Uschi Unsinn: Die Aidshilfe - gibt's die noch?

MONTAG, 28. JUNI 2021, NüRNBERG

#Aids, #Aidshilfe, #Aufklärung, #HIV, #Kolumne, #Queer, #Spenden, #Uschi Unsinn

Kurz, mit einem Satz beantwortet: Ja, die Aidshilfe Nürnberg Erlangen Fürth e. V. gibt es noch!

Gegründet im Jahr 1985, hat sich auch die Arbeit der Aidshilfe (AH) gravierend verändert. Waren am Anfang oft die ehrenamtliche Übernahme von Haushaltstätigkeiten, einkaufen und Sterbebegleitung das Hauptaugenmerk, so sind die Aufgaben heute auch durch die Anforderungen der Gesellschaft vielfältiger geworden. Den einen oder anderen mag es verwundern, jetzt im Sommer – statt am Welt-AIDS-Tag 1. Dezember – von der Arbeit der Aidshilfe zu lesen. Aber genau das ist ja die Aufgabe meiner „queeren Kolumne“: Queere Themen aufzubereiten, an denen zu den unterschiedlichen Ausgaben noch keiner damit rechnet. So findet im Juli auch immer “Hair for Care“ statt (außer während der Corona-Ausnahmesituation): Haareschneiden zugunsten der AH am Uhrenhäuschen vor der Lorenzkirche.

Heute steht die Arbeit der Aidshilfe auf verschiedenen Säulen. Da ist z.B. die Öffentlichkeitsarbeit: Mehrmals im Jahr erscheint das Magazin „Denkraum“ der Aidshilfe. Selbstverständlich geht es bei der Öffentlichkeitsarbeit auch darum, Spendengelder zu generieren, denn die Arbeit der AH wird nicht ausreichend öffentlich gefördert. Das Beratungszentrum berät telefonisch, online oder auch persönlich zu allen Fragen rund um die Themen HIV, Aids und sonstige sexuell übertragbare Krankheiten. Der Checkpoint öffnet seine Pforten Montag Abend von 18 bis 20 Uhr und bietet für Männer, die Sex mit Männern haben, HIV Tests und Tests zu anderen sexuell übertragbaren Krankheiten an.
Eine weitere Säule, das betreute Einzelwohnen, kümmert sich um Menschen, die Schwierigkeiten haben, in den eigenen vier Wänden ihren Alltag zu schultern. Und vielleicht kennt der ein oder andere das Restaurant Estragon schon, oder war sogar schon für einen kurzweiligen Abend mit Speis und Trank dort. Das Estragon ist das Beschäftigungsprojekt der AH.

Warum ist die Arbeit der Aidshilfe aber heute, nach immerhin 36 Jahren, immer noch so wichtig?
Ja, es stimmt, es sterben immer weniger Menschen an Aids, aber es gibt nach wie vor Aidstote in Deutschland – im Jahr 2018 waren es 440. Über 10.00 Menschen wissen nichts von Ihrer HIV-Infektion. Das sind für mich erschreckende Zahlen, denn ich weiß noch, wie oft wir uns am Friedhof getroffen haben, um Menschen zu verabschieden, die an Aids verstorben sind. Ich habe Ende der 80er-Jahre im letzten Jahrtausend selbst noch die Polizeirazzien in schwulen Saunaclubs und schwulen Lokalen erlebt, die angeblich zur Aidsbekämpfung dienten.
Peter Gauweiler, ein Intimus von Franz Josef Strauß, forderte sogar, HIV-positiv Getestete wegzusperren, um die heteronormative Mehrheitsgesellschaft vor diesen Subjekten zu schützen. Das noch heute geltende defacto Blutspendeverbot von schwulen, bisexuellen Männern und auch Transpersonen (nach zwölfmonatiger sexueller Enthaltsamkeit dürfen auch die oben genannten Personen Blut spenden) kommt ebenfalls aus den 80er-Jahren, als mit HI Viren kontaminierte Blutkonserven aufgetaucht sind. Anstatt nach sexuellem Risikoverhalten aller blutspendenden Personen zu fragen, schließt man lieber pauschal Personengruppen aus.

