Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan 1: Im Tennenloher Forst

DIENSTAG, 1. FEBRUAR 2022, TENNENLOHER FORST

#Ausflugstipp, #Kleine Ausflüge, #Kolumne, #Matthias Egersdörfer, #Michael Jordan, #Tennenloher Forst

Fast genau ein Jahr ist es her, da hat sich der Egersdörfer in sein altes Auto gesetzt und ist über die Erlanger Straße nach Tennenlohe gefahren. Er hatte vorher auf einer Karte das Wort „Walderlebniszentrum“ gelesen. Irgendwie hat ihn dieser Begriff in seiner Nase gekitzelt und darüber hinaus neugierig gemacht.

Irgendwo im Franzosenweg hat er geparkt. Dann nahm er sein Notizbüchlein und den Kugelschreiber und ist losgegangen, um zu sehen, was es mit diesem Wort auf sich haben könnte. Auf seinem Weg ist er dann immer mal wieder stehen geblieben und hat sich etwas aufgeschrieben von der Welt, die er dort sah, hörte und schmeckte. Der Egersdörfer sollte nämlich einen kleinen Text schreiben. Um genau zu sein über das Postleitzahlengebiet 91058.

Das hat sich der Nürnberger Künstler Karsten Neumann von ihm gewünscht. Der ist der Schöpfer der Kunststadt Bethang, welche aus der Fusionierung von NürnBErg, FürTH und ErlANGen entsteht. Genauere Einzelheiten über das Projekt erfahren Sie unter www.bethang.org. Mit „37 bäume für Bethang“ startete Neumann im letzten Jahr eine Baumpflanzungsaktion mit dem Ziel, in jedem der 37 Postleitzahlen-Bezirke von Bethang (Nürnberg 28, Fürth 5, Erlangen 4) einen öffentlich zugänglichen Baum zu pflanzen. Mit dem Autor war nun vereinbart, dass jener über jeden Postleitzahlenbezirk eine Geschichte schreiben sollte. Die Person, die in Bethang einen Baum pflanzen lässt, sollte u.a. auch eine Geschichte vom Egers aus dem jeweiligen Postleitzahlengebiet ausgehändigt bekommen. So ist diese Geschichte über das „Walderlebniszentrum“ entstanden.

Dann hätte der Mann, der eigentlich als Kabarettist sein Geld verdient, noch zu den anderen 36 Bezirken je eine Geschichte schreiben sollen. Aber das hat alles zu lange gedauert, weil der lustige Erzähler halt nicht der Schnellste ist. Aus Egersdörfers Geschichten zu Bethang ist demnach nichts geworden. Nachdem einige Zeit verstrichen ist, hat der Egersdörfer gemerkt hat, dass er gerne kleine Ausflüge in verschiedene Bezirke der Region macht mit seinem Notizbuch und dass er dem Neumann dankbar ist, ihn auf diese Idee gebracht zu haben.

In dieser ganzen langen Zeit ist es auch passiert das dem Egersdörfer der Comic „Warum wir müde sind“ vom Michael Jordan in die Hände gefallen ist. Der Künstler ist 1972 in Erlangen geboren. Dort lebt und arbeitet er als Zeichner und Druckgrafiker. Es sei denn, dass er in Amerika unterrichtet, in Thailand einem Stipendium nachgeht oder in Graz mit der Gruppe Tonto kreativ ist. Mit diesem Künstler*innenkollektiv ist in einem jahrelangen, vielschichtig verwobenen Prozess u.a. „Warum wir müde sind“ entstanden. Das schöne Buch hat den Egersdörfer sehr begeistert. Zusätzlich hat er noch herausgefunden, dass man mit dem Künstler z.B. in einem Biergarten sehr gut und ohne Eile sitzen, trinken und gelegentlich sprechen kann. Der Mann aus Fürth hat dem Jordan ein paar Geschichten über die Exkursionen im nahen Umfeld zukommen lassen. Und so kam es dann, dass der Jordan auch einmal in das „Walderlebniszentrum“ nach Tennenlohe gefahren ist und dort zeichnete, was er sah.

Die beiden haben jetzt vereinbart, dass sie zukünftig zusammen hier in der Gegend öfter mal wohin fahren wollen. Vor Ort zeichnet dann der Jordan und der Egers macht sich Notizen, und im aktuellen curt kann die hochgeschätzte Leserin dann erfahren, was hierbei unter dem Titel Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan herausgekommen ist. Die Postleitzahl wird auch immer angegeben. Denn es kann ja sein, dass die Leserin auch die Orte finden möchte, an die es die beiden Herrn verschlagen hat.

