Ein CURT für alle Fälle – Unterzwergs mit den CURT Bustern!

DIENSTAG, 6. MAI 2025

#Theo Fuchs, #Theo hinten raus, #Theobald O.J. Fuchs

Es lässt sich beim besten Willen nicht leugnen: als Kolumnist beim CURT ist man für alle Angelegenheiten des Lebens in dieser Stadt zuständig und letztendlich halt auch immer kompetent. Dazu zählt natürlich auch das vielfältige Feld der Spukerscheinungsbekämpfung und Geisteraustreibungen. Was soll man da auch groß machen? Ich meine: gegen diese Dauer-Total-Kompetenz. 
An jenem Tag, von dem ich hier in aller Knäppe berichten will, war mir schon beim Aufstehen klar, dass eine schwierige Angelegenheit bevor-stand. Ich hatte nämlich von einem Nashorn geträumt, das um eine winzige Hütte herumtrottete, in die ich offenbar geflüchtet war. Ich be-obachtete das Tier durch die rot gestrichenen Fenster an jeder der vier Seiten, mit nichts ausgerüstet als einem altertümlichen Kehrbesen. Ein Holzklotz mit roten Borsten, daran der Stiel aus echter Esche. Aber vielleicht muss man dazu wissen, dass dies die Standardausrüstung eines fränkischen Geisterjägers ist, so wie ich es im »Ghost Busting«-Kurs für Fortgeschrittene an der Volkshochschule gelernt habe. 

Jedenfalls wunderte ich mich null, als der Anruf aus der Redaktion kam – genau. Wie in einer mittelmäßigen Jugendliteratur packte ich meine Aus-
rüstung und ritt los auf meinem roten Winter-Fahrrad. Der kleine CURT-Hund rannte mir mit heraushängender Zunge und fröhlich im Frühlings-wind flatternden Ohren hinterher … nein, nur Spaß. So klischeehaft stellt sich vielleicht ChatGPT solch einen Einsatz vor, aber nix da. Die Realität findet auf einem schlaglöchrigen Radweg zwischen Kack- und Sperrmüll-haufen statt, da haben kleine süße Tiere nichts verloren. Man wird im Folgenden ja auch sehen, wie gefährlich ein Kolumnisten-Leben sein kann. 

Der Vogelherd: den meisten Nürnberger*innen nicht wirklich ein Begriff, außer denen freilich, die dort selber wohnen [1]. Schöne Siedlung, ge-pflegte Hochhäuser, angenehme Wandfarben – alles wäre prima, gäbe es nicht diese dunkle Vergangenheit, die sich bis heute im Namen wiederfindet: Vogel-Herd. Diese Vergangenheit liegt so weit zurück und ist so dunkel, dass ohne Sondergenehmigung nicht einmal der Bürgermeister darüber reden darf. Ich sage daher nur: man muss eins, zwei, drei und so weiter bis sieben zusammenzählen. Und am Vogelherd ging es in letzter Zeit, so hatte man es dem CURT gemeldet, nicht mehr mit rechten Dingen zu. 
Dieses Viertel galt übrigens früher als das wohlriechendste Viertel Nürnbergs. Denn direkt nebenan buken der alte Schöller und seine Wichtel den ganzen Sommer über die Lebkuchen, mit denen ab Dezember die Christkindlesmärkte in Nah und Ferne geflutet wurden. Daher war spätestens ab Juni die Luft am Vogelherd mit dem Duft nach Schokolade, Zimt, Honig und Bittermandel geschwängert – sagt man das so? Wird schon passen … bis dann dieser brutalkapitalistische Megakonzern, dessen Name mit N beginnt und einem accent aigu endet, daherkam, den Nürnberger Traditionsbetrieb aufkaufte, malträtierte, dicht machte und aus dem Gedächtnis tilgte. So wie wir das als erfolgsorientierte Gesellschaft ja wünschen und stets gewollt haben. Egal. 

