So war: Egersdörfer und Artverwandte #1

FREITAG, 18. OKTOBER 2013

#Egersdörfer

Der bekennende curt-Kolumnist Egers - Frankens erfolgreichster Humor-Export in Sachen schlechte Laune - hatte Mitte Oktober sich und ein paar illustre Gäste zur Premiere von Egersdörfer und Artverwandte (Nachfolgeformat der Comedy Lounge) ins K4 geladen. Was einmal mehr seinen schärfsten Kritiker Theobald O. J. Fuchs auf den Plan rief.

Betrifft: „Egersdörfer und Artverwandte“ (lustige Veranstaltung)
Zusammenfassung für Entscheidungsträger
Nürnberg, an einem 15. Oktober 2013.

Herren, Damen, Tafelspitz!

Was macht ein Kritiker, wenn es nichts zu kritisieren gibt? Klar: rasch zum Lobhudler und Stiefellecker sich wandeln! Oder nein. Denn es gibt kein Ding ohne Fehl auf dieser Welt (außer mich selbst freilich), und auch kein Ding, das nicht auch seinen guten Nutzen hätte. Außer Markus Söder selbstverständlich.
Die ganze Sause war rundherum prima, tadellos und einwandfrei. Einfach nix auszusetzen, an keiner der Nummern, an keinem der Vorträge, so dass ich ganz, ganz lange bohren und kratzen muss, bis mir halt doch noch was einfällt, was nicht so toll war. Und zwar die temporale Choreografie.
Will heißen, der Ablauf, der vorsah, dass ganz früh der böse Meister seine Partnerin, die unerträglich dumme und unterwürfige Carmen, auf die Bühne zitierte und wohlig in ihren Lebensschmerz badete, wie eine gerupfte Taube im Weihwasserbecken - das war nicht zielführend.
Denn das fränkische Publikum braucht ein Weilchen, um warm zu werden, es muss wie ein kalter Dieselmotor bei minus 20 Grad erst mit zwei, drei Ster Witzen warm geheizt werden, sich gleichsam in Schwung lachen. Dann verfängt auch eine Depressionsnummer. An und für sich ja kein Beinbruch, aber irgendjemand musste den Preis dafür blechen, und das waren die tapferen Recken, die als nächste an der Reihe waren - und glücklicher Weise ihre Aufgabe meisterhaft meisterten.

Aufführende (in aufsteigender Kragenweite)
Anton Grübener, der explodierende Witz. Philipp B. Moll, der Herr des goldmächtigen Redebildes, das Pigment der fröhlichen Erkenntnis wieder einfach nur so von seinen, Molls, Lippen perlend. Leo Fischer, dynamischer Träger des heiligen Fluches. Bird Berlin, der glitzernde und singende Koloss von Gostenhof. Matthias Egersdörfer, der nicht nur beleibte und artig frisierte. Und - but not least! - Madame du monde, die Frau an der Seite des M. Egersd., die wundervolle Natalie De Ligt, eine hochstudierte Fee, die den Saal sofort verzauberte (zumindest dem Kreischen gewisser Damen zwei Reihen vor mir nach zu schließen).
Da tat ein jeder, was er am besten konnte: Grübener kurbelte das Volk durch eine Achterbahn aus Pointen, schoss mit solcher Frequenz Kalauer aus seiner automatischen Witzkanone, dass am Ende selbst die Stühle kicherten und die Wände grinsten. Der „Humor der Zukunft“, eine seiner Entdeckungen, dürfte wohl stilbildend werden (zukünftig). Ein Besuch seines Soloprogramms sei hiermit strengstens empfohlen!
Philipp Balthasar Moll hingegen blickte zurück auf sommerliche Blödsinns-Festivals, insbesondere auf seinen eigenen Sommer der Liebe, als ihm zu begreifen gegeben worden sein mag, wie nachhaltig gut das Bier und wie unvorteilhaft ihm das Gras bekomme. P. Moll ist ein Gigant der Rede, ein unerschöpflicher Quell frischen Sprachflusses, so klar und süß perlend, dass die Seele sich hinein legen und für ewig darin baden möchte. Jedenfalls bis die Haut ganz schrumplig ist.
Leo Fischer, als sei es überhaupt noch von Bedarfs, dies zu verkünden, ist wohl einer, der einem jener Pioniere gleichend, welche einst neue Kontinente eroberten, den Journalismus durch die unbekannten Gestrüppe des 21. Jahrhunderts führen kann, ja wird und unbedingt muss. Ex-Chefredakteur der Titanic in spe, mit der Gabe geschlagen, stets druckreif zu sprechen und jederzeit wasserdicht zu denken. Er verstand es, einen ganzen Saal, der sicherlich auch hier und da gewisse Einfältigkeiten barg, zu sich hinauf, in die schwindelnden Höhen des Dings, also wo bloß die ganzen Schlauköpfe hindiffludieren zipfelhausen, traktieren und na, ihr wisst schon.
Natalie De Ligt: Da stand sie, diese winzige blonde Frau, die sich bisher irgendwo hinter dem rot-schwarz-gefleckten Gebirge von Ehemann versteckt gehabt haben muss. Die Frau, die den Incredible Egers schuf, die ihn zusammenschraubte in einer Doppelmondnacht, auf dem Grabstein von Luthers Zierkröte. Und sie berichtete aus dem Haushalt des Rotbehemdeten, dass einem die Nasenhaare zu Berge standen bzw. die Nahrungsbröckelchen aus den Zahngruben spratzelten, dabei selbst (also Frau De Ligt) lieblichst gewandet in roter Bluse und schwarzem Kostüm, quasi ein optisches Ausstattungsecho des Gastgebers.
Und er, der runde Herr des Saales selbst, was war mit ihm? Er kredenzte uns ein Derilat der feinsten Art, von musizierenden Bären und hysterischen Dörflern, führte zudem mehrere Kurzinterviews und gab sich als Vorgesetzter mit menschlichem Herzen hinter der Maske eines gemeinen Misogynie-Champions. Eine Wucht auf zwei Beinen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Vollgepackt das Programm, ein Dargebot besser als das andere. Die vermutlich beste Comedy Lounge der Welt, die jetzt Egersdörfer und Artverwandte heißt, weil halt ansonsten blöde Fragen gestellt würden, was dieses Hochamt des heiteren Geistes mit Comedy zu tun habe. Fragen, die niemand braucht. Ganz im Gegensatz zum gespielten Witz als finalem Abschluss, der zum x-ten Mal den Boden des Fasses, in welchem ein abgestandener Rest guten Geschmackes faulig schwappt, durchschlug. Fantastisch!
Und schau: wenn eben der Anfang nicht so dickflüssig und undurchsichtig daher gewalkt gekommen wäre, im guten alten Komm - wenn nicht - dann hätte es vielleicht den einen oder die andere im proppenbubbeldicht vollgepackten Festsaal buchstäblich zerrissen vor Lachen, mitten hindurch zerrissen, durch den mit Heiterkeit nicht gerade verwöhnten fränkischen Thorax, und das wäre ja auch nicht so schön gewesen, oder? (Plastiksack für die Zuschauerhälften, wegschleppen, aufwischen, wer weiß, was die Leute vorher gegessen haben, usw.). Damit also hätten wir gezeigt: sogar die ungünstige Abfolge hatte ihr Gutes. Q.E.D.
Und übrigens: ein Mensch war anwesend, der sich öffentlich dazu bekannte, ins Pub zu gehen – sicherlich nicht nur in meinen Augen ein extrem mutiges Outing -, und eine Frau mit Keilabsätzen als Füße, was dem Meister Rothemd sehr wohl gefiel. Obendrein war der Postillon aus Fürth zugegen, höchstselbst, leibhaftig und in personam, und alle behaupteten, dieser sogenannte Nietzsche-Vorfall sei ein abgekartetes Spiel gewesen, aber ich glaube, da wird geflunkert, weil wenn es solche Zufälle nicht gäbe, täte mit dem Zufall selbst etwas nicht in Ordnung sein, und dann hätten wir ein ernsthaftes Problem.
Das nächste Mal sich aus dem Haus begeben müssen wir uns erst wieder im November, am zwölften, dann trifft sich die Artverwandtschaft wieder - alle anderen Unterhaltungsveranstaltungse, was auch immer man uns einflüstern wird, sind's kaum wert, eine Unterhose da anzuziehen für. Naja. Fast alle.

