Theaterwegweiser im Mai

MITTWOCH, 8. MAI 2019

#Dieter Stoll, #Figurentheater, #Gostner Hoftheater, #Kultur, #Opernhaus, #Staatstheater Nürnberg, #Stadttheater Fürth, #Theater, #Theater Erlangen, #Theater Salz und Pfeffer

Wie man große Oper, ein noch größeres Festival und komische Katastrophen im Schlafzimmer unter einen Hut bekommt: Wagner, Feydeau und jede Menge anderer schräger Figuren sind im Anmarsch auf den Spielplan.

Richard Wagner und sein Quiz-verweigernder Schwanenritter „Lohengrin“ (Sie wissen schon: „Nie sollst du mich befragen“) wären unter normalen Umständen das unerreichbare Highlight der Mai-Theaterszene, aus fernem Land unnahbar euren Schritten. In Konkurrenz allenfalls durch Dieter Dorns spätes Nürnberger Regiedebüt mit Promibonus für die Feydeau-Komödie „Herzliches Beileid“, aus der Nähe der Nacht. Doch das fränkische Vier-Städte-Turnier, das mit 70 Compagnien aus aller Welt den Begriff „Figurentheater“ in Zwei-Jahres-Sprüngen systematisch ausweitet, setzt mit seinen 20.000 erwarteten Besuchern und diversen Innovationsakzenten wie den beiden rahmensprengenden Projekten der Reality-Performer von „Rimini Protokoll“ und Straßentheateraktionen inkl. bewusstseinserweiternder LKW-Rundfahrten für kultivierte Passagiere den eigenen Schwerpunkt. Dass die bislang letzte, höchst umstrittene „Lohengrin“-Premiere am Staatstheater eigentlich zum Festival gepasst hätte, wird nicht mehr der Rede wert sein. Da hatte ein Gastregisseur zum Entsetzen des Dirigenten Wagners mächtigen Erlöser-Soundtrack mit dem Puppenspiel von Thalias Kompagnons kollidieren lassen. Diesmal, so ist zu hören, wird der offiziell im Ruhestand befindliche Kammerschauspieler Jochen Kuhl, der zuletzt in Kusenbergs Schauspielhaus noch Shakespeares „König Lear“ war, als unerwarteter Papa Parsifal ohne Gesangsverpflichtung auftreten.

INTERNATIONALES FIGURENTHEATERFESTIVAL

Nahezu unmöglich, den Überblick für ein Festival aus 180 Vorstellungen von 70 Compagnien innerhalb von 10 Tagen einigermaßen angemessen hinzukriegen. Absolut undenkbar, es nicht dennoch zu versuchen. Denn das 21. internationale figuren.theater.festival im Städte-Großraum Erlangen-Nürnberg-Fürth-Schwabach, das die Grenzen zwischen bewegten Objekten und bewegenden Bildern, zwischen großem Theater und großartiger Kleinkunst, auch zwischen schnörkelnder Tradition und provokant explosiver Avantgarde pulverisiert, fordert 2019 die kritische Aufmerksamkeit des Publikums mehr denn je schon bei der individuellen Spielplangestaltung heraus. Da hilft also nur der vertiefte Blick ins Programmheft (auch unter figurentheaterfestival.de) – und vielleicht die folgende, als subjektive Empfehlung gedachte „Da sollte man hin“-Auslese.

FREITAG, 24. MAI: Die Gruppe Via Negativa aus Ljubljana mit THE NINTH – als Galopp durch eine Klanglandschaft, die Weltkulturerbe ist, hat das slowenische Performance-Kollektiv seine Interpretation von Beethovens „Neunter“ (zu hören ist eine hochglanzvolle Karajan-Gesamtaufnahme) angelegt. Die Macht der Musik und ihr Missbrauch sind das Thema der fünf Darsteller*innen, die mit nacktem Körper und Pferdeköpfen durch alle Sinfonie-Sätze der Ode an die Freude und dem Götterfunkenschlag entgegen wirbeln.   Tafelhalle Nürnberg

SAMSTAG, 25. MAI: Die Bremer Bühne Cipolla mit DER UNTERGANG DES HAUSES USHER – Auf große Literatur haben sich Sebastian Kautz (Maskenspiel) und Gero John (Livemusik) spezialisiert, was bei „Michael Kohlhaas“ schon während des Festivals 2017 gefeiert wurde. Jetzt ist Edgar Allan Poes ungemütliche Gruselerzählung als weiträumige Groteske mit Horror in Wort & Bild dran.   Kulturforum Fürth

SONNTAG, 26. MAI: Das Heppstädter Theater Kuckucksheim mit GLOPF AN DIE HIMMELSDÜR – EIN FRÄNKISCHER WESTERN von Helmut Haberkamm – Im Partykeller spielen Vater und Söhne die Variationen von Indianer & Cowboy durch. Ein Schuh des Manitu mit fränkischen Einlagen, wer weiß! Stefan Kügel mit Benjamin und Nando Seeberger lenken Handpuppen und Tischfiguren an der süddeutsch wildwestlichen Haberkamm-Fantasy entlang, und dazu baut die Rockband „Schleuse“ unter anderem mit Winni Wittkopp live den Soundtrack aus unverwüstlichen Evergreens in nachbarschaftlicher Mundart-Übersetzung. Glocken-Lichtspiele Erlangen (16 und 20 Uhr), im Fürther Kulturforum schon am 24. Mai.

MONTAG, 27. MAI: Meinhardt & Krauss/ cinematographic theatre aus Stuttgart mit ROBOT DREAMS – Ein Tänzer*innen-Trio trifft auf Automaten und Roboter. Menschliche und künstliche Intelligenz, spontane Emotionen und raffinierte Programmierungen verschmelzen. Figuren, Film, neue Medien und Sound auf der vereinten Suche nach der Bannkraft surrealer Träume. Tafelhalle Nürnberg. Am 26.5. im Kulturforum Fürth.