Der bereits oben erwähnte Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember ist natürlich auch bei der Aidshilfe in Nürnberg der wichtigste Tag. Früher waren an diesem Tag HIV und Aids das bestimmende Thema in allen Medien – heute ist es nur noch eine Randerscheinung. Während 1991 Aids-Aktivist*innen den Dom in Fulda besetzt hatten, klappert heute ab und an noch mal eine Spendendose zugunsten der Aidshilfe.
Aus den verschiedenen bereits erwähnten Gründen ist die Arbeit der Aidshilfe so wichtig, noch immer erleiden HIV-positive Menschen Stigmatisierung und Ausgrenzung am Arbeitsplatz, in Arztpraxen, oft bei Zahnärzten, oder auch in Kliniken.
Der richtige Umgang kann nur durch professionelle Aufklärung erlernt werden. Durch die Corona-Pandemie sind im letzten Jahr drei wichtige Spendenevents weggebrochen, im Juli „Hair for Care“, die Aktionen rund um den Welt-AIDS-Tag, sowie das Galadinner im Grand Hotel. Und auch in diesem Jahr wird „Hair for Care“ Corona-bedingt wieder ausfallen. Doch gerade bedingt durch Corona übernimmt die Aidshilfe die Aufgaben des Gesundheitsamtes Nürnberg im Bereich HIV-Testungen.

Darum: Wer ein paar Euro erübrigen kann, darf diese gerne auf das Spendenkonto der Aidshilfe Nürnberg Erlangen Fürth e.V. überweisen. Das Spendenkonto und weitere Informationen findet ihr unter www.aidshilfe-nuernberg.de.
Übrigens gibt es zum Welt-AIDS-Tag WAT jährlich wechselnde WAT-Teddybärchen käuflich zu erwerben.

Ich freue mich auf euch,
euere Uschi Unsinn

Fakten zum Thema HIV und AIDS

* Mit Safer Sex kann man sich vor HIV schützen.
* Im Alltag ist HIV nicht übertragbar. Am häufigsten wird HIV beim Sex und beim Drogenkonsum ohne Schutzmaßnahmen übertragen. Bei einer HIV-Therapie unterdrücken Medikamente das Virus im Körper. HIV ist dann beim Sex nicht übertragbar. Auch Übertragungen von der Mutter auf ihr Kind werden so verhindert.
* Kurz nach einer HIV-Infektion treten meist grippeartige Symptome auf. Danach bleibt die Infektion oft lange symptomlos, obwohl HIV den Körper unbehandelt weiter schädigt.
*Mit einem HIV-Test kann man herausfinden, ob man HIV-positiv ist.
*HIV ist gut behandelbar: Menschen mit HIV nehmen in der Regel ein bis zwei Tabletten pro Tag und gehen alle drei Monate zu einer Kontrolluntersuchung. So können sie gut und lange leben.
* Im Bereich HIV wird viel geforscht. Eine Heilung ist zwar noch nicht möglich, aber die Behandlungsmöglichkeiten werden immer besser.

__

Uschi Unsinn
ist Ehrenmitglied des Fördervereins des CSD Nürnberg.
2020 zog Uschi für die Grünen in den Nürnberger Stadtrat ein
– jetzt schreibt sie für curt.

 




Twitter Facebook Google

#Aids, #Aidshilfe, #Aufklärung, #HIV, #Kolumne, #Queer, #Spenden, #Uschi Unsinn

Vielleicht auch interessant...

BERLIN. #3 Fortsetzung der Kolumne aus Ausgabe August/September. Teil zwei HIER

Es kann sein, dass sich in meiner Erinnerung diverse Aufenthalte in dieser Stadt vermischen, aber ich bin mir sicher, dass es immer Berlin war. In den 1980er Jahren hatten uns die The-Who-Filme »Tommy« und »Quadrophenia« ganz krass mit der Rockmusik der späten 1960er infiziert. Als 1979 Pink Floyd »The Wall« herausbrachten, mussten wir nicht lange überlegen, ob uns das gefiel. Obwohl wir uns für Dorfpunks hielten, ließ sich die Pink-Floyd-Mucke hervorragend zum Rauch aus gewissen Spaßzigaretten in die Gehörgänge dübeln. Aus heutiger Sicht natürlich kompletter Mainstream und Totalkommerz, aber tscha! War geil.  >>
NEUES MUSEUM. Marian Wild im Gespräch mit Holger Rieß. Fotos: Instagramer*innen der @igers_nürnberg
Die Gegenwart wirft alte Gewissheiten zunehmend über Bord. Da scheint der „kontroverse Tabubruch“, nämlich Kunst und Design im direkten Gegenüber zu zeigen, im Rückblick tatsächlich recht niedlich. Seit 2020 präsentiert das Neue Museum in seinem Erdgeschoss mit der „Mixed Zone“ eine direkte Mischung aus Kunst und Design, die im Frühjahr 2022 mit der aktuellen Ausstellung „Double Up!“ in die bildgewaltige, zweite Runde ging.  >>
“curt tut gut gut” - ein Slogan, wie er in keinem grammatikalisch korrekten Buche stehen sollte, wenngleich er hundertprozentig korrekt ist. Denn wir kooperieren mit den coolsten und wertvollsten Locations der Stadt. Eben dort, wo es gut ist und immer irgendwo ein curt rumliegt. Als Heft, aber auch in Form hemmungslos abfeiernder curt-Mitarbeiter:innen. Unser Eventkalender blüht seit ein paar Wochen wieder in seiner vollen Pracht und zeigt euch verlässlich, wo es lang geht! Und wir schmeissen dank dieser fruchtbaren Zusammenarbeit auf @curt_magazin_nfe mit Gästelistenplätzen nur so um uns! Doch unter den Bühnenbrettern mancher Kulturorte schlummert auch abseits der Veranstaltungen noch viel mehr Wissenswertes, was wir nun für euch bedingungslos ans Tageslicht zerren werden. Aus Gründen der Anerkennung für die dort stattfindende, kulturelle Arbeit. Und aus Liebe. Hier sind unsere aktuellen VENUES OF LOVE – samt behutsam recherchierter curt-Tipps. Für euch, für uns, für alle. CURT YOUR LOCALS!  >>
HERSBRUCK. Bahnhof FÜRTH

