Staatstheater im April/Mai: Kein Stillstand an der Guillotine

25. APRIL 2025 - 16. MAI 2025, STAATSTHEATER

#Boris Nikitin, #Dantons Tod, #Die Ärztin, #Georg Büchner, #Premiere, #Staatstheater Nürnberg, #Theater

Bevor die nächste Premiere ansteht, gibt es noch einige Gelegenheiten, bei den laufenden Produktionen nachzuholen, was man noch nicht gesehen hat. Ganz neu z.B. Die Ärztin, höchst gesellschaftsrelevante Gegenwartsdramatik, oder Andersen Oder Was bleibt, der digitale Märchenabend, der im XRT wieder aufgenommen wird oder Juices, diese die ganze BRD-Geschichte aus migrantischer Perspektive aufarbeitende Sprachspirale. Oder, oder. Und dann aber zum Büchner.

Mit Dantons Tod warf das früh verstorbene Wunderkind der deutschen Literatur in seinem ersten Drama einen Blick auf die Kehrseite der französischen Revolution: Fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille hungert das Volk noch immer, Terror und Willkür regieren und die Guillotine steht nicht still. Zwischen den Revolutionären Georges Danton und Maximilien de Robespierre ist ein erbitterter Machtkampf um die richtige Staatsform ausgebrochen. Während Robespierre nach wie vor die Tugend hochhält, schaut Danton zunehmend desillusioniert und fatalistisch auf die unveränderlichen Machtdynamiken. Büchners Stück über Gefangennahme und Anklage des Danton demonstriert, wie in der Politik auch die ehrenwertesten Absichten pervertiert und ins Gegenteil verkehrt werden können. Büchner schrieb zwar über die zu seiner Zeit herrschende Jakobinerdiktatur in Frankreich, meinte aber auch die monarchischen Zustände in Deutschland. Inszeniert wird dieses Stück, das lange als unspielbar galt, vom Leiter des Theaters an der Parkaue, Berlin, Alexander Riemenschneider. Premiere am 25.04., an dem man danach gleich rüber- bzw. hochhüpfen kann in die Dritte Etage, wo ein interaktiver Avatar mit KI-Poetry gegen drei echt menschliche Slammer:innen aus der Region antritt. Wer ist wirklich besser, Mensch oder Maschine? Bei Verse.exe entscheidet das Publikum.

Die nächste Premiere folgt dann am 16.05., und das ist eine Arbeit des außergewöhnlichen Theatermachers Boris Nikitin, der mit den Mitteln des Dokumentartheaters immer wieder den Versuch unternimmt, die Gegebenheiten der Welt zu hinterfragen. Mixtape oder die unzerbreliche Gemeinschaft der freien Republiken ist direkt auch wieder so ein formaler Grenzübertritt: Die sieben Schauspielenden befinden sich nicht im Theatersaal, beim Publikum, sondern in der Stadt, sie werden live gefilmt, wie sie, ja, was eigentlich?, von sich und den Geschichten, die sie umgeben erzählen, während die Stadt zur Kulisse wird und die unbedarften, unbeteiligten Passant:innen zu Statist:innen werden. Auf ähnliche Weise hat Nikitin in Berlin und Basel, zusammen mit Sebastian Nübling unter dem Titel Dämonen, bereits mit seinen Ensembles zusammengearbeitet. Es wird spannend, zu sehen, welche Art von Stück in Nürnberg entstehen wird, wenn entfesseltes Theater in die Stadt kracht.
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Staatstheater Nürnberg   


 




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Kultur  14.06.-18.07.2025
THEATER ERLANGEN. Wir berichteten an dieser Stelle bereits von einer anstehenden Premiere über den Hund von Attila Hildmann. Wer zum hier veröffentlichten Termin in Erlangen war, wird sich gewundert haben: Ich, Akira ist verschoben worden. Neue Premiere: 14.06., jetzt aber wirklich toi, toi, toi! Im Juni kommt aber auch das phänomenale Live-Hörspiel nach Douglas Adams zurück in die Garage des schauspiel erlangen: Per Anhalter durch die Galaxis ist eine Arbeit des Live-Hörspiel-Experten Eike Hannemann. Das Interview, das wir im April 24 mit ihm anlässlich der Premiere geführt haben, findet ihr hier. Und auch die Produktionen Bewohner, ein Figurentheater nach Aufzeichungen des Psychiaters Christoph Held, und Ewig Sommer, eine Tanz-Theater-Uraufführung nach dem Roman von Franziska Gänssler, gibt es vor der Spielzeitpause noch ein paar Mal zu sehen. 
Am 05.07. feiert dann noch das Stück der Bürger:innenbühne seine Premiere und zwar nicht im Markgrafentheater, sondern unter freiem Himmel im Heinrich-Kirchner-Skulpturengarten. Mensch.sein ist das Ergebnis einer Spielzeit-begleitenden Forschung mit dem Ziel, herauszufinden, was den Mensch so im Allgemeinen und Speziellen ausmacht. Beim Spaziergang durch den Skulpturengarten bekommt das Publikum die Gelegenheit, die eigene Spezies einmal aus ganz anderer Perspektive zu betrachten – und weil wir als Menschen schließlich auch alle Experten im Menschsein sind, werden wir alle selbst etwas zum Erkenntnisgewinn beitragen. Festes Schuhwerk nicht vergessen, dieser Theaterabend ist ein Parcours!   
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www.schauspiel-erlangen.de   >>
GOSTNER HOFTHEATER. Noch bis zum 07.06. habt ihr die Gelegenheit, am Gostner Hoftheater die Die Zornigen zu sehen, ein Stück, das sich abermals einordnet in die hier sogenannte Spielzeit der Wagnisse, in der Nürnbergs ältestes Privattheater das mutige, grenzensprengende, experimentelle, gegenwartsgesättigte Theatermachen hochhält: eine Stückentwicklung, eine Uraufführung, ganz ohne Worte. Regisseurin Johanna Heusser orientiert sich mit ihrem Team an den sieben Todsünden, die den Rahmen bieten für Betrachtungen über die Ansprüche und Erwartungen an Frauen. Ein komischer Abend zwischen Tanz und Theater.
Das Ende der Gostner-Spielzeit markiert dann ein Jugendstück, in dem Fall ab 11 Jahren: Funken von Till Wiebel, ausgezeichnet mit dem Retzhofer Dramapreis in der Kategorie Junges Publikum: Malte hat keinen Bock auf Feriencamp. Aber das hier, das Sommercamp der Arthur McPush Cooperation, ist anders als erwartet. Hier treffen die klügsten Köpfe ihrer Generation ohne Aufsicht aufeinander. Nerds und Außenseiter:innen, Tüfler:innen, Hochbegabte, Atome spaltende, Mozart auswendig lernende Jugendliche. Nur Malte, der durchschnittlichste 13-Jährige aller Zeiten, fällt aus dem Rahmen. Zum Glück nehmen ihn drei Genies unter ihre Fittiche. Zu viert kommen sie den geheimen Machenschaften der Arthur McPush Cooperation auf die Schliche. Die Nerds und Unangepassten begehren auf gegen die Großkapitalisten! Inszeniert von Birga Ipsen. Premiere am 26. Juni.    