DIENSTAG, 28. MAI: Compagnie Mossoux-Bonté aus Belgien mit THE GREAT HE-GOAT – Eine Menschengruppe wie aus dem gerahmten Goya-Gemälde entstiegen, spiegelt sich in Doppelgängern der eigenen Existenz, verliert  den Halt der Realität, sucht summend, singend und im rhythmischen Schritt den Schutz hinter Illusionen. Ein bildmächtiges, großen Eindruck machendes Ensemble, schon 1997 und dann immer wieder in Erlangen gefeiert.   Markgrafentheater Erlangen

MITTWOCH, 29. MAI: Schauspiel Graz/ Nikolaus Habjan mit BÖHM. Beim ausverkauften Gastspiel im großen Münchner Residenztheater gab es für das lebende österreichische Gesamtkunstwerk Nikolaus Habjan und sein vielköpfiges Solo, wo er im Alleingang mit elf Puppen, Köpfen und Stimmen aller Art den raunzenden Maestro Karl Böhm samt Egotrip vom Sockel der Hochkultur kippt, lang anhaltende Ovationen. Habjans Kreisler-Abend wurde 2017 in Fürth gefeiert, das ergreifende Doku-Solo „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ war 2015 und bei der Wiederholung 2017 in Erlangen ein denkwürdiger, ja unvergleichlicher Festival-Höhepunkt. „Böhm“ ist saukomisch und todernst, ist Stimmenvielfalt ohne Grenzen, ist Komödiantenakrobatik ohne Sicherheitsnetz.   Stadttheater Fürth

DONNERSTAG, 30. MAI: Das belgische Künstler-Kollektiv „Berlin“ mit TRUE COPY – Der Fälscher und der Kunstbetrieb, ein System von Angebot und Nachfrage? Am Beispiel des Geert Jan Jansens, der bis vor 25 Jahren rund 1600 hausgemachte Werke frohgemut mit Namen wie Picasso und Chagall signiert hatte, spielt die multimediale Performance mit der Relativität von Wahrheit. E-Werk Erlangen, am 1. Juni auch in der Tafelhalle Nürnberg.

FREITAG, 31. MAI: steptext dance project aus Bremen mit ZWEI GIRAFFEN TANZEN TANGO – BREMER SCHRITTE – Was vor Jahrzehnten der legendäre Tanz-Avantgardist Gerhard Bohner an Inspiration aus dem Nachlass des noch legendäreren Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer aus noch älteren Zeiten schöpfte, ist das Material für Helge Letonjas Choreographie magischer Figuren und absurder Szenen. Die Moderne von gestern bei der Hommage an vorgestern überlebt in der Phantasie von heute. Ein Feinschmeckerangebot nach Rezeptur der Bildenden Kunst.   Tafelhalle Nürnberg

SAMSTAG, 1. JUNI: Die rumänische Synchret Theatre Company mit GODOT – Neun Akteure dieses ganz auf Klassiker konzentrierten Ensembles, das beim nächsten Festival wohl Goethes „Faust“ im Angebot hat, zeigen in deutscher Erstaufführung ihre Interpretation von Becketts „Warten auf Godot“. Ganz ohne Worte mit japanischen Bunraku-Puppen, die jeweils von mehreren Spielern gleichzeitig geführt werden. Bemerkenswert, dass die Beckett-Erben kein Veto gegen die radikale Sprachlosigkeit eingelegt haben.   Kulturforum Fürth.

SONNTAG, 2. JUNI: Compagnie 111/ Aurélien Bory mit ASH – Es ist nach „Plan B“, „Sans Object“ und „Plexus“ schon die vierte Produktion von Aurélien Bory für das Figurentheaterfestival. Mittelpunkt und auch Choreographin ist diesmal die aus Indien stammende Tänzerin Shantala Shivalingappa, die Blickfelder aus Asche entstehen und verwehen lässt. Percussion-Sound und vibrierende Bilder gehören zu den Eindrücken, die Vergangenheit der Tänzerin in einer der letzten Stücke von Pina Bausch schimmert durch.   Markgrafentheater Erlangen zum Festival-Finale, auch schon am 1. Juni.

FESTIVAL-VERANSTALTER: 
Kulturamt Erlangen – KunstKulturQuartier Nürnberg – Kulturamt Fürth – Kulturamt Schwabach. 
figurentheaterfestival.de


STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE: Eigentlich wollte der legendäre Münchner Theatermacher Dieter Dorn (Intendant erst der städtischen Kammerspiele, dann des staatlichen Residenztheaters und mit 83 Jahren immer noch ein gefragter Gastregisseur) für sein spätes Nürnberger Debütprojekt seine Kombination von Becketts gedankenreichem Sandkastenspiel „Glückliche Tage“ mit dem seltener aufgeführten Grotesken-Einakter HERZLICHES BEILEID von Georges Feydeau inszenieren. Becketts strenge Erben untersagten die originelle Idee kurz vor Probenbeginn, jetzt konzentriert sich die Premiere auf den giftigen Spaß des französischen Komödianten. Ulrike Arnold, Thomas Nunner, Yascha Finn Nolting und Süheyla Ünlü treffen sich zum nächtlichen Disput am Bett, den auch die überraschende Botschaft vom plötzlichen Tod der Schwiegermutter nicht lückenlos aufheitern kann.
Premiere: 10. Mai. Weitere Aufführungen 11., 16., 18., 23., 25. Mai, dann wieder 8., 18. Juni im Schauspielhaus.

