CURT im Zukunftsmuseum #2: Entspannt auf dem Mars herumrovern

FREITAG, 1. OKTOBER 2021, ZUKUNFTSMUSEUM

##Deutsches Museum Nürnberg, ##Museum, ##Nürnberg, ##Theo Fuchs, ##Zukunftsmuseum

»Am liebsten würde ich dich auf den Mond schießen«, sagte meine Mutter oft zu mir. Ich weiß nicht wie oft, denn sie sagte es bereits, als ich noch nicht zählen konnte. Wahrscheinlich schon während ich im Kinderwagen strampelte und sie im Fernsehen die Mondlandung der Amerikaner verfolgte, auf grieseligen Schwarzweißbildern, die mit etlichen Sekunden Zeitverzögerung die Antenne unseres Hauses in einem kleinen Dorf in den fränkischen Outbacks erreichten. Insgesamt zwölf amerikanische weiße Männer hopsten zwischen Juli 1969 und Dezember 1972 seltsam unbeholfen auf der grauen, staubigen Mondoberfläche herum, die meisten von ihnen hochdekorierte Kampfjetpiloten. Ob schon ihre Mütter sie dorthin schießen wollten, wo sie nun waren, ist unwahrscheinlich. Die Technik dürfte zur Zeit ihrer Geburt bei weitem nicht reif genug gewesen sein. Damals schickte man Kinder noch dorthin, wo der Pfeffer wächst. Und ob sie die gesamte Menschheit repräsentierten, könnte man wohl aus heutiger Sicht anzweifeln – damals erschienen Dinge völlig logisch, wo man sich heute an die Stirn fassen würde. 

Wenige Jahre später versuchte ich, aus unserer Waschmaschine eine Mondlandefähre zu bauen. Die Versuche scheiterten, da die Gravitation im Badezimmer einfach zu hoch war – und weil mich jedes Mal ein Monteur mit Gewalt aus der Trommel holte, ehe ich die erste Stufe zünden konnte. 
Und heute sagt vielleicht Elon Musk zu seinem Sohn: »Am liebsten würde ich dich auf den Mars schießen« und meint damit: »Das wäre doch super, oder? Unsere ganze Familie, Mum, Dad und du, fliegen nächstes Wochenende zum Mars.« 

»Ecks Äsch Äi-Twellf« heißt Elon Musks Sohn, geschrieben: X Æ A-XII. Darüber wird man in 50 Jahren nochmal reden müssen, ist freilich noch ein Weilchen hin. Viel früher, zum Beispiel jetzt, kann man dagegen schon mal die folgende, sehr simple, jedoch komplett logische Überlegung anstellen: Angenommen, wir müssen in einer näheren oder ferneren Zukunft die Erde verlassen, weil wir diesen Planeten abgewirtschaftet hätten: Wo sollten wir am dümmsten hin? 
Auf dem Mond waren »wir« schon, dort ist die Schwerkraft schwach, Farben gibt es nicht, dort fühlen sich nur männliche amerikanische Kampfpiloten wohl. Nicht gut. Die nächste Galaxie ist weit weg. Wirklich weit. Sehr, sehr, sehr, sehr, sehr weit. Auf den Gasriesen Jupiter, Saturn und Uranus zu siedeln dürfte sich schwierig gestalten, da es keinen festen Boden gibt. Neptun ist an uns nicht wirklich viel näher dran als das Ende des Kosmos‘, auf dem Merkur ist Klimakatastrophe in Reinstform und auch das Wetter auf der Venus gilt bei permanentem Superhochdruck als leicht überhitzt (400 Grad und mehr*). Recht viele Möglichkeiten bleiben da nicht. Warum also nicht tatsächlich zum Mars? 

