Erzähl mir was ... Bernd Kugler

FREITAG, 1. NOVEMBER 2019

#Buchhandlung Jakob, #Desi, #Lara Sielmann, #Lesung, #Literatur, #Theater Pfütze, #Z-Bau

Als Teil der Desi-Programmgruppe und des Desintegrationsbüros konzipiert Bernd die Lesereihe „Haymatlos“ mit. Was sich hinter diesen Begrifflichkeiten verbirgt und wie so ein Abend aussieht, erzählt er im Interview.

Bernd, was ist ein Desintegrationsbüro?

Als Desintegrationsbüro wenden wir uns gegen regressiven gesellschaftlichen Zusammenhalt und versuchen Angebote zu schaffen, die es Menschen ermöglichen, aus Deutschland auszusteigen. Das ist im Grunde nicht allzu schwierig, mit etwas Schwung und kritischem Nachdenken bekommt das jeder hin, viele brauchen allerdings einen kleinen Schubser.
Wir sind Leute aus der Desi-Programmgruppe, dem Musikverein und der Initiative „Das Schweigen durchbrechen!“

Ihr macht auch Programm, wie die Lese- und Vortragsreihe „Haymatlos“ in der Desi.

Mit „Haymatlos“ wollen wir alle desintegrieren, die sich in Deutschland wohl fühlen, und die wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Ihnen muss unser Bemühen in besonderem Maße gelten, wenn wir sie nicht völlig an Patriotismus und Nationalismus verlieren wollen. Wir wollen Schmutz auf flauschige Wolldecken werfen, in die sich Ressentiments, völkische Ideologien und Zustimmung zu Leitkultur und Heimatliebe wohlig eingehüllt haben. Gleichzeitig reichen wir all denjenigen die Hand, die unter dieser Decke nie einen Platz haben wollten oder konnten. Inhaltlich geht es also in erster Linie um rassistische, antisemitische, homophobe oder sonst wie ideologisch gerechtfertigte Ausgrenzung, die der Begriff „Heimat“ im Schlepptau hat.

Wie sieht so ein desintegrativer Abend aus?

Der Ablauf der Veranstaltungen ist meist simpel, es wird gelesen und vorgetragen, dann gibt es eine kurze Diskussionsrunde auf der Bühne und eine lange an der Theke. Thomas Ebermann und Thorsten Mense haben sich für den 5. Dezember wohl noch etwas mehr überlegt, da bin ich selbst sehr gespannt.

Die Desi hat in der Vergangenheit spannende Lesereihen gemacht wie „SisteResist“, eine feministische Lesereihe, oder „Musik und Geste“, die sich mit musikalischen Phänomen auseinandersetzt – wie kommt ihr zu euren Schwerpunkten?

In erster Linie durch persönliche Vorlieben, wobei wir den Ruf der Desi als sperrige, linke Suppenküche natürlich verteidigen möchten. Es gibt in der Desi-Programmgruppe aktuell eine Menge Leute, die viel lesen, politisch denken und sich für Nischen interessieren. Die Desi bietet glücklicherweise eine Plattform, um das in Veranstaltungen zu übersetzen. Natürlich wollen wir damit Themen besetzen, die wir für relevant halten. Die Auseinandersetzung mit Popkultur macht natürlich auch einfach Spaß.

Was plant ihr als nächstes?

Anfang November machen wir einen Ausflug zum Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ in Chemnitz und Zwickau. Dann bringen wir die Haymatlos-Abende mit David Mayonga (aka Roger Reckless) am 21.11. und den Anti-Heimat Abend mit Ebermann und Mense am 05.12. über die Bühne. Und im Rahmen von „Musik&Geste“ liest darüber hinaus Simon Reynolds am 11.11. aus „Sex Revolts“.  Das wird alles sehr schön.