PREMIERE: Eine Antwort auf Leo Slezaks verkehrspolitische Frage „Wann geht der nächste Schwan?“, die der begabte Glossenschreiber als Titel-Tenor einst dem vorbeiruckelnden Pappmaché-Gefährt hinterherschickte, ist nicht zu erwarten. Richard Wagners Erlöserdrama LOHENGRIN hat sich längst von der unfreiwillig komischen Jahrmarktsnummer emanzipiert. In der Erinnerung an Nürnberger Spielpläne taucht das dunkel-romantische Musiktheater-Monster verblüffend oft als Neuinszenierungsversuch auf. Für die Hauptrolle (anno 2008 war das an gleicher Stelle immerhin der inzwischen mit mehreren Bayreuth-Gütesiegeln beglückte Stefan Vinke) tritt jetzt erstmals der Kanadier Eric Laporte an, der noch Mozart-Reste in der „Helden“-Kehle hat. Die texanische Sopranistin Emily Newton, eben erst das „Busenwunder“ in der Turnage-Oper „Anna Nicole“ und dann Zweit-„Butterfly“ für den hausgekühlten Puccini, steht ihm als fragwürdige Elsa zur Seite. Gastregisseur David Hermann, hier schon bei der Belcanto-Serie der früheren Intendanz für eine Donizetti-Ausgrabung im Einsatz, wird auf das umstrittene Puppenspiel der vorigen Produktion dankend verzichten – hat aber mit dem Auftritt von Johannes Lang und Jochen Kuhl als Wotan und Parsifal zwei neue, zumindest in diesem Werk bislang nicht leibhaftig gesehene Figuren am Set. Sein erklärter Wille, vom Konflikt zwischen Germanen und Christen „mit einer guten Portion Humor“ zu erzählen, könnte Wagnerianer auf Vorschuss in Schrecken versetzen. Mit besonderer Aufmerksamkeit erwartet man die junge Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz, die bei ihrer erst zweiten Nürnberger Premiere nach „Krieg und Frieden“ die bislang eher schmale persönliche Wagner-Basis, immerhin ein halber „Ring“ in Riga, erweitern und ihren ansonsten durch Konzerte extrem guten Ruf festigen will.
Premiere: 12. Mai. Weitere Aufführungen 19., 30. Mai, dann wieder 2., 8., 16., 29. Juni im Opernhaus.

PREMIERE: Aus dem Fantasy-Nachlass von E.T.A. Hoffmann lag DER SANDMANN immer wieder weit vorne im Trend. Die gespenstische Novelle aus dem „Schauerroman“-Zyklus von 1816 gehört zu den bedeutendsten Werken des so vielseitigen, besonders als Autor fruchtbaren Künstlers. Die oft dramatisierte Trauma-Story wurde nicht nur mit besonderem Appetit von Jaques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ geschluckt, sondern lieferte bis in die jüngste Vergangenheit Stoff für Musical, Film, Schauspiel und Popkultur bis hin zum Rabiat-Rock von Rammstein. Mamas schauerliche Betthupferl-Poesie, die den kleinen Nathanael bis ins Liebesleben verfolgt: Die beruhigende Clara und die erregende Olimpia umschlingen ihn. So viele Ansätze, dass laut spöttischem Kenner-Urteil „die Zahl der Deutungen ein derartiges Ausmaß erreicht hat, dass die Interpretation wie eine literaturwissenschaftliche Spezialdisziplin anmutet, an der Vertreter aller methodischen Richtungen teilhaben.“ Dem wird die Nürnberger Neuproduktion der jungen Regisseurin Clara Weyde, die zuletzt in Norddeutschland die nah angesiedelten Autoren Lars von Trier und Franz Kafka inszenierte, eine weitere Bilderrausch-Variante hinzufügen.
Premiere: 1. Juni. Weitere Aufführungen 2., 7., 19., 25., 27. Juni im Schauspielhaus.

LETZTER AUFRUF: Zehn Vorstellungen in kurzer Terminfolge und dann entschwindet der premierenfrische, sehr sehenswerte Tanztheater-Dreiteiler KYLIAN – GOECKE – MONTERO erst mal. 30 Jahre Choreographie-Geschichte wächst in 90 Minuten zusammen: Zu Jiri Kyliáns 1989 im Wunder-Labor des Nederlands Dans Theaters entstandenem Frauen-Stück „Falling Angels“, in dem zum Trommel-Sog von Steve Reich die Bewegungsmuster explodieren, hat Goyo Montero den Kontrast seiner ganz auf Herren zwischen Rutschbahn und Macho-Pose setzenden Uraufführung „M“ geschaffen. Zuvor lässt Marco Goecke in „Thin Skin“ der Punk/Rock-Göttin Patti Smith huldigen. Insgesamt eine bewegt bewegender Beitrag zur „Gender“-Debatte – und ganz davon abgesehen technisch hochklassiges, brillant getanztes Ballett. +++ Wer bei einer 2019 entstehenden Inszenierung von Mozarts COSÍ FAN TUTTE, dieser musikalisch so wunderbar umschmeichelnden und im Libretto so platt machoseligen Männerwette auf die Frauentreulosigkeit, die Untiefen der zeitnahen #MeToo-Aufregung für unvermeidlich hält, muss in Nürnberg die Augen reiben – kann sich aber wenigstens auf die Ohren verlassen. In der Buffo-Gaudi der Klebebärte verwandelt sich hier das Herren-Duo per Maskerade in eine späte Hommage an Erkan & Stefan, und die Regie lässt die betrogenen Frauen im Abseits zappeln. Jens-Daniel Herzog arrangiert ein junges, leichtstimmiges Ensemble, nimmt den Jux-Anteil offensiv an. Lutz de Veer schälte vom Pult aus gekonnt den harten Kern aus dem magischen Amadeus-Sound. +++ Das gewollt wagemutige, gekonnt fantasievolle Ionesco-Projekt EIN STEIN FING FEUER nimmt die früh für Studioexperimente berühmten Stücke DIE KAHLE SÄNGERIN und DIE UNTERRICHTSSTUNDE, vermischt mit weniger bekannten Texten des einst stilbildend wirkenden Querschlag-Poeten Eugène Ionesco, als Großformat-Comeback an der Mülldeponie alternativer Fakten. Es geht um Macht im Spiel, wenn Worte ihren eigenen Sinn-Rohbau lustvoll detonieren lassen. Komisch, absurd, körperlich und geistig mit Steilwand-Einsatz. Jan Philipp Glogers ambitioniert amüsierender Nürnberger Einstieg fällt selbstsicher aus dem Rahmen des Üblichen. +++ Nach der „letzten“ noch eine kurzfristig angesetzte allerletzte Aufführung der mächtigen Prokofjew-Literaturveroperung KRIEG UND FRIEDEN. Staatsintendant/Regisseur Jens-Daniel Herzog holt die aufwendige Produktion für 14. Juni und nur für diesen Abend aus dem Archiv zurück, weil er mit dieser glänzend bewältigten Rarität bei der Jahrestagung des Deutschen Bühnenvereins (Intendanten, Kulturpolitiker, Verwaltungschefs) das Nürnberger Image polieren kann. GMD Joana Mallwitz dirigiert, Restplatz genug für Spontanbesucher zum Nach- oder Wiederholen gibt es vorläufig noch. 
Letzte Termine: Kylian – Goecke – Montero 3., 10., 17., 20., 25., 29., letztmals 31. Mai im Opernhaus +++ Cosi fan tutte 14., 22. Mai, dann 1., letztmals 10. Juni +++ Krieg und Frieden letztmals am 14. Juni im Opernhaus +++ Ein Stein fing Feuer 3. Mai, letztmals am 13. Juni im Schauspielhaus.