ZU JAHRESBEGINN IM TENNENLOHER FORST

91058 Erlangen

Das ewige Rauschen der Kraftfahrzeuge unter dem hell übermahlten Himmelsblau. Trüb glotzen die Pfützen am Parkplatz. Der Winter ist von gestern auf heute geschmolzen. Am ersten Baum des duftenden Waldes hängt ein laminiertes Schild, das bittet, 1,50 Meter Abstand voneinander zu halten, um sich selbst und andere zu schützen. Mit gewinkelten Armen und ernst schnaufend flitzen Mann und Frau in funktionaler Kleidung und Laufschuhen durch das Bild des späten Nachmittags. Weitere Schilder beweisen, hier wurde der Wald neu erfunden. Links geht’s zum „Waldlabyrinth“. Gleich dahinter zweigt rechts der „Barfußpfad“ ab. Der „Naturerlebnispfad“ führt zu weiteren zwölf Stationen im „Walderlebniszentrum“. Aufgrund von Beschädigungen wird die Anlage zum Teil „videoüberwacht“ ist auf einem Schild groß und rot angeschlagen. Berucksackte Mütter mit verschränkten Armen stehen im Plausch umrundet von lachrennenden Kindern. Neben den letzten Schneeflecken funkelt das Moos zwischen braunem Laub und feuchter schwarzer Erde. Ein keuchender Mops zieht einen älteren Herrn den Weg entlang zu einem vergrabenen Geheimnis. An Zweigen knospelt es schon insgeheim. Unbeirrt pfeifen, tirilieren und singen die Vögel die neue Zeit herbei. Der rennende junge Mann mit den zwei kleinen, weißen Nudeln in den Ohren hört davon kein bisschen. Bemerkt auch nicht weiter hinten Familie Reh, die leise mit unregelmäßigen Sprüngen durchs Gehölz zu ihren Plätzen eilt, als habe die Vorstellung schon begonnen.




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HERSBRUCK. Bahnhof FÜRTH

Auf der blauen Himmelsleinwand über dem sandsteinernen Bahnhofsgebäude wurde ein Pinsel mit weißer Tünche immer wieder über die ganze Fläche abgestreift, um die Farbe aus den Borsten zu bekommen. Daneben im grauen Hochhausklotz glotzten die hundert schmalen Fensteraugen in müder Verschlagenheit. Auf den Bahnsteigen hingen blau gerahmte Displays in der Luft und zeigten den Reisenden die nächsten und übernächsten Anschlüsse hin zu anderen Bahnsteigen. Ein Mädchen mit weißen Steinchen im Ohr bewegte die kreidebleichen Turnschuhe mit ihren munter wiegenden Füßen und sprach und lachte mit einer Person an einem anderen Ort. Sanft griff sie in eine lange Strähne und zwirbelte das blonde Haar. Der Mann daneben löste seine Maske vom Ohr und trank vorsichtig aus der Mineralwasserflasche. Ein anderer hielt sich fast klammernd am Riemen der Tasche.

Eine Bahn fuhr heran. Seine Beine liefen zu den sich öffnenden Türen. Er verschwand. Die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr davon. Eine Frau mit gradem schwarzen Scheitel ließ eine Tasche unter dem Hintern nach vorne und hinten baumeln. Sie trug noch einen Beutel über der Brust und einen Rucksack am Rücken, als wolle sie sich von allen Seiten beschweren, um der Gefahr zu entgehen davonzufliegen wie der fliegende Robert. Dann pfiff hinten eine braune Lok, die sogleich geschäftig vorbeirollte, als habe sie im Lotto gewonnen. Dem geduldigen Postgebäude zur linken war ein Lederdach aufgesetzt worden. Wie braune Kappen auf den Köpfen von Knechten die im Viereck, Schulter an Schulter stumpf mit gestrecktem Rücken nebeneinender harren, stand es da und wartete auf Befehle. Direkt davor hatte man schwarze und gelbe Tonnen in einen engmaschigen Zwinger gesperrt. Die Quer- und Längsverstrebungen eines grünen Metallmasten überkreuzten sich im Blick darauf. Mit einer daran befestigten grauen Stangenkonstruktion wurde die elektrische Oberleitung recht aufwendig in die Luft gehalten. Weiße parallele Streifen flankierten im Sonnenlicht die Bahnsteigkante. Der Kabarettist stieg in die nächste Bahn nach Hersbruck ein und setzte sich zum Grafiker, der schon  im Waggon saß.
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MAGAZIN  23.02.2024
AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer

Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen.
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BERLIN. #3 Fortsetzung der Kolumne aus Ausgabe August/September. Teil zwei HIER

Es kann sein, dass sich in meiner Erinnerung diverse Aufenthalte in dieser Stadt vermischen, aber ich bin mir sicher, dass es immer Berlin war. In den 1980er Jahren hatten uns die The-Who-Filme »Tommy« und »Quadrophenia« ganz krass mit der Rockmusik der späten 1960er infiziert. Als 1979 Pink Floyd »The Wall« herausbrachten, mussten wir nicht lange überlegen, ob uns das gefiel. Obwohl wir uns für Dorfpunks hielten, ließ sich die Pink-Floyd-Mucke hervorragend zum Rauch aus gewissen Spaßzigaretten in die Gehörgänge dübeln. Aus heutiger Sicht natürlich kompletter Mainstream und Totalkommerz, aber tscha! War geil.  >>
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