CURT im Zukunftsmuseum #6: Die Evolution und die Prototypen

SAMSTAG, 1. OKTOBER 2022, ZUKUNFTSMUSEUM

#Ausstellung, #Prototypen, #Theo Fuchs, #Zukunft, #Zukunftsmuseum

Kaum haben wir in der Vergangenheit 252 curt Magazine herausgebracht, berichten wir direkt und exklusiv aus der Zukunft. Nein, aus dem Zukunftsmuseum – man muss schon korrekt bleiben. Extra dafür haben wir einen unserer schlaueren Mitarbeiter engagiert, den Theobald O.J. Fuchs, seines Zeichen Doktor der Physik und Röntgenforscher. Mit ihm in dieses Museum zu gehen, das ist schon sehr nerdig. Alles wird kommentiert, gewusst, besser gewusst. Und selbst kann man nur zuhören und sich wundern. Ähnlich ergeht es uns mit diesem - Theos – wissenschaftlich fundierten Fachartikeln. Aber lest selbst! 

Die Evolution hatte eine Schaffenskrise. Ihr fiel nix mehr ein, so leer wie ein ausgeblasenes Hühnerei fühlte ihr Hirn sich an. Daher beschloss sie, zu verreisen und eine Einladung anzunehmen, die sie vor etlichen Jahren vom CURT bekommen hatte. Zur Weihnachtsfeier im August – wie es die Tradition ist. 

Als sie in Nürnberg aus dem Zug gestiegen war, damals mit dem 9-Euro-Ticket, suchte sie als erstes nach einem Telefonhäuschen, aber sie konnte keines finden. Alle Leute trugen ihr eigenes Taschentelefon mit sich herum, nicht einmal die Nummern musste man sich noch merken – die standen alle im Internet, das Gedächtnis des Menschen langweilte sich in Dauerschleife. Wie sich die Technik seit ihrem letzten Besuch weiter entwickelt hatte!  Die Evolution kam aus dem Staunen kaum noch heraus. 

Ein Verkäufer des Straßenkreuzers konnte ihr dann aus der Patsche helfen und die korrekte Adresse der CURT-Redaktion verraten. Die Evolution verließ den Bahnhof durch den Südausgang und spazierte los. Sie hatte Glück, dass ihr das Hoftor geöffnet wurde, denn natürlich funktionierte die Klingel nicht, aber eine Frau mit Fahrrad und Kinderanhänger verließ gerade das Gebäude. Nun zeigte sich wieder einmal, dass die Evolution einen hervorragenden Draht zum Zufall hatte, denn im Büro des CURT im ersten Stock war jemand zu Hause. Und das ausgerechnet in der Mittagspause zwischen 11 und 16 Uhr. Eigentlich unglaublich! 

»Hey Leute, da bin ich!« rief die Evolution fröhlich, doch niemand reagierte, als sie die Räume der CURT-Redaktion im ersten Stock betrat. Alle schienen höllisch beschäftigt zu sein: sie sägten, löteten, hämmerten, klebten, ondulierten.
»HALLO!?« rief die Evolution noch lauter, um den Lärm des Gewerkels zu übertönen. 
Nun gab‘s eine Reaktion. Ohne aufzuhören, an einer rätselhaften Sperrholzkugel von der Größe eines Kühlschranks herumzusägen, wandte sich der Chef um und erkannte die unerwartete Besucherin. »Hei, Evolution! Alte Hacke, warum hast du nicht Bescheid gesagt?«
Es kam zur angemessenen Begrüßung, eine frische Tasse Kaffee wurde kuratiert und bald waren entspanntes Abhängen und ein erster Gedankenaustausch terminiert. 
»Was treibt ihr denn Schönes?« 
»Wir bauen Prototypen«, sagten die Typen und Typinnen, die die Redaktion bevölkerten, wie aus einem Munde.  
»Prototypen? Habe schon davon gehört«, lachte die Evolution, »aber so richtig kapiert habe ich dieses Konzept noch nie.« 
»Im Zukunftsmuseum gibt‘s demnächst eine Sonderausstellung zu Prototypen, oder genauer gesagt: zu Herstellung und Funktion von Prototypen, eben dem sogenannten Prototyping. Wir wollen uns daran rege beteiligen«, erklärten die CURT-Düsentriebs, »Wir  tüfteln auch schon an einer bunten Reihe von Erfindungen.« 
»Dann lasst mal sehen, was ihr euch so ausgedacht habt«, schlug die Evolution vor. Wenn man es darauf anlegen hätte wollen, hätte man eine Spur von vorauseilendem Hohn in ihrer Stimme wahrnehmen können. 
Doch CURT wäre nicht CURT, wenn er sich von ein bisschen Spott beirren lassen würde. Und so schritt man Hand in Hand zur Besichtigung. Die erste Apparatur, an der gebastelt wurde, war rund und groß wie ein Fußball für Elefanten und sollte in der Tat nichts anderes als ein Kühlschrank werden. Die Idee war, dass das Ding nicht nur kühlen, sondern auch cool aussehen, außerdem sich leicht von einer Stelle zur anderen rollen und ganz nebenbei einen schönen Blickfang für Kinder und Hunde abgeben sollte. Zwei Kleinigkeiten mussten noch gelöst werden, nämlich die Fächer im Inneren so zu konstruieren, dass der Inhalt beim Rollen nicht durcheinander purzelte, und der Stromanschluss. »Aber deswegen baut man ja Prototypen, um solche Probleme rechtzeitig zu entdecken und entsprechend zu lösen«, erläuterte der CURT-eigene Q, ein fusselbärtiger Lulatsch mit Verrückter-Wissenschaftler-Frisur. 