EXPERIMENTE: Von einer „Vorbereitung zukünftiger Vorstellungen“ ist bei der Uraufführung TEUTONA von Oliver Zahn im Untertitel die Rede. Und das, so das Konzept, mit jeder Aufführung immer wieder neu ansetzend. ESSAYPERFORMANCE nennt sich das Genre, das Training als Vorbereitung auf Zukunft bietet und einen „weißen deutschen Mann“ visionär in der eigenen Entwicklung und der unendlichen Perspektive des Theaterstücks stochern lässt. Dass der Fonds Darstellende Künste das „Hauptaktion“-Projekt (mit Partnern der freien Szene in Stuttgart, Salzburg und Bremen) fördert, verweist auf die Stoßrichtung. Malte Scholz spielt das Solo, der Autor als Regisseur und Konzeptkünstler wird von Kamera, Video und Lichtspielen unterstützt. +++ Die Autorin Petra Hulová gilt als Talent der tschechischen Gegenwartsliteratur, der Regisseur ist Deutschlands emsigster Theatermacher mit zwei Namen und das Stück über den Traum einer Welt ohne Sexismus ist der Versuch sprachgrenzüberschreitender Uraufführung mit drei gestaffelten Premieren. Als EINE KURZE GESCHICHTE DER BEWEGUNG im Jahr 2018 am Stuttgarter Staatstheater erstmals in Fragmenten zu sehen war, hatte Regisseur Armin Petras alias Fritz Kater dort noch das Amt des Intendanten. Zusammen mit Nürnberg und Prag war das zweisprachige Projekt als Dreisprung eingefädelt. Es geht um ein feministisches Umerziehungsprogramm, das „satirisch und kontrovers“ nach dem Weg in die bessere Zukunft Ausschau hält. Je zwei tschechische und deutsche Akteure mit Anteilen eigener Muttersprache im Einsatz: Martin Donutil und Sarah Havácová mit Stephanie Leue und Felix Mühlen. Lichtdesign von Norman Plathe ersetzt konventionellen Bühnenbildbau. Die Nürnberger Produktion ist nun auch in Prag zu sehen. +++ Ob man Roman Ehrlichs komplexen, sehr dicken Roman DIE FÜRCHTERLICHEN TAGE DES SCHRECKLICHEN GRAUENS wirklich in ein 150-Minuten-Kammerspiel verwandeln kann, ist auch nach dem bemühten Nürnberger Versuch ungewiss. Es geht um einen gruseligen Selbstversuch, bei dem sich eine sektiererische Gruppierung im Kneipennebenzimmer regelmäßig zur Abschöpfung von individuellen Ängsten trifft, um aus den Erkenntnissen vielleicht einen B-Movie zu drehen. Regisseurin Anne Lenk hat die zweite Hälfte des anspruchsvollen Buches ignoriert und die erste für ein Duo-Drama eingerichtet. Das hat Reizmomente, bleibt dem Buch aber viel schuldig. +++ Die Einladung zum „Heidelberger Stückemarkt“, wo eine Jury über vorbildliche Zweitinszenierungen von Uraufführungen urteilt, gibt der Aufführung DER ZORN DER WÄLDER vorm Saisonstart noch einmal einen Kick. Das vergnüglich klischeeverliebte Stück im Stil des kriminologisch süffigen Schwarz-weiß-Kinos glänzt stilsicher mit Witz und Ästhetik.
Termine: Teutona 15., 18. Mai in der 3. Etage Schauspielhaus +++ Eine kurze Geschichte der Bewegung 15., 26. Mai, dann wieder 8. Juni in den Kammerspielen +++ Der Zorn der Wälder 14., 21. Mai in den Kammerspielen +++ Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens 14., 21. Mai in der 3. Etage

ZWEI MAL „HAUSTRONAUT“ IN DEN KAMMERSPIELEN: 
Der für Nürnberg fest gebuchte Hausautor Philipp Löhle, der sich selbstironisch „Haustronaut“ nennt, schickte nach dem anhaltenden Erfolg der Baumwollflöckchen-Weltreise DAS DING von den Ruhrfestspielen 2012 mit Nürnberger Wiederaufbereitung 2018 sein neues Stück mit demselben Regisseur auf gleicher Bühne los. Er ist damit am Staatstheater tatsächlich der einzige Autor mit zwei kompletten Produktionen im laufenden Spielplan. Jan Philipp Gloger inszenierte Löhles Uraufführung AM RAND (EIN PROTOKOLL) mit stützenden Einfällen. Es geht um ein fiktives Grenzdorf, das mit seinen Schein-
problemchen zum Modellfall für die Weltlage ernannt wird. Ein pelziger Troll trifft Kinder im Wald, ein „staatenloses Wildschwein“ trampelt die zivilisatorische Ordnung nieder, offene Haustüren und Fahrradschlösser sorgen für Anarchie. Randhausen ist aus den Fugen. Gloger hat geradezu unheimlichen Spaß an der schrägen Stimmungslage, die ihm der Autor seines Vertrauens als Spielmaterial aus Grotesken-Teilchen in die Szene kippte. Man bestaunt gut gelaunt die wie geölt funktionierende Pointenmechanik, aber wo mag bloß das beschworene Schreckgespenst vom Albtraum der allgemeinen Angst-Hysterie abgeblieben sein? „Die Wahrscheinlichkeit nimmt jeden Tag zu, dass etwas passiert, wenn bisher nichts passiert ist“, legt der Autor seinen lustigen Bürgerdämonen in den Mund. Das könnte auch ein Hinweis auf die Ziehung der Lottozahlen sein. 
Termine: Am Rand 5., 10., 16., 23. Mai +++ Das Ding 11., 19., 25., 30. Mai in den Kammerspielen.

