Projekt 31: Es läuft auf einen Rechtsstreit hinaus

FREITAG, 20. NOVEMBER 2020, PROJEKT 31

#Gentrifizierung, #Interview, #Jugendzentrum, #Kulturzentrum, #Nürnberg, #Projekt 31

Das Projekt 31 ist als selbstverwaltetes Jugendzetrum ein Solitär in Nürnberg und wichtiger Treffpunkt für Menschen, die alternative Gesellschaftsmodelle denken, die nicht zuschauen wollen, wie die Gesellschaft nach rechts rückt und gerne mal ein undergroundiges Konzert sehen. Seit etwa einem Jahr befindet sich das Team auf Heimatsuche, denn das Gelände in Steinbühl steht zum Verkauf. Es handelt sich um ein Symptom eines Prozesses, der nicht nur das Jugendzentrum betrifft, sondern letztlich die ganze Stadt. Wir haben Ina vom P31 zum Stand der Dinge befragt. 

CURT: Seit wann seid ihr auf der Suche nach einem neuen Gelände?
 
INA (Projekt 31): Im Herbst 2019 haben wir erfahren, dass unser Haus auf einem Immobilienportal stand und dort zum Verkauf angeboten wurde. Wir waren total geschockt. Seitdem beschäftigen wir uns damit, wie es für uns weitergeht. Können wir unser Objekt hier selbst kaufen oder welche anderen kommen für uns in Frage?
 
Ist die Option selbst zu kaufen, heute noch im Gespräch?
 
Aus eigener Kraft können wir es nicht kaufen. Wir haben aber viel Kontakt zur Stadt und haben angeregt, dass sie es kaufen könnte. Erst seit kurzem ist klar, dass sie das nicht machen wird. Jetzt versuchen wir stattdessen von der Stadt eine Art Kredit und Förderungen zu bekommen, um das möglicherweise mit einer Mischfinanzierung zu stemmen, aber auch das ist sehr fraglich.
 
Wann müsst ihr nach aktuellen Stand denn raus?
 
Unser Mietvertrag läuft zum 31. Januar aus, wir gehen allerdings davon aus, dass es rechtlich so ist, dass wir länger bleiben können. In unserem Mietvertrag gibt es ein Optionsrecht, die eine einseitige Verlängerung möglich macht, wenn wir das rechtzeitig, schriftlich äußern. Das haben wir gemacht. Unserer Meinung und der Meinung unserer Anwälte nach müssten wir dadurch eine Bleibrecht für fünf weitere Jahre haben. Unsere Eigentümer sehen das nicht so, es läuft also auf einen Rechtsstreit hinaus.
 
Könnt ihr euch den leisten?
 
Wir können es uns nicht leisten, das nicht zu machen. Es wäre für viele Leute ein großes Desaster, wenn es dieses Projekt nicht mehr gibt.
 
Wer ist euer Eigentümer überhaupt?
 
Das ist eine Immobilienfirma aus Erfurt, die das Gelände im vergangenen Jahr gekauft hat. Die wollen es jetzt zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Das heißt, vor Kurzem war der Preis noch bei 970.000, mittlerweile soll es 1.080.000 Euro kosten. Das hat mit gewissen bürokratischen Angelegenheiten zu tun, die die Firma vor dem Verkauf noch regeln will. Wenn wir könnten, würden sie es schon auch an uns verkaufen. Sie wissen, was das für ein Projekt ist, aber letztendlich wollen sie einfach das Geld dafür haben. Es gibt momentan einen anderen Interessenten, der finanziell dazu in der Lage ist, diesen Preis zu stemmen. Der möchte auch Gewinn damit machen. Dieser Handshake steht quasi kurz bevor.
 
Habt ihr denn momentan irgendwelche geeigneten Alternativen im Blick?
 
Es gibt echt Leerstand in Nürnberg. Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren mit supervielen Objekten beschäftigt. Immer wieder melden sich Leute bei uns, die etwas gesehen haben. Wir haben mittlerweile eine Liste von über 70 Objekten, die wir ans Liegenschaftsamt weitergereicht haben: Das wären alles Möglichkeiten, wie schaut’s aus? Wir haben auch einige Gebäude bereits besichtigen können. Es stellt sich aber immer wieder heraus: Die sind bereits verkauft und sollen abgerissen werden oder der Eigentümer ist gar nicht auffindbar. Rein physisch gäbe es die Objekte, es ist aber aus verschiedenen Gründen einfach nicht umsetzbar.
 