Ein anderer Redakteur tüftelte an einem frei schwebenden Mund aus rotem Gummi, der an einem Radio steckte. Dank einer künstlichen Intelligenz, die unter dem Tisch versteckt war, bewegten sich die Lippen synchron zu den Worten, die aus dem Lautsprecher klangen. So sollte es auch für gehörlose Menschen möglich werden, den Sprecher*innen im  Rundfunk zu folgen. 

»Ächem«, räusperte sich die Evolution, »ich habe ja nicht wirklich Ahnung von moderner Technik, aber gibt es das nicht schon längst? Nennt sich Fernsehen?«
Sie ließen den sichtlich irritierten Erfinder bei seinem plappernden Radio stehen und wandten sich zum nächsten Bastler. Der hantierte mit Schraubendreher und Lötkolben scheinbar in der leeren Luft, als gäbe er eine pantomimische Vorstellung. 
»Der hier ist wirklich verrückt, oder?« 
»Nein, ganz im Gegenteil! Er hat einen Roboterhund erfunden, der unsichtbar ist. Die vierbeinige Maschine trägt einen Unsichtbarkeitsmantel aus Metamaterial. Das Gerät soll als Lieferservice arbeiten, Deep-Fried-Pizza, Bowls&Burger, vegane Getränke, eingeschweißte Gurken und so weiter, direkt in die Schlafküche.« 
»Jaaaaa...?« 
»Naja, dann kann man so viel bestellen wie man will, ohne dass es die Nachbarn mitbekommen. Und das Stadtbild wird auch weniger verschandelt von den ganzen Lieferdiensten, mit ihren peinlichen SUV-Bikes und Isokisten-Rucksäcken in Fahrradhelm-Farben.« 
Die Evolution runzelte die Stirn, äußerte aber nichts weiter als ein nachdrückliches »Aha!«
Dann zeigte sie in eine ruhige Ecke des Büros. »Und das hier? Dieses schwarz-weiß gefleckte Wesen mit den grimmigen Reißzähnen?« 
»Das? Das ist Weber, der Redaktionshund. Den müsstest du doch kennen, ihn hast du höchstselbst hervorgebracht.« 
»Wie ich? Dieses Wesen? Ich kann mich gar nicht daran erinnern.« 
»Wer sonst? Das sieht dir wieder ähnlich: erst haufenweise Wesen erschaffen, sie in die Welt hinausschicken und abwarten, wer überlebt. Aber gut – schau dich um: hier sind die Überlebenden.« 
»Ok, gut, stimmt ungefähr. Jedenfalls was meine Methode angeht. Aber ich meine, was dabei bisher herausgekommen ist, kann sich schon sehen lassen, oder? Weshalb besteht ihr immer auf euren Prototypen? Einfach machen, sage ich immer!« 
»Wir sind eben vom Protoyping überzeugt! Deswegen gibt’s auch die Sonderschau im Zukunftsmuseum. Dort kann man sich mit eigenen Augen vom Zweck der Prototypen überzeugen. Mit ihnen erprobt man die Funktionsfähigkeit zukünftiger Produkte. Also ob Geräte und Apparate die Zwecke, die ihnen zugedacht sind, auch wirklich erfüllen. Aber auch Bedienbarkeit, Robustheit, Herstellbarkeit und Ähnliches muss man ja austesten, ehe man die Serienproduktion startet.« 
»Moment mal! Demnach, wenn ich das richtig verstehe, ist das Museum selbst ein Prototyp – das ist faszinierend! Man muss Dinge ausprobieren, sich an die perfekte Lösung herantasten, richtig? Da dürfen auch Fehler gemacht werden, und erst wenn alles passt, geht es in die Serienherstellung von Zukunftsmuseen. Dann kann jeden Tag in einer anderen Stadt ein neues Zukunftsmuseum eröffnen.« 