OPERN-BESTSELLER: Nach „Tosca“ und „Turandot“ und „La Bohème“ hätte man sich aus dem Puccini-Sortiment für Nürnberg natürlich auch mal Raritäten wie „Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“, „Manon Lescaut“ oder gar den mächtigen Dreiteiler „Il Trittico“ vorstellen können. Aber jetzt kam sicherheitshalber ein neuer Bestseller-Versuch mit der bittersüß parfürmierten Harakiri-Elegie MADAMA BUTTERFLY, die mit herzergreifenden Arien für die asiatische Titel-Sopranistin und schmetternden Schuft-Auftritten ihres US-amerikanischen Tenor-Verführers zum großen Schluchzen führt. Die reisende Schauspielregisseurin Tina Lanik tastete sich distanziert ins allseits geliebte überschwängliche Musiktheater und stülpt Gegenwart wie eine Glashaube übers Melodram. Die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva und die Texanerin Emily Newton alternieren in der unterkühlt anrührenden Titelpartie. Der polnische Tenor Tadeusz Szlenkier singt, wie zuvor in Warschau, den treulosen Pinkerton. Am Pult lenkt Kapellmeister Guido Johannes Rumstadt die äußerlich beherrschte, innerlich umso mehr tobende Gemütslage. 
Termine: 18., 23., 28. Mai, dann wieder am 4., 9., 15., 22. Juni im Opernhaus.

SCHAUSPIEL-DAUERLÄUFER: Die Legende von Maria Callas, Schmerzensfigur zwischen Opernhimmel und Klatschhölle, ist in Terrence McNallys Psychoboulevardstück MEISTERKLASSE um eine fiktive Lehrstunde der Sängerin beschworen. Die einstige Alleskönnerin der Bühne rafft mit strenger Kunstmiene die Reste des Ruhms und verlangt von den jungen Sängern, die ihr zu Füßen liegend die eigene Zukunft entgegen schmettern, absolute Hingabe an die Kunst. Das mittelprächtig gelungene Stück war ein Welterfolg. In Nürnberg sah man damit bereits Jutta Richter-Haaser, jetzt ist Annette Büschelberger die Diva im fernen Schatten von Onassis. +++ Klassisches Mörderspiel, aus keinem modernen Repertoire wegzudenken: Shakespeares MACBETH lässt sich von seiner ehrgeizigen Lady ins Unheil hetzen. Ganz anders als sonst sind diesmal alle Beteiligten ein bisschen gekrönt. Gastregisseur Philipp Preuss (Leipzig/Berlin) löst die Handlungsstränge samt der Dialogordnung in Fragmentteilchen auf, drückt mit dem Daumen auf eine Endlosschleife der wiederholbaren Ausschnitte, die aus dem mit Hackebeil gekürzten Original gebastelt ist. Das Sechs-Personen-Ensemble in wechselnder Rollenzuweisung nähert sich dem Schlachtfest auf breiter Blutspur immer wieder in neuem Blickwinkel & Tonfall. +++ Als „turbulenten Unfug“ hat die mit Selbstironie gesegnete Schauspieldirektion diese Vorstellung angekündigt. Stimmt, kann man da nur sagen. Es geht um Diamanten, ein Geldinstitut in der Provinz, viel tollpatschiges Slapstick-Personal und ein verrutschtes Steilwand-Bühnenbild. Die Deutschlandpremiere von KOMÖDIE MIT BANKÜBERFALL aus der gesträubten Feder von drei britischen Autoren und zwei deutschen Übersetzern beruft sich auf den kollektiven Humor der Monty Pythons, hat also auch die Begabung zur Hochstapelei. Die Besetzungsliste wimmelt vor Taschendieben, Trickbetrügern, Häftlingen, Agenten und grenzdebilen Bankdirektoren – ein Musterkatalog von zwanghaften Zwielichtgestalten. Volles Haus ist hier garantiert.
Termine: Macbeth 3., 14., 17. April +++ Meisterklasse am 13. April +++ Komödie mit Banküberfall 16., 18., 23., 28. April im Schauspielhaus.