Auch ohne Olfaktorik stellten sich die nächsten Fortschritte fix ein: Ich mit dem Aufzug in den fünften Stock. Die Sicherheitshinweise gelesen, ehe ich den Knopf drücke. 800 Personen, maximal sechs Kilogramm – Hals- und Hopfenbruch! Die gemeldete Adresse sofort gefunden, klingel-klingel, eine ältere Dame öffnet die Tür, angetan mit einem Federkopfschmuck, wie er den indigenen Völkern Amerikas nachgesagt wird (vgl. Populärkultur, Postkolonialismus, Ethnologie u.v.a. [2]). 
Sie stellt sich mir vor als Häuptlinge Flauschiger Pelz. Sie lebe hier seit 40 Jahren zusammen mit ihren drei Katzen »Peterle, der Fünfte«, »Muschi IV.«, und »Gonzo Mäuserich«. Und ich dürfe ruhig Inge zu ihr sagen, das stünde schließlich auch am Briefkasten und in ihrem Ausweis. 
Sie habe, erklärt sie, beim CURT angerufen, weil sie seit einigen Tagen schon seltsame Beobachtungen in ihrer Wohnung mache. »In meiner eigenen Wohnung«, wie sie betont. Morgens etwa stünde die Klotür offen, obwohl sie am Abend zuvor sorgfältig darauf achte, diese zu schließen. »Alleine schon wegen des Tschieß, dass es nicht rausfließt, Fäng-Schui-mäßig, ne?« Das muss sie CURT nicht zweimal erklären [3], also weiter mit der Anamnese. 
In der Küche seien die Stühle verrückt, Eierschalen und leere Likörflaschen lägen herum. Spuren im Flur scheinen von nackten Klauen zu stammen, weshalb die erste Vermutung in Richtung eines Krokodils gehe, das aus der Kanalisation durch das Abwasserfallrohr in den fünften Stock geklettert sei, um sich heimtückisch umzusehen. 
Klingt logisch, doch ich habe das Gefühl, dass irgendetwas an dieser Erklärung nicht stimmen kann. Krokodile sind ja nicht dumm: sie wissen, dass man nachts nichts von der noch so guten Aussicht hat, selbst im fünften Stock. Nein, die geheimnisvollen Besucher müssen einer anderen Lebensform angehören. 

Eine KI-gestützte Analyse der Fußstapfen, eine Geruchsprobe an den Schnapsgläsern, selbst eine fuzzy-logische Verknüpfung im Hyperraum nebst Support-Vektor-Berechnung bringen mich keinen Schritt weiter. Doch ein Geist? Bekanntlich gibt es keine Geister. Keine Ahnung, wie man nur je auf diese abstruse Idee hat kommen können. Aber! Was, wenn dies hier die Ausnahme war, welche die Regel bestätigt? 
Passend dazu, auch um etwas Schwung in die Story zu bringen, beginnt in diesem Moment die Schlafzimmertür am Ende des Flurs sich zu bewegen: Häuptlinge Inge erstarrte, die Türe knarrte, ich harrte der Dinge, die da geschlichen kamen. 
Ein Schatten kam hervorgeschlichen. Also das heißt, das Licht, das aus der offenen Tür fiel, zeichnete den Schatten von »Etwas« oder »Jemandem« an die gegenüberliegende Wand. Mein Herz raste, Inge entließ einen Angstschrei und klammert sich fest an meinen Arm. Der Schatten bewegte sich hin und her und wuchs, während »Es« oder »Er« sich in Richtung des Flurs, in UNSERE Richtung bewegte. Mein Gehirn drohte zu überhitzen, ich erlitt eine heftige Pareidolie [4], indem ich mittels neuronalem Übersprungskurzschluss in die Kontur einen Pandabären hineininterpretierte – das konnte doch wirklich nicht wahr sein!, dachte ich. »Das kann doch nicht wahr sein!« sagte ich laut. 
Der Schatten wurde größer und größer, Inge war kurz davor, mir das os humeri durchzubrechen, und ich konnte beim besten Willen nicht mehr länger die Luft anhalten! Da löste der Osterhase das Rätsel auf und zeigte sich im bunten Licht der duftenden Frühlingsblumenblüten. 
Du meine Güte! Wie hatten wir nur so dumm sein können! Häuptlinge Inge und ich klatschten ab, ließen die Sektkorken knallen – Ostern war‘s und der Hase im Hause. Wieder einmal hat CURT einen zunächst absolut unknackbar scheinenden Fall bravourös gelöst – womit die heutige Episode auch schon wieder endet. Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: »Für eine Hand voll CURT«!

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Und was lässt uns Theo ausrichten?
„Nur für die Buchhaltung: dass dürfte die 91. Ausgabe vom CURT mit Text vom Fuchs werden. Spätestens nächstes Jahr ist dann die 100 fällig. Ich gebe 100 Liter Bier aus!
Aber der Reihe nach! Die Arbeiten an der Weltuntergangsmaschine machen gute Fortschritte, von daher. Gibt bald eine öffentliche Vorführung. Je nachdem, vielleicht keimen die Kartoffeln noch vorher, dann ist natürlich Schichti-Schachti. Spätestens im Juni dann das Kohlprojekt revisited. Ist aber noch geheim, wie so vieles.“

Davor und danach genießt er das curt-Dasein.
Alles Weitere findet man auf www.theobald-fuchs.de




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