Staatstheater Spielzeitvorschau: Dieser Laden brummt
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Im Jugendclub ging es los. Da habe das Staatstheater Exzellenz ausgebildet, so die Kulturbürgermeisterin Dr. Julia Lehner im Rahmen der Spielzeitpremiere. Sie meint: Lene Grösch, die Rückkehrerin, die neue Schauspieldirektorin in Nürnberg. Sie erreicht ein warmes Nest, ein Haus, dem es so gut geht wie noch nie.
Das nämlich werden weder Lehner noch Staatsintendant Jens-Daniel Herzog noch Geschäftsführender Direktor Christian Ruppert müde zu betonen: In der dritten Saison nach Corona habe das Staatstheater so viele Karten verkauft wie nie zuvor, ausverkaufte Säle seien normal, im Vergleich zur sehr guten Vorsaison habe man sich noch einmal um 13 Prozent gesteigert. Dieser Laden brummt. Und steht damit äußerst stabil da, wenn es darum geht, einen Umbruch zu bewältigen. Nicht nur die Schauspieldirektorin ist neu, auch der Ballettdirektor: Auf Goyo Montero folgt der amerikanische Choreograf Richard Siegal. Einen Aufbruch zu neuen Ufern verspricht Chef Jens-Daniel Herzog.
Genau so fresh startet dann auch das Staatstheater unter neuer Leitung in die Saison 25/26: Die erste Liebe hält 5 Jahre feiert als Spielzeitauftakt am 03.10. Premiere, eine Uraufführung mit Texten von sieben Autor:innen, unter anderem Katja Brunner und Max Czollek genauso wie die beiden Arenz-Brüder Ewald und Helwig. Alle Schreibenden haben sich für diese Produktion mit einem Thema auseinandergesetzt, das wichtig ist, aber auch schön: Spielzeug. Eine politische Toystory soll es werden. Nur zwei Tage später folgt die zweite Premiere und auch gleich die zweite Uraufführung plus die Premiere der neuen Hausautorin in Nürnberg: Raphaela Bardutzky, die für Altbau in zentraler Lage gerade einen theatermäßigen Ritterschlag erhielt, eine Einladung zu den Mühlheimer Theatertagen. 74 Minuten ist ein Auftragstext, ein machtkritischer Blick auf das Thema Zeit, dessen Aufführung exakt 74 Minuten dauern soll. Und auch mit der dritten Premiere, ebenfalls im Oktober, bleibt das Staatstheater stark in der Gegenwart verhaftet: Dominik Günther inszeniert Liv Strömquists feministischen Erfolgscomic Der Ursprung der Liebe. Die Proben laufen schon, verrät Grösch – und sie machen den Schauspielenden großen Spaß.
60 Prozent des Ensembles wird dem Staatstheater trotz des Wechsels in der Leitungsebene erhalten bleiben. Wer sich mit den Gepflogenheiten im Theater auskennt, weiß, dass das eine enorm hohe Quote ist. Neun von 23 Schauspieler:innen sind neu in Nürnberg. Im Ballett bleibt ein Drittel, ein Drittel kommt neu und Drittel ist bereits Teil von Siegals Compagnie Ballet of Difference.
Außerdem bemerkenswert im Schauspiel: Mit Die Räuber wird die Schiller-Tradition des Hauses fortgesetzt, allerdings with a twist: Die Regisseurin Ebru Tartici Borchers wünscht sich für diesen männerdominierten Stoff eine “fast ganz weibliche Besetzung”. Sie inszenierte zuletzt Schillers Kabale und Liebe am Wiener Burgtheater. Auch davon ab hat Grösch ihre erste Spielzeit nicht nur aus Gegenwartsdramatik gebaut: Im XRT gibt’s eine englischsprachige AR-Adaption von Doctor Faustus, Julia Prechsl inszeniert ihre Neu-Übersetzung von Oscar Wildes Bunbury, der Schaubühnen-Schauspieler Marcel Kohler bringt Falladas Kleiner Mann, was nun? auf die Bühne. Der große, antike, aber, versprochen von der Schauspieldirektorin, zugängliche und nicht zu lange Abschluss der Spielzeit ist die Orestie inszeniert von Stephan Kimmig, Hausregisseur am Deutschen Theater Berlin.
Als persönliches Highlight bezeichnet Lene Grösch aber nochmal etwas Anderes: Die größere Hoffnung, Premiere am 20.02., die Erstaufführung einer Wiederentdeckung: Ilse Aichingers Nachkriegsroman erzählt vom Kindsein im Krieg und wird in Nürnberg von Salome Schneebeli auf die Bühne bracht, die als Choreografin und Tänzerin einen wahrscheinlich ganz eigenen Zugang zu diesem sprachgewaltigen Material finden wird. Auch eine neue Kooperation mit dem 1. FC Nürnberg steht im Programm: Heulen mit den Wölfen wird ein Abend über Fußball und Ausgrenzung, der die Brücke von der Nazivergangenheit des Clubs in die Gegenwart schlägt. Neu ist auch das Label Yalla Yalla, unter dem Formate zusammengefasst werden, die das Theater zum Begegnungsort machen, von der Nachtetage über Workshops bis zur Not To Late Night Show, bei der auch ein gewisser Tim Steinheimer (Grüße!) mitmischen wird.