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Gostner Hoftheater   
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STADTTHEATER FüRTH. Das Stadttheater Fürth begibt sich in die Zukunft: Das Jahr 2040: Die Niederlande sind schon im Meer verschwunden. Unser Leben wird bestimmt von Maschinen und Algorithmen. Umweltkatastrophen sind an der Tagesordnung. Was würden Sie tun, hätten Sie die Möglichkeit, unter Garantie ein gesundes Kind zu bekommen? Was, wenn Künstliche Intelligenzen uns aus unserer Einsamkeit befreien könnten, indem sie uns den optimalen Partner vorspielen? Was, wenn unser Partner mit einem Roboter fremdgeht?
Das Stadttheater Fürth macht Theater auf Sachbuchbasis: Der Historiker Yuval Noah Harari hat in Homo Deus die Visionen einer Menschheit entworfen, die mittels Technik in göttliche Sphären vorstößt und eine ganz neue Stufe der Evolution erreicht, der Homo Digitalis. Yael Ronen und Dimitrij Schaad haben daraus einen Theaterabend gemacht, (R)evolution – Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert, der mit viel schwarzem Humor die Frage stellt, ob die digitale Revolution und ihre Technologien dem Menschen Freiheit schenken oder Freiheit rauben.
In zwölf Szenen bzw. Szenarien werden die Gefahren der auf uns zukommenden Digitaldiktaturen heraufbeschworen, die Dystopie scheint auf einmal unwahrscheinlich nah. Inszeniert von der österreichischen Regisseurin und Horvath-Preisträgerin Christina Gegenbauer, die die Vorlage nutzt, um auch der Frage nachzugehen, wie sich KI auf der Theaterbühne darstellen lässt. Der Musiker Nikolaj Efendi komponiert den Soundtrack jedenfalls in Zusammenarbeit mit der künstlichen Intelligenz. Premiere am 02.05.

Stadttheater Fürth    

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GOSTNER HOFTHEATER. Das Gostner in seiner Spielzeit der Wagnisse lässt auf die Thamm-Uraufführung eine Stückentwicklung folgen. Was heißt, aus Bochum wurde das Theater- & Performancekollektiv von Patricia Bechtold und Johannes Karl, äöü, eingeladen, das sich mit Produktionen an der Schnittstelle zwischen Theater, Performance und Installation einen Namen gemacht und bereits einige Preise eingeheimst hat. In Nürnberg setzten sich Bechtold und Karl und ihr Team (auf der Bühne neben den beiden: Matthias Eberle und Robin Braun) mit einer Flaneurin auseinander, die auf alles kackt, was uns lieb ist, einer Großstadtbewohnerin mit fragend geneigtem Köpfchen, der bislang selten zugehört wurde: Wenn die Tauben singen ist ein verspielter, musikalischer, schillernd bunter Abend, der wie ein Kessel 60s-Showkonfetti daher kommt und am Ende aber noch ein paar ernste Botschaften mit im Gepäck hat. Läuft bis 12.04. Und wird in diesem Gostner Hoftheater direkt von der nächsten Stückentwicklung abgelöst: Das neue Ensemble des Gostner, Johanna Steinhauser, und die vom Tanz her kommende Regisseurin Johanna Heusser untersuchen anhand der sieben biblischen Todsünden Faulheit, Neid, Hochmut, Völlerei, Gier, Lust und Zorn, wie das Bild der Frau von der Geschichte genährt wurde und was passieren würde, wenn die Frau aufhören würde, gefallen zu wollen, sich zu benehmen, sich anzustrengend. Die Zornigen – ein Stück mit viel Bewegung und ohne Worte, ab 15.05.  

Gostner Hoftheater   
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STAATSTHEATER. Das Staatstheater schüttelt sich immer noch ein bissl, um zurechtzukommen mit dem im nächsten Jahr anstehenden Abschied. Schauspiel-Chef Jan-Philipp Gloger verlässt Nürnberg nach sechs erfolgreichen Jahren und folgt dem Ruf ans Wiener Volkstheater, wer könnte es ihm verübeln. Und auch wenn das schade ist für das Staatstheater, tun Wechsel solchen Häusern ja grundsätzlich mal gut und es wird spannend sein, zu sehen, wer Gloger nachfolgt.  >>
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