Gez. T. Trotzki Fuchs,

Obermeister, II. Stufe, Spaßpolizei (Humorpräsidium Burggraf).


[Text: Theobald O.J. Fuchs]

Die nächste Egersdörfer und Artverwandte findet übrigens am 12. November im Festsaal des K4 statt.




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#Egersdörfer

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MAGAZIN  23.02.2024
AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer

Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen.
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HERSBRUCK. Bahnhof FÜRTH

Auf der blauen Himmelsleinwand über dem sandsteinernen Bahnhofsgebäude wurde ein Pinsel mit weißer Tünche immer wieder über die ganze Fläche abgestreift, um die Farbe aus den Borsten zu bekommen. Daneben im grauen Hochhausklotz glotzten die hundert schmalen Fensteraugen in müder Verschlagenheit. Auf den Bahnsteigen hingen blau gerahmte Displays in der Luft und zeigten den Reisenden die nächsten und übernächsten Anschlüsse hin zu anderen Bahnsteigen. Ein Mädchen mit weißen Steinchen im Ohr bewegte die kreidebleichen Turnschuhe mit ihren munter wiegenden Füßen und sprach und lachte mit einer Person an einem anderen Ort. Sanft griff sie in eine lange Strähne und zwirbelte das blonde Haar. Der Mann daneben löste seine Maske vom Ohr und trank vorsichtig aus der Mineralwasserflasche. Ein anderer hielt sich fast klammernd am Riemen der Tasche.

Eine Bahn fuhr heran. Seine Beine liefen zu den sich öffnenden Türen. Er verschwand. Die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr davon. Eine Frau mit gradem schwarzen Scheitel ließ eine Tasche unter dem Hintern nach vorne und hinten baumeln. Sie trug noch einen Beutel über der Brust und einen Rucksack am Rücken, als wolle sie sich von allen Seiten beschweren, um der Gefahr zu entgehen davonzufliegen wie der fliegende Robert. Dann pfiff hinten eine braune Lok, die sogleich geschäftig vorbeirollte, als habe sie im Lotto gewonnen. Dem geduldigen Postgebäude zur linken war ein Lederdach aufgesetzt worden. Wie braune Kappen auf den Köpfen von Knechten die im Viereck, Schulter an Schulter stumpf mit gestrecktem Rücken nebeneinender harren, stand es da und wartete auf Befehle. Direkt davor hatte man schwarze und gelbe Tonnen in einen engmaschigen Zwinger gesperrt. Die Quer- und Längsverstrebungen eines grünen Metallmasten überkreuzten sich im Blick darauf. Mit einer daran befestigten grauen Stangenkonstruktion wurde die elektrische Oberleitung recht aufwendig in die Luft gehalten. Weiße parallele Streifen flankierten im Sonnenlicht die Bahnsteigkante. Der Kabarettist stieg in die nächste Bahn nach Hersbruck ein und setzte sich zum Grafiker, der schon  im Waggon saß.
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