Wie ist euer Kontakt zur Stadt?
 
Wir haben hauptsächlich Kontakt zum Jugendamt und zu einer Stadträtin, die uns sehr unterstützt. Vom Liegenschaftsamt bekommen wir auch immer wieder Antworten zu einzelnen Objekten.
Es ist irre, teilweise stehen in Straßenzügen gleich mehrere Gebäude nebeneinander in gutem Zustand leer. Das lässt Hoffnung aufkeimen. Wenn man sich dann in der Nachbarschaft umhört, merkt man: Die Leute, die da wohnen, haben auch Angst vor einem Abriss und neuen Wohnblocks. Denen ist klar, sie werden die Miete dort, wo sie wohnen, bald nicht mehr zahlen können. In St. Leonhard haben wir mit dem Chef einer Werkstatt gesprochen, der auch bald raus muss. Es geht gerade nicht nur uns so, sondern vielen Menschen, in privaten Haushalten und ihrem Gewerbe. Das ist ein soziales Desaster.
 
Wonach sucht ihr, was muss das Gelände des P31 mitbringen?
 
Wir bräuchten unbedingt eine Außenfläche, die ist für verschiedene Projekte ganz wichtig und jetzt wegen Corona natürlich erst recht. Außerdem einen Raum, in dem mehrere Menschen Platz haben, eine Art Kneipen- oder Gruppenraum, einen in dem auch mal lautere Musik gemacht werden kann und eine Küche. Das zu finden, ist so schwer, dass wir mittlerweile auch dankbar für Hinweise auf einen Lagerraum oder kleinen Laden sind. Das wäre dann wenigstens ein Notnagel für den Übergang.
 
Kannst du noch einmal erklären, warum der Erhalt des P31 für Nürnberg wichtig ist?
 
Als selbstverwaltetes Kulturzentrum ist es der einzige Ort dieser Art, den es in Nürnberg gibt. Es ist ein niedrigschwelliger Ort, der offen ist für alle, die kommen und irgendeine Idee umsetzen möchten. Dabei ist man frei von Konsumzwang, es ist egal, ob ich mir ein Getränk leisten kann oder nicht. Dadurch ist das P31 zu einem wichtigen Treffpunkt für so viele Leute geworden. Viele kommen, die sonst allein wohnen, die diesen Austausch brauchen und Leute treffen möchten, die gleichgesinnt sind. Im P31 sucht man nicht nur nach irgendeiner Kneipe, sondern nach alternativen Gesellschaftsmodellen und einem Ort, der frei ist von Diskriminierung und Gewalt, wo das Anders- und Unterschiedlichsein okay ist. Hier treffen sich Menschen, die gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft eintreten und die neue Perspektiven oder zum Beispiel mal eine abgefahrene Musikrichtung kennenlernen wollen, die man woanders nicht so oft hört. Und das P31 bietet jedem die Möglichkeit, selbst zu machen, zum Beispiel ein Konzert selbst zu mischen und sich um die Technik zu kümmern. Es war für mich selbst so eine tolle Erfahrung, das machen zu dürfen und zu lernen: Ich kriege das, zusammen mit meinen Freundinnen, hin.  

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Das Projekt 31 ruft zur Demo für den Erhalt von Freiräumen in der Nürnberger Kultur auf. 
12.12., 14 Uhr, Aufseßlatz

Geht gemeinsam mit uns am 12.12. auf die Straße, um zu zeigen, dass das Projekt 31 nicht verschwinden darf!
Denn kein Freiraum in Nürnberg oder sonst wo darf verschwinden! Im Gegenteil – wir brauchen noch viel mehr davon! Wir wollen nicht mehr um unsere Zukunft bangen! Wir wollen eine Perspektive – und diese wollen wir selbst gestalten! Don‘t go breaking my heart – Freiräume erhalten! 
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Projekt 31,
An den Rampen 31, Nürnberg
www.projekt31.org 


 




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