Es macht daher wohl tatsächlich Sinn, schon mal ein paar Roboter loszuschicken und die Lage zu checken. Einer dieser Roboter muss sich verflogen haben, er ist im Zukunftsmuseum in Nürnberg gelandet. Der Mars-Rover ist für sich alleine schon ein Grund, dort vorbeizuschauen. Ein Besuch reicht ja bei Weitem nicht, um sich mit allen Exponaten eingehend zu beschäftigen. Das ist wie im anderen Deutschen Museum, dem in München, wo man eigentlich gleich wieder vorne loslegen möchte, wenn man nach wenigen Jahren alle Ausstellungsstücke einmal komplett bewundert hat. 
Der Witz ist, dass der Mars-Rover, der in Nürnberg gestrandet ist, noch in Betrieb ist. Wahrscheinlich haben die Dinger keinen Aus-Knopf, zur Sicherheit, damit die Marsmenschen – wenn es wider Erwarten doch welche gibt – die Liveübertragung nicht einfach ausknipsen können. Man kann sich also an die Funkfernbedienungskonsole hinstellen und das Gerät steuern. Das Steuerpult ist nicht ganz so kompliziert wie die Fernbedienung für den Fernseher zu Hause und die Zeitverzögerung ist kürzer, als wenn der Rover sein Ziel auf dem Mars erreicht hätte. Dorthin würden die Befehle eineinhalb Minuten durch den Weltraum reisen, ehe das Wägelchen reagiert, im Museum sind es nur zwanzig Sekunden. 
Das scheint nur ein kurzer Delay zu sein. Klicken, zwanzig Sekunden warten, schauen, überlegen, nächster Klick, wieder zwanzig Sekunden warten, schauen, überlegen, und so weiter. Aber wenn man es dann selber ausprobiert, merkt man, wie schwierig es ist, in diesem Modus irgendetwas zu machen. Schuhe zubinden oder eine einfache Gehirnoperation – alles wird zum Kunststück. 
Wie üblich tummeln sich ein paar größere Kinder am Mars-Diorama, weshalb ich eine Runde zur »Foton«-Raumkapsel schlendere, die gleich nebenan ihr kugeliges Dasein feiert. Ein Knistern in den Lautsprechern über unseren Köpfen erregt plötzlich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Es knistert und rauscht, als wäre die Durchsage, die nach ungefähr einer Minute beginnt, schon lange unterwegs gewesen, sehr lange, und hätte eine gewaltige Strecke durchs All zurückgelegt. 

Alle warten gespannt darauf, was man uns mitteilen möchte, und als die Durchsage unerwartet schnell wieder vorbei ist, bleiben wir noch eine Weile mit erwartungsvoll geöffnetem Mund und Kopf im Nacken stehen, als könnte man durchs Dach hinaus ins Universum blicken. Bis auf zwei Kinder, die gerade damit beschäftigt gewesen waren, den Mars-Rover durch das Diorama zu steuern. Sie haben blitzschnell einen Mitarbeiter des Museums ganz in der Nähe erspäht und sprechen nun aufgeregt mit ihm. 
»Achtung! Achtung! Hier spricht die NASA«, hatte die blecherne Stimme verkündet. »Nürnberg, wir haben ein Problem! Unser Rover-Experte ist plötzlich krank geworden. Kniet seit Stunden über der Kloschüssel. Hat wohl etwas Schlechtes gegessen, was er im untersten Fach seines Kühlschranks gefunden hat. Wir sind schließlich nicht seine Mutter, aber so oft wie wir ihn davor gewarnt haben ... egal. Jetzt müsste jemand ganz dringend die Steuerung übernehmen, denn die Karre auf dem Mars bewegt sich mit einem Affenzahn auf einen Abgrund zu. Okay – drei Stunden-kilometer hören sich jetzt nicht so wahnsinnig flott an, aber bis wir es dem Azubi beigebracht haben, ist es zu spät. Ist jemand zufällig hier, der einen Mars-Rovern fahren kann? Wir legen die Steuerung dann per Satellit zu euch ins Deutsche Museum ...« 

Und so kam es, dass der kleine Emil und seine Freundin Nele aus Gostenhof (beide 6 Jahre alt) die amerikanische Raumsonde Perseverance (2,5 Milliarden US-Dollar) vor der sicheren Zerstörung bewahrten. 
Nele kümmerte sich um die drei Räder auf der linken Seite, Emil steuerte rechts. Abwechselnd ließen sie sämtliche Kameras kreisen und schossen dabei siebzehn Selfies. Nachdem sich der Rover von der Erdspalte, die beinahe sein rotes Grab geworden wäre, wieder entfernte, malten die beiden Kinder noch das Gesicht eines Hoppelhasen in den Sand. Das kann man bis heute mit einem guten Fernrohr und bei klarer Nacht von der Erde aus sehen. 
Zur Belohnung bekamen Nele und Emil eine lebenslang gültige Eintrittskarte für das Deutsche Museum in Nürnberg und München, für die Eltern gab‘s sogar ein CURT-Abo. Nein – das mit dem Abo stimmt nicht, schlechter Witz, sorry. 

P.S. Und denen, die sich für Raketenstarts auf aller Welt interessieren, sei die Seite des Everyday Astronaut‘s empfohlen: 
https://everydayastronaut.com/upcoming-launches 
– top aktuell und tadellos interessant! 

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Deutsches Museum Nürnberg – Zukunftsmuseum

Augustinerhof, 90403 Nbg

Öffnungszeiten: Di-So 10–18 Uhr. Montags geschlossen.




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