MUSICAL & OPERETTE: Wo im Kino „Der Mann der vom Himmel fiel“ knapp 40 Jahre zuvor endete, setzte Dramatiker Enda Walsh zusammen mit Filmhauptdarsteller David Bowie kurz vor dessen Tod für dieses einzige Musical des ansonsten als Sänger, Schauspieler und Stilikone vermarkteten Stars entlang an 17 alten und nachgeschobenen Songs an: LAZARUS. Außerirdischer auf Erdenbesuch. In Nürnberg findet man sich in einer Airport-Abfertigungshalle mit der unheimlichen Wechselwirkung zwischen Kathedrale und Geisterbahn wieder. Regisseur Tilo Nest inszenierte ein düsteres Videoclip-Oratorium, in dem die singenden Schauspieler erfrischend individuellen Bowie-Interpretationsstil pflegen. +++ Venedig und Nizza sind die dekorativen Handlungsorte, aber das Temperament von Paul Abrahams BALL IM SAVOY deutet aufs Berlin der frühen Dreißiger Jahre. Die flotte Revue-Operette kokettierte mit Jazz und Jokus, wurde offiziell von den Nazis verboten, hatte nach deren Herrschaft ein spießiges Comeback im Schnulzen-Sound der biederen Bundesrepublik und durfte erst spät wieder so ungebunden frech sein wie früher. Die flotten „Ball im Savoy“-Arrangements von Kai Tietje, 2012 für die Berliner Komische Oper entstanden und dort weiterhin mit Dagmar Manzel im Spielplan, werden in Stefan Hubers Nürnberger Inszenierung ausgekostet. Das gurrende „Toujours l´amour“ klingt, wenn die richtigen Wimpern klimpern, wie eine individuelle Unverschämtheit, und weil das nur mit besonderer Begabung funktioniert, treten in Nürnberg die sonst eher in der Tafelhalle bejubelten Geschwister Pfister mit explosiver Travestie-Turbulenz an. Fabelhaft! +++ Kino-Großmeister Steven Spielberg fetzte die Verfilmung dieser Hochstapler-Story mit dem jungen Leonardo DiCaprio 2002 hin. CATCH ME IF YOU CAN gehört seither zu den ewig kreisenden Hollywood-Titeln in der TV-Wiederholungsschleife. Die zehn Jahre später entstandene Musical-Fassung von „Hairspray“-Filmkomponist Marc Shaiman gab dem sympathischen Gauner, der Pseudo-Karrieren als unrechtmäßig praktizierender Pilot, Arzt und Anwalt gegenüber jedem geordneten Leben bevorzugt, noch mal anderen Schwung. Jetzt wird zum Betrug gesungen und getanzt. Es wirbelt gekonnt, auch wenn die Songs nicht wirklich explodieren. 
Termine: Lazarus 15., 17. 26. Mai im Schauspielhaus +++ Ball im Savoy 5., 11. Mai +++ Catch me if you can 15., 26. Mai im Opernhaus.

KLEINKUNST-HIGHLIGHT: Eingefädelt wurde die Produktion noch als SOUND OF THE CITY, längst heißt sie DIE MUSIK WAR SCHULD und ist „ein Nürnberger Liederabend“ mit Songs, Arien, Schlagern und Gedichten. Am „Ehekarussell“-Brunnen führt eine Versammlung erhobener Stimmen von Pachelbel über Rio Reiser und Richard Wagners „Meistersinger“ bis zur Familie Joel. Von der klingenden Kirchenmusik-Historie zur Straßenmusik der Gegenwart schweift der Blick, flattert das Stimmband. Ein wenig Infotainment darf auch sein. Sechs musikalisch talentierte Komödianten suchen den passenden Ton in Randnotizen der Stadtgeschichte mit dem lautesten Einsatz für den (nur eventuell) verkannten Wuchtbrunnen-Architekten Jürgen Weber und dem letzten leisen Wort für Poet Hermann Kesten.
Termine: 9., 18., 24. Mai in den Kammerspielen.

GASTSPIEL/PREMIERE: Eine Kammeroper, die kaum jemand kennt? Das lässt sich ändern, aber will der Erfinder denn überhaupt einen Platz in diesem Genre? Enno Poppe (49), der vom ungeordneten Geräuschpegel unserer Wahrnehmung immer wieder angeregte Avantgarde-Komponist, betitelt sein Stück, das eher Projekt war als Oper ist, einfach IQ, nimmt also die Abkürzung für Intelligenzquotient als Signal. Das 2012 in Schwetzingen beim Festival der Neuen Musik von Marthaler-Dauerpartnerin Anna Viebrock uraufgeführte Werk wird unter „Testbatterie in acht Akten“ registriert. In Teilchen gliedert Poppe, immer wieder von vorne beginnend, einen Intelligenztest an Probanden, die das Chaos fürchten. Wissens- und Emotionsfixierung, die der Klangforscher „dem ästhetischen Erfahrungsraum des Musiktheaters“ zuführen will. Der in Experimenten einschlägig vorbelastete Autor Marcel Beyer konstruierte aus Stimmen von ausmessenden Testern und ausgemessenen Probanden das Textbuch, das Instrumentalisten und Publikum mit einschließt. Wie der Musiker 2012 so schön sagte: „Beyers Worte gebären die Noten“. Guido-Johannes Rumstadt (in Nürnberg als Orchester-Professor, Opernhaus-Kapellmeister und Chorleiter großflächig tätig) hat ein junges Ensemble der Musikhochschule ans Projekt gesetzt, Annika Nitsch führt Regie. 
Premiere: 8. Mai, weitere Aufführungen 9., 10., 11. Mai in der 3. Etage Schauspielhaus.

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg 
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

Letzter Aufruf: Sturz in bürgerliche Abgründe? Naja, Hals- und Beinbruch wirkt hier denn doch eher wie ein freundlicher Wunsch fürs erheiternde Stolpern. Eugène Labiches Komödie DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE beginnt nach durchzechter Nacht mit Blackout. Zwei ratlos dreinblickende Herren in Katerstimmung werden mit einem Mord in Verbindung gebracht, vertuschen mangels Erinnerung alle vermuteten Spuren und geraten in ein Räderwerk von Verwechslungen. Die große Zeit, da der französische Pointen-Mechaniker Eugene Labiche mit klippklappenden Wechselschritt-Konstruktionen wie vom Fließband die Spielpläne der führenden Theater Europas schmückte, ist vorbei. Trotzdem kaum überraschend, dass auch die Theatergrößen der jüngeren Gegenwart immer wieder juchzend nach dem speziell für Präzisionskomödianten reizvollen Text greifen. In Nürnberg spielen Thomas Witte, Christin Wehner, Jürgen Heimüller, Helwig Arenz und Robert Arnold in Regie und Bühne von Britta Schreiber in bester Comedy-Energie. 
Termine: Noch bis 3. Mai im Gostner Hoftheater.