Die zweite Person, die frischen Wind reinpusten wird, ist Richard Siegal, ein Balletdirektor mit eigener Compagnie, der das Eine auch gar nicht gegen das Andere tauschen wird. Er startet die erste Saison des Staatstheater Nürnberg Ballet of Difference, in der er weiterhin die Mission verfolgen will, herauszufinden, was Ballett im 21. Jahrhundert eigentlich bedeutet. Siegals erste Choreografie wird ab 15.11. zu sehen sein: Noise Signal Silence basiert auf einer Zusammenarbeit mit dem Pionier der elektronischen Musik Alva Noto und erforscht die Schnittstelle zwischen Bewegungspotential und Technologie. Zwölf Tänzer:innen werden sich durch einen intensiven, futuristischen Raum bewegen. Der Abend gipfelt in einer Weltpremiere mit einer neuen Komposition von Noto. Mit New Ballett Russes wird das Nürnberger Ballett sich direkt auf eine der prägenden Compagnien des 20. Jahrhunderts Berufen, Sergej Diaghilews Ballett Russes. Es ist auch die erste Zusammenarbeit mit der Staatsphilharmonie, die Werke von Strawinsky spielt. Siegal verspricht außerdem ein wildes und ausdrucksstarkes Kostüm- und Lichtdesign. Les Ballets Actuels heißt das dritte und abschließende Programm der Spielzeit. Es formuliert nicht weniger als den Anspruch, das Verhältnis der Gegenwart zum Ballett neu zu definieren. Die Choreografien kommen von Siegal selbst, Kirsten Wicklund, Leiterin des Ballett Edmonton in Kanada und Justin Peck, Resident Choreographer des New York City Ballett.
Immer wieder betont der – nicht anders als Grösch – äußerst sympathische Siegal die Bedeutung der Teamarbeit für seine Kunst. Das Ballett wird sich ab der kommenden Spielzeit mehr als bisher in die pädagogische Sparte Plus einbringen. Unter der Überschrift Ideas in Action will er die Ballettsparte weiter öffnen und mit dem Publikum und der Stadt verzahnen, Grenzen sprengen, innovative Formate ausbprobieren und den Umzug in die Kongresshalle 2028 vorbereiten. Zu den Ideas gehören Open Classes für Laien und Laiinnen, öffentliche Proben, Matineen und Soireen mit Gespräch und im Juli kommenden Jahres eine Kooperation mit dem bbs – Bildungszentrum für blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. 140 Kinder werden einen Monat lang täglich drei bis sechs Stunden tanzen.
Acht große Konzerte kündigt Chefdirigent Roland Böer an plus Exkursionskonzerte, 3-Klang-Konzerte, Kinderkonzerte, Gastspiele … Das in seinen ersten beiden Spielzeiten verfolgte Konzept der Anbindung an Oper und Schauspiel lässt Böer hinter sich. In dieser Spielzeit soll es um die großen Namen und große, oft romantische, Emotionen gehen: Bruckner, Mozart, Strauß, Schönberg, Brahms, der dann wiederum vom Gegenwartskomponisten Detlev Glanert weitergedacht wird. Böers Herz schlägt für das Zusammen von Klassik und der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Für Mahlers 9. Symphonie im Juni 26 kommt die Ehrendirigentin der Staatsphilharmonie zurück nach Nürnberg: Joana Mallwitz. Neu ist, dass die Staatsphilharmonie einen Artist in Residence ans Haus holt: Der Cellist Maxmilian Hornung wird intensiv mit dem Orchester zusammenarbeiten und u.a. beim 2. Philharmonischen Konzert Schoschtakowitsch’ Cellokonzert Nr. 1 interpretieren.
Jens-Daniel Herzog darf sieben Opernpremieren ankündigen. Verdis La Traviata steht dabei neben der Gegenwartsoper über die Verarbeitung eines Amoklaufs Innocence, dem letzten Werk der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, Puccinis Turandot neben der deutschesten aller Opern, dem Freischütz, Alban Bergs Lulu neben Ein Fall für Figaro, einer Oper für Jugendliche, inszeniert von Komödienspezialist Christian Brey. Und die West Side Story kommt zurück auf den Plan, die damals von Corona verstummt wurde. In der Sparte Plus wird Nils Corte, Leiter des XRT, mi Jugendlichen einen Roboter bauen: Das gemeinsame Stück Love!? kommt dann im Juli auf die Bühne. Gleich im Herbst werden fünf Inszenierungen von Jugendclubs aus ganz Deutschland in Nürnberg zu sehen sein. Das 34. Bundestreffen von Jugendlcubs an Theatern ist das erste seine Art in Nürnberg. Gut getimed zur Rückkehr der ehemaligen Jugendclub-Besucherin Lene Grösch, die zusammenfällt mit der Amtszeit von Friederike Engel an der Tafelhalle und Christine Haas am Gostner Hoftheater, die ebenfalls bei Anja Sparberg frühe Theaterluft geatmet haben. Ein nicht notwendiger, aber schöner Nachweis für den Erfolg dieser Arbeit.
Wie schon im Vorjahr wird der Vorverkauf für alle Produktionen des ganzen Jahres gleichzeitig geöffnet. Christian Ruppert benennt ein großes Ziel für die Zahlen: Mit den Abos die 10.000er-Schallmauer hinter sich lassen.
www.staatstheater-nuernberg.de
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