»Genau so. Ein Prototyp ist ja auch ein Kniff, um die Zukunft in die Gegenwart zu holen. Eine Art Zeitreise, und wir denken, dass dir das gefallen wird. Daher: auf geht’s!« 
»Top!«, sagte die Evolution und steckte dem kleinen Weber heimlich eine Bratwurst zu, an der er drei Tage lang knabbern konnte. 

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curt-Leser*innen-PROTOTYP-Challenge @ zukunftsmuseum

 
[A] Sei der Prototyp deiner selbst!
[B] Sei wie der LV25048 im Bike Mode und im Boat Camp Mode gleichzeitig: Stehe mit einem Bein in einer Pfütze, mit dem anderen daneben! (Pro-Hack: Nimm statt Pfütze die Pegnitz!)
[C] Mach´s dir leicht und sei der Prototyp eines Plagiats!

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Deutsches Museum Nürnberg – Zukunftsmuseum
Augustinerhof, 90403 Nbg
Öffnungszeiten: Di-So 10–18 Uhr. Montags geschlossen.

Sonderausstellung: 
Prototypen – Einen Versuch ist es wert. 
Was ist ein Prototyp? Prototyping-Prozess. Scheitern. Partizipation. 
Programm: Exkursionen, Actionbound, Führungen, Vortragsreihe.




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ZUKUNFTSMUSEUM / AEG. Das Brachland-Ensemble zieht bei seiner neuesten Produktion alle technischen Register, sie findet nämlich im Zukunftsmuseum statt. Interspecies Families ist vieles: ein Theater-Performance-Talk, Infotainment, TechNovela. Bezugspunkt ist die Familie, die sich nicht mehr nur aus Mensch und Tier zusammensetzt, auch die KI ist Teil des Haushalts. Wir haben Theo Fuchs zur Premiere geschickt, er schreibt: "Es bleibt letzten Endes der Mensch und seine Körperlichkeit im Mittelpunkt. Der bodennahe Ausdruckstanz, den Sarah Plattner im Duett mit einem der Regenwürmer auf dem Körper improvisiert, während Ludger Lamers das Winden und Wälzen filmt, hinterlässt wohl den stärksten visuellen Eindruck der Vorführung." Ganze Besprechung HIER. Weiter geht's mit der TechNovela am 26.04. Dann monatlich bis Oktober. Gäste und Inhalte wechseln, es lohnt sich also, jede Folge zu sehen.

Etwas wieder ganz Anderes präsentiert Brachland in der Kulturwerkstatt auf AEG. Am 09.05. feiert dort The Beginning Premiere, ein inklusives Projekt in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe, das Science Fiction und Dokumentation, Performance und Film vermischt. Das Projektteam hat sich mit dem Ende der Menschheit auseinandergesetzt, mit dem Weiterleben der Spezies auf fernen Planeten, mit realen Szenarien für die Erde. Auf der Leinwand werden Expert:innen-Interviews zu sehen sein. Auf der Bühne setzt sich die Gesellschaft zusammen, eine mixed-abled Gruppe, die eine Zukunft eerdenkt und vielleicht neue konstruktive Lösungen entwerfen kann. Weitere Aufführungen am 10. und 11.05.

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Brachland-Enssemble
Im Zukunftsmuseum und in der Kulturwerkstatt Auf AEG
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