curts Bücherstapel 08/09: Neuerscheinungen aus der curt Region
#Bücher, #Bücherstapel, #Kristina Pfister, #Leonhard F. Seidl, #Literatur
Wohlfühlroman, Krimi, Lyrik, Nature Writing, Sachbuch, … Alles für jeden dabei – und aus regionalen Schreibstuben.
Kristina Pfister: Nach dem Sommerregen
Sie ist die wahrscheinlich erfolgreichste, zumindest junge Autorin unserer Region und veröffentlicht bei S. Fischer mit beeindruckender Regelmäßigkeit ihre fein komponierten Sommer-Romane. Auf Ein unendlich kurzer Sommer (2023) und Tage im warmen Licht (2024) folgt mit Nach dem Sommerregen ein Familienroman. Die Ritters sind früher jedes Jahr in ihr Ferienhaus an der alten Mühle gefahren. Ein sentimental aufgeladener Ort. Als die Eltern das Haus verkaufen wollen, treffen sich die Geschwister, Cecilia, Jonas und Marika, um einige letzte Wochenenden in ihrem zweiten Zuhause zu verbringen. Die drei haben sich über die Jahre voneinander entfernt und bringen alle ihre jeweiligen Konflikte und Krisen mit ins Haus. Und die Frage danach, wer sie eigentlich noch sein werden, wenn es das alte Haus nicht mehr gibt. Kristina Pfister spielt auf diesem Feld ihre bereits bekannten Stärken aus: lebendige Figurenzeichnung und ein Gespür für große Emotionen.
S. Fischer, 352 Seiten, 18 Euro
Helmut vorndran: Rattenharpyie
Der schon Mitte der 80er als Kabarettist die Kulturbühne betretende, mittlerweile ausschließlich als Autor arbeitende Helmut Vorndran, hat sich für seine Regionalkrimis ein besonderes Ordnungsprinzip überlegt: Ihre Titel folgen, relativ konsequent, dem Alphabet. Im Jahr 2025 kommen wir an beim Buchstaben R. In Rattenharpyie orientiert sich Vorndran an einem echten Fall und nimmt seine Lesenden mit in die düstere Nachkriegszeit. Ein Mann überrascht eine Einbrecherin und wird von ihr erschossen, kurz darauf wird auch der Großvater des Opfers im Altersheim ermordet. Ein in der Vergangenheit liegender Fall wird mit einem jetzigen verknüpft, das Ermittlertrio aus Bamberg steht vor einer gefährlichen Spurensuche, die sie von Oberfranken in die Schweiz und bis nach England führt. Spannend und natürlich gewürzt mit bissigem Humor.
Emons, 352 Seiten, 16 Euro
Alex Görlach: Halsermohnz
... in grünanlage rasender stillstand, heraklit, parmenides/stumm sediert in liegestühle, starren vor sich hin. Axel Görlach kann, das hat er bereits in drei Lyikbänden bewiesen, Zeilen schreiben, die nachhallen. Halsermohnz heißt seine jüngste Sammlung von Gedichten, die sich im Kern mit der Frage der Derealisierung unserer Welt beschäftigen, der gegenwartsprägenden Situation der vielfachen Deutung und Umdeutung dessen, was Wirklichkeit ist oder sein könnte. Die Beobachtung wirkt sich für Görlach nicht nur inhaltlich aus, sondern eben auch durch die Grammatik des poetischen Sprechens, das immer wieder neu ansetzt und selbst defomiert ist. Es sind tastende, aber auch ungestüm stolpernde Texte, in denen sich ein lyrisches Ich auf die Suche nach der eigenen Sozialisation und nach den Gründen für das Unbehagen mit der Existenz befindet.
Black Ink Lyrik, 36 Seiten, 8 Euro
Gamze Kubaşık, Semiya Şimşek Christine Werner: Unser Schmerz ist unsere Kraft
Dieses Buch hat eine Unterzeile, die schonungslos ist und deshalb so stark: „Neonazis haben unsere Väter ermordet“. Es ist diese Erfahrung, die Semiya Simsek und Gamze Kubasik verbindet, ihre Väter waren Opfer des NSU, der eine in Nürnberg, der andere in Dortmund. Das vorliegende erzählende Sachbuch richtet sich an Leser:innen ab 14, aber letztlich an uns alle. Zusammen mit der Journalistin Christine Werner erzählen sie in Form von Gedächtnisberichten, Telefonaten und Chats, wie sie als Jugendliche diesen ungeheuren Verlust und die empörende Vorverurteilung ihrer Familien erlebt haben. Und welche Kraft zur politischen Arbeit mit der Zeit aus dem Trauma erwachsen ist. Es ist das erste Buch über den NSU, das sich an Jugendliche richtet und ein hoch emotionales Plädoyer für mehr politische Wachsamkeit.
Fischer Säuerlander, 192 Seiten, 17,90 Euro
Leonhard F. Seidl: Beim Anschüren des Eisvogels
Der Fürther Autor durfte in den vergangenen Jahren immer wieder Stipendienzeit an schönen oder gar entlegenen Orten verbringen. Im Bayerischen Wald, im Nationalpark Gesäuse, in der Gipsmühle an der Tauber. Nun ist eine Sammlung von Texten erschienen, die sich dem Nature Writing zuordnen lassen oder mit seinen Elementen arbeiten. Das reicht vom Kurzkrimi im Bayerischen Wald über theoretisch-essayistische Betrachtungen zum Subjekt Nature Writing an sich bis zu fast tagebuchhaften Reflektionen aus einem Leben als Schriftsteller, als Naturaufsaugender, als Vater. Aus der Wechselwirkung von Äußerem und Innerem, wenn die Natur durchscheint ins Seelenleben, entstehen die stärksten Momente dieses schönen, schmalen Bandes.
Killroy Media, 120 Seiten, 19 Euro
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