Auf der blauen Himmelsleinwand über dem sandsteinernen Bahnhofsgebäude wurde ein Pinsel mit weißer Tünche immer wieder über die ganze Fläche abgestreift, um die Farbe aus den Borsten zu bekommen. Daneben im grauen Hochhausklotz glotzten die hundert schmalen Fensteraugen in müder Verschlagenheit. Auf den Bahnsteigen hingen blau gerahmte Displays in der Luft und zeigten den Reisenden die nächsten und übernächsten Anschlüsse hin zu anderen Bahnsteigen. Ein Mädchen mit weißen Steinchen im Ohr bewegte die kreidebleichen Turnschuhe mit ihren munter wiegenden Füßen und sprach und lachte mit einer Person an einem anderen Ort. Sanft griff sie in eine lange Strähne und zwirbelte das blonde Haar. Der Mann daneben löste seine Maske vom Ohr und trank vorsichtig aus der Mineralwasserflasche. Ein anderer hielt sich fast klammernd am Riemen der Tasche.

Eine Bahn fuhr heran. Seine Beine liefen zu den sich öffnenden Türen. Er verschwand. Die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr davon. Eine Frau mit gradem schwarzen Scheitel ließ eine Tasche unter dem Hintern nach vorne und hinten baumeln. Sie trug noch einen Beutel über der Brust und einen Rucksack am Rücken, als wolle sie sich von allen Seiten beschweren, um der Gefahr zu entgehen davonzufliegen wie der fliegende Robert. Dann pfiff hinten eine braune Lok, die sogleich geschäftig vorbeirollte, als habe sie im Lotto gewonnen. Dem geduldigen Postgebäude zur linken war ein Lederdach aufgesetzt worden. Wie braune Kappen auf den Köpfen von Knechten die im Viereck, Schulter an Schulter stumpf mit gestrecktem Rücken nebeneinender harren, stand es da und wartete auf Befehle. Direkt davor hatte man schwarze und gelbe Tonnen in einen engmaschigen Zwinger gesperrt. Die Quer- und Längsverstrebungen eines grünen Metallmasten überkreuzten sich im Blick darauf. Mit einer daran befestigten grauen Stangenkonstruktion wurde die elektrische Oberleitung recht aufwendig in die Luft gehalten. Weiße parallele Streifen flankierten im Sonnenlicht die Bahnsteigkante. Der Kabarettist stieg in die nächste Bahn nach Hersbruck ein und setzte sich zum Grafiker, der schon  im Waggon saß.
 >>
FüRTH. Der Frankenkonvoi ist uns nicht erst seit unserer Spendensammlung für die Ukrainehilfe der Fürther ans Herz gewachsen. Die NGO hat ständig diverse Krisengebiete und die Menschen dort im Blick und liefert verlässlich schnelle, unbürokratische und uneigennütze Hilfe (alle Infos in unserem ausführlichen Interview mit Peter Kunz). An diesem Wochenende könnt ihr die Köpfe hinterm Konvoi kennenlernen – und dabei gute, faire Sachen shoppen.  >>
20231201_Tafelhalle
20210201_Allianz_GR
20231201_Pfuetze
20210318_machtdigital
20231201_Nawareum
20231001_Mummpitz
20231201_Berg-IT
20231201_Retterspitz
20231201_Flic-Flac
20231201_Cavalluna
20231201_Panoptikum
20231201_Mummpitz
20231201_GoHoHoHo