PREMIERE: Zwei verwahrloste Jugendliche, der gewalttätige Schwalbe und der ihn bewundernde Mitläufer Hasse, die im eisigen Winter von 1948 gegen Verdruss und Langeweile ankämpfen und dabei als Feindbild die ganze Welt der Erwachsenen vor Augen haben. Ein Rachefeldzug, der mit pubertären Streichen beginnt, zur Katastrophe und zur Höllenfahrt aus dem Paradies der Kindheit gesteigert wird. In DER GEWISSENLOSE MÖRDER HASSE KARLSSON zeigt der Bestseller-Autor Henning Mankell, der mit düsteren Kriminalromanen weltweit Millionen-Auflage hatte, sein anderes Talent als emanzipatorischer Jugendtheatermacher. Gesellschaftskritischen Hintergrund haben die Geschichten des zeitlebens zwischen Skandinavien und Afrika pendelnden Dichters in jeder Form, für die Bühne war ihm die Bündelung von pädagogischem Ernst und spielerischer Phantasie besonders wichtig. Marco Steeger, 18 Spielzeiten lang Protagonist im Schauspieler-Ensemble des Staatstheaters und in den letzten Jahren zunehmend Aktivist für Jugendtheater in der Alternativszene, führt im Hubertussaal der Gostner die Regie beim Vier-Personen-Ensemble. Gespielt wird für „junge“ Zuschauer, am Abend auch für solche, die „erwachsen“ sind.
Premiere: 29. Mai. Weitere Abendvorstellungen im Freiverkauf (neben den Schulvorstellungen vormittags) am 31.05. + 05.06. im Hubertussaal.

GOSTNER HOFTHEATER
Austr. 70, Nürnberg
gostner.de


TAFELHALLE

PREMIERE: Ein Regisseur, der auch Choreograph ist, sucht das theatralische Potenzial eines Romans, der auch Skandalstoff wurde. Barish Karademir, nach Entdeckungen am Gostner Hoftheater und ständiger Präsenz am Fürther Theater (zuletzt „Liliom“) seit Jahren an der Tafelhalle mit Sonderstellung für großformatige Experimente wie Falk Richters „Je suis Fassbinder“ ausgestattet, macht aus dem Bestseller IM HERZEN DER GEWALT sein spartenübergreifendes Drama. Im autobiographischen Buch, mit 23 Jahren geschrieben und 2016 als Entdeckung gefeiert, rekonstruiert der französische Jung-Autor Édouard Louis (Neuerscheinung von 2018: „Wer hat meinen Vater umgebracht?“) die Geschehnisse einer dramatischen Nacht, die das Leben für immer verändert. Auf der Pariser Place de la République begegnet Édouard dem jungen Reda, einen Immigrantensohn mit Wurzeln in Algerien, und nimmt ihn mit in seine kleine Wohnung. Was als zarter Flirt beginnt, schlägt um in Gewalt. Louis erzählt dabei von Kindheit, Begehren, Migration und Rassismus – auch von Homophobie und Machtmissbrauch. Barish Karademir verwandelt die Drucksache anders als etwa Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne in ein spartenoffenes Theaterstück, das Schauspiel (mit fünf Personen) und Tanz (mit drei Aktiven) verbindet.
Premiere: 2. Mai in der Tafelhalle, weitere Vorstellungen 3./4. Mai, dann wieder im Juni.

TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de


THEATER SALZ + PFEFFER

GASTSPIELE: Das kleine Festival-Format beim Figurentheater-Treff bringt im Haus am Plärrer die Gastspiele VORHERSAGE von Matijevic & Chico (30. Mai), SONGS FOR ALICE von Wilde & Vogel mit Johannes Fritsch (31. Mai) sowie die United Puppets mit der Künstler-Hommage ÜBER DEN KLEE (1. Juni) und ZINNOBER IN DER GRAUEN STADT (2. Juni). Aus dem eigenen Repertoire von Salz + Pfeffer stoßen Gastgeber Wally und Paul Schmidt mit RITA UND DIE ZÄRTLICHKEIT DER PLANIERRAUPE dazu (29. Mai).

THEATER SALZ + PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nürnberg
t-sup.de 


THEATER ERLANGEN

PREMIERE: Livetheater als Kinosimulation, Aufführungsrealität in der Fake-Dramatik von Dreharbeiten. Für die Inszenierung von Orwells FARM DER TIERE, dieser klassenkämpferischen Fabel mit der unvergesslichen Zeichentrickumsetzung, versucht die Erlanger Regie von Klaus Gehre eine eigene Version von Live-Film-Inszenierung, wie sie die experimentierfreudige Katie Mitchell in der großen Theaterszene etablierte. Es gibt also das Kamerateam mit vier Geräten als Zwischenstation der Bildervermittlung. Die Tiere, die gegen die ständige Ausbeutung durch Menschen die Rebellion wagen, haben nichts mit „Bambi“-Niedlichkeit zu tun. Schweine sind hier besonders klug, und der theoretische Menschheitstraum von der besseren Welt rückt dem Kampfslogan „Alle Tiere sind gleich“ samt der angewachsenen Pervertierung „… aber manche sind gleicher“ sehr nah. Wie die Inhaltsbeschreibung schon für Mensch und Tier festlegt: „Demokratie ist anstrengend und schnell ist das selbstbestimmt Dasein vorbei“. 
Premiere: 3. Mai im Markgrafentheater. Weitere Aufführungen 12. und 13. Mai.

PREMIERE: Ein Mann und eine Frau werden in diesem „theatralen Versuchsaufbau“ durch Utopien geleitet. Matriarchat? Patriarchat? Könnte aber durchaus auch zum Plädoyer für Gleichberechtigung werden: Mit der Uraufführung FEMDOM, die im Untertitel als „Manifest einer neuen Weiblichkeit“ lockt oder droht, je nach Standpunkt, setzt Mathilde Lehmann (Konzept & Regie) ihren Sieg beim Regienachwuchswettbewerb in eine Aufführung um. 
Premiere: 4. Mai im Theater in der Garage. Danach noch 6. und 7. Mai.