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Unsere Kolumnistin Lara Sielmann, geboren und aufgewachsen in Berlin, arbeitet als Kulturschaffende und Journalistin in Nürnberg und Berlin. Lara freut sich über themenbezogene Fragen, Anregungen und Tipps – einfach per E-Mail an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst e senden!

Laras Tipps für November:


EIN ABEND MIT DENIS SCHECK
FR. 08.11., 19:30 / BUCHHANDLUNG JAKOB / TICKETS DORT,15,-
Pünktlich zur kalten Jahreszeit, die man am besten lesend im Warmen verbringt, besucht uns auch diesen Herbst wieder Denis Scheck. Gekonnt und humorvoll bringt er uns die Neuerscheinungen und Bestseller der zweiten Hälfte des Jahres nahe. Außerdem hat er dieses Jahr auch sein eigenes Buch im Gepäck, in dem er seine Auswahl der 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur vorstellt.

SUPPKULTUR IM THEATER PFÜTZE
FR. 15.11., 18:00 / THEATER PFÜTZE / EINTRITT AUF SPENDENBASIS
Wenn wo SuppKultur draufsteht, heißt das, es gibt nie nur Texte, es gibt immer auch Suppe und Musik. Beim ersten SuppKultur-Gastspiel in der Pfütze steht David Soyza am Vibraphon neben Suppenkoch Stephan Goldbach am Kontrabass. Suppenkoch Andreas Thamm und Gast Clara Fieger lesen Texte und unterhalten sich über verschiedene Heimaten. Ein Thema auch für den Kreatives-Schreiben-Workshop des Theaters, aus dem Ergebnisse präsentiert werden. Und zwischendurch gibt‘s was zu Essen. Vermutlich kein Schnitzel.

LESE- UND VORTRAGSREIHE
»EIN NEGER DARF NICHT NEBEN MIR SITZEN«
MIT DAVID MAYONGA (AKA ROGER REKLESS)
DO. 21.11., 20:00 / DESI NÜRNBERG / VVK AB 12,-/ AK 15,-
Wie fühlt es sich an, tagtäglich als „Bedrohung“ wahrgenommen zu werden? Wie viel Vertrauen besteht nach dem NSU-Skandal noch in die Sicherheitsbehörden? Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Und wie wirkt sich Rassismus auf die Sexualität aus? Dieses Buch ist ein Manifest gegen Heimat – einem völkisch verklärten Konzept, gegen dessen Normalisierung sich 14 deutschsprachige Autor*innen wehren. Zum einjährigen Bestehen des sogenannten „Heimatministeriums“ sammeln Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah schonungslose Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft. In persönlichen Essays geben sie Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Mitglieder als „anders“ markiert, kaum schützt oder wertschätzt. Das DESINTEGRATIONSBÜRO präsentiert: „HAYMATLOS“ Kritische Perspektiven auf Heimat, Integration und den neuen deutschen Nationalismus .

“AGENTTERRORIST“ MIT DENIZ YÜCEL
SO. 24.11., 20:00 / Z-BAU / VVK AB 15,- / AK 18,-
„Niemals“ werde man Deniz Yücel ausliefern, erklärte der türkische Staatspräsident Erdoan im Frühjahr 2017, jedenfalls nicht, solange er im Amt sei. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der deutsch-türkische Journalist seit zwei Monaten im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 9. Zehn Monate später erhielt er ein Angebot zu seiner Freilassung – und lehnte ab. Die Inhaftierung des Korrespondenten der Welt führte in Deutschland zu einer enormen Solidaritätsbewegung und sorgte für eine schwere diplomatische Krise. Yücel erzählt von seinem Jahr im Gefängnis, von Einzelhaft und Schikanen. Er schreibt sehr persönlich, kämpferisch und humorvoll darüber, wie man ins Geschehen eingreifen kann, wenn man zum Spielball der internationalen Politik geworden ist. Eine hellsichtige Analyse über die jüngste Entwicklung der Türkei, die Funktionsweisen autoritärer Regimes und die Mechanismen der demokratischen Öffentlichkeit.





 




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