literatur, den Literaturschaffenden, den Literaturfans die Katharinenruine und das Drumherum. Die texttage mit textualienmarkt holen große Namen in die Stadt und präsentieren gleichzeitig die gesamte Bandbreite der regionalen Szene. Wie genau das alles von statten geht, wissen die Organisatorinnen Kathleen Röber und Grazyna Wanat.  >>
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