WEITER IM PLAN: Aus der Zeit gefallen sind so manche Theatertexte, aber es gibt auch welche, die buchstäblich „in die Zeit fallen“. David Mamets OLEANNA aus dem Jahr 1992 erzählt von einem eskalierenden Machtspiel zwischen Professor und Studentin, das schon damals in der ersten Runde für intellektuelle Auseinandersetzungen sorgte, im Licht der gegenwärtigen Missbrauchsdebatte jedoch ganz andere, neue Schärfe gewinnt. Die Klärung der offen bleibenden Schuldfrage klebt damals wie heute geradezu am Verdacht von gesellschaftlicher Empörung als Trend. Janina Zschernig und Hermann Große-Berg spielen in Erlangen das Duo im Kampf um die Deutungshoheit. +++ Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrer-Drama DRAUSSEN VOR DER TÜR findet in größeren Abständen immer wieder neue Denkansätze, die über die Erinnerung an zertrümmerte Landschaften hinausreichen. Ein Schauspieler und ein Musiker führen im poetischen Konzentrat bis in die Gegenwart. +++ Zum Live-Film das Live-Hörspiel mit Video: TSCHICK. Die Bühnenfassung von Wolfgang Herrndorfs Road Trip für zwei Jugendliche, die aus so unterschiedlichen Welten kommen, dass sie fast zwangsläufig zueinander passen, hat nach der Bestsellerliste längst Kino und Theater erobert. In Erlangen kultivierte Eike Hannemann seine besondere Vorliebe für bebildertes „Hörspiel“, das den Nürnbergern auch „Winnetou“ bescherte.
Termine: Oleanna 10., 11. Mai +++ Tschick 14., 15. Mai +++ Draußen vor der Tür 21., 22. Mai in der Garage.

LETZTER AUFRUF: Die alte Welt muss überwunden werden, damit Platz für eine neue ist. Die Idee einer globalen Utopie wird in Laura Naumanns DAS HÄSSLICHE UNIVERSUM mit fünf Personen durchgeknetet. Eine Frau mit demagogischen Talenten steht im Mittelpunkt. Zum Inhalt: Wie der Mensch die Erde einst mit großer Geste zum Leuchten – und zum Verglühen brachte. Die Apokalypse wuchert in Erlangen. +++ Bert Brechts drastische Kriegsauslöser-Parabel DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI von 1941, in Nürnberg vor ein paar Jahren sogar in der Colosseum-Ruine des Reichsparteitags inszeniert, springt in der Erlanger Neuinszenierung zum 300-Jahres-Jubiläum des Markgrafentheaters über alle abgegriffenen Hitler-Parabeln hinweg in eine lärmende Gegenwarts-Revue. Mafiaboss Al Capone von 1931 wird in der Materialsammlung zur Produktion gezeigt, aber die Regiegedanken sind dann doch eher bei Donald Trump von 2019. 
Termine: Das hässliche Universum 16. und 17. Mai +++ Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui 8. und 9. Mai im Markgrafentheater.

GASTSPIEL: Aus der Kino-Klamotte, wahlweise mit ausgestopftem Busen für Heinz Rühmann oder Peter Alexander, kennt man den Herrn im schrillen Schreckschrauben-Outfit, aber als Operettenheld*in dürfte CHARLEYS TANTE den meisten Fans dieser moralisch übersichtlich bleibenden Travestie unbekannt sein. Ob es zum kleinen Käfig voller Narren reicht? Die Kammeroper München und ihr Komponist Ernst Fischer haben das Lustspiel zum Spartenwechsel geschubst und der Leichtgewichtsmeister Dominik Wilgenbus (Regie, Buch, Gesangstexte), für musikalische Heiterkeiten aller Art im Einsatz, formte daraus ein Tournee-Produkt.
Termin: 22. Mai im Markgrafentheater. 

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


THEATER FÜRTH 

PREMIERE: Wiedersehen mit Stefan Willi Wang und Nicola Lembach aus dem Nürnberger Kusenberg-Ensemble. Sie spielen im Ensemble von Noah Haidles 2017 uraufgeführter Tragikomödie FÜR IMMER SCHÖN, die als Eigenproduktion des Fürther Theaters unter der Regie von Maik Priebe (in Nürnberg brachte er u.a. Kerstin Spechts „Odysseus!“ heraus) im Spielplan auftaucht. Im Mittelpunkt eine ambulante Kosmetikverkäuferin, „Avon-Beraterin“ nannten das unsere Großeltern respektvoll. Im Dienste der Schönheit zieht sie von Tür zu Tür, stets fest im Glauben an die Weltordnung der gut gecremten Geschäfte, bis die Umsätze einbrechen und die eigene Makellosigkeit knittert. Doch die „Diktatur des positiven Denkens“ lässt sie nicht los. Der US-Amerikaner Noah Haidle, der schon für Hollywood schrieb und von sehr wohlmeinenden US-Kritikern mit Tschechow verglichen wird, weitet das tragikomische Portrait zum erheiterten Abgesang auf das Zeitalter des Neoliberalismus aus. So wird aus „Immer schön“ also beiläufig gleich noch „Schön wär´s“. 
Premiere: 4. Mai. Weitere Aufführungen 7., 8., 9., 10., 11., 12. Mai im Stadttheater Fürth.

GASTSPIEL: Aus Cardiff kommt die NATIONAL DANCE COMPANY WALES, der auf ihren weltweiten Tourneen das Kritikersiegel „klein, aber fein“ gern aufgestempelt wird. In der erfolgreichen Fürther Reihe internationaler Tanzgastspiele, die für fünf meist ausverkaufte Vorstellungen Stammpublikum aus ganz Süddeutschland anlockt, zeigt das artistische Ensemble mit Arbeiten von drei sehr unterschiedlich ansetzenden Choreographen sein Können. 
Wird bei „Folk“ von Ensemble-Chefin Caroline Finn mit Blick auf zwischenmenschliche Spannungen schwarzer Humor in Bewegung gesetzt, soll „Atalay“ von Mario Bermudez Gil die vielen Schatten eines Leuchtturms in der Wärme des Mittelmeers spiegeln und Marcos Moraus „Tundra“ von Verwerfungen der russischen Revolution zu Sowjet-Zeiten künden. Mehr Vielfalt geht gar nicht an einem Abend. 
Termine: 21. bis 25. Mai im Stadttheater Fürth.

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth 
stadttheater.fuerth.de




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