Theater Wegweiser Februar

DONNERSTAG, 1. FEBRUAR 2018

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Sieben Premieren und zwei dutzend Repertoire-Produktionen verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit: antike Grösse im Opernformat neben russischer Weltliteratur auf kleinster Bühne und legendäre Kriegsheimkehrer-Dramatik von 1945 im Blick von 2018 – dazu der ewig faszinierende Jugendwahn aus der Geheimratsecke: mit Mozarts „Idomeneo“, Tolstois „Auferstehung“, Borcherts „Draussen vor der Tür“ und Goethes „Werther“ schlägt das Staatstheater Nürnberg im Februar in drei Häusern einen gewaltigen Bogen über die Hochkultur.

Etwas leichtgewichtiger darf es dann aber auch sein – Elke Wollmann konstruiert in Nürnberg das Denkmal einer Chanson-Dreifaltigkeit, Jutta Czurda präsentiert ihr neues Song-Programm in Fürth. Und Grossraumpflege geht auch: Erlangen bietet zur laufenden Nürnberger Schmiedleitner-Fassung eine eigene Alternative von Ödön von Horvaths Jahrmarktsdrama „Kasimir und Karoline“.

DER FREIE FALL IN DIE EKSTASE ODER DAS LIED VOM TOD AM FASCHINGSDIENSTAG


STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE: Das dicke Buch fürs schmale Studio: Eine spezielle Nürnberger Dramatisierung von Leo Tolstois 1899 erschienenem Roman AUFERSTEHUNG reiht sich in den aktuellen Theatertrend ein, die gebundene Weltliteratur, zumal die russische, für ein Gedankenspiel ohne Grenzen aus der gedeckelten Enge zu befreien. Oder auszuschlachten. Drei Theaterfassungen gab es davon gleich nach dem Druck vor 118 Jahren, bis 2001 folgten fünf Verfilmungen. Inzwischen stürzen sich Theatermacher reihenweise auf Literaturrohstoff. Die aktuelle hausgemachte Version des breit angelegten Schicksals- und Gesellschaftsbilderbogens (von Regisseur Akin Isletme und Dramaturgin Friederike Engel), der die Läuterung durch moralisches Handeln beschreibt, schält einen Kern aus dem Geflecht verknoteter Nebenstränge. Der Fürst, der als Geschworener über eine Prostituierte richten soll, die er einst selbst verführte, hat sein Erweckungserlebnis: Er wird zum verspotteten Wohltäter der Gefallenen und wirbelt die Frage nach Gerechtigkeit und wahrer Moral hoch, entlarvt dabei die Unvollkommenheit des Rechtssystems. Fünf Schauspieler (Lilly Gropper, Ruth Macke, Martin Aselmann, Pius Maria Cüppers und Dimitri Wasserblaj, der immerhin Mitbegründer des „russischen Theaters in Nürnberg“ ist) müssen reichen für die Auswahl aus den hundert Personen im weiten Tolstoi-Kosmos. Ob sie die „Umkehr zu Gott“ als aktuelles Rezept für die Gegenwart empfehlen können, wird sich zeigen – mit der vom Autor propagierten „Liebe zu allen Geschöpfen“ wäre auch schon einiges erreicht.
Premiere: 9. Februar. Weitere Vorstellungen 13., 18., 20., 24. Februar, dann wieder 3. März. In der BlueBox.

PREMIERE: Dieser musikalische Geniestreich aus fernen Zeiten, der als sprödes Operndrama nach Antikenstoff das große Publikum in jüngerer Vergangenheit meist nur erreichen konnte, wenn etwa Luciano Pavarotti, Placido Domingo oder Ramon Vargas nach der Titelrolle griffen, ist der künstlerische Höhepunkt des Februar-Spielplans. Die Rezeptionsproblematik hat viel mit der vom genialen Komponisten aufgebrochenen, zunächst aber eben doch steifbeinig traditionellen Form des Stückes in der Mixtur aus Antikendrama und Opera seria zu tun, die den zeitgenössischen Regisseuren oft die Phantasie blockiert – sofern sie nicht wie Hans Neuenfels in Berlin das Ganze zur großen Herausforderung der Weltreligionen steigern und damit politischen Skandal provozieren. Aber was da in Arien und Chören steckt, ist Klang-Sonderklasse. Wolfgang Amadeus Mozarts IDOMENEO, wo laut gnadenloser Legende der König von Kreta nach göttlichem Ratschluss-Zufall den eigenen Sohn opfern soll, wurde zuletzt vor einem halben Jahrhundert in Nürnberg aufgeführt. Damals sang mit Sebastian Feiersinger der schwere Wagner-Tristan des Hauses. Seither haben Dirigenten wie Christof Prick vergeblich das überfällige lokale „Idomeneo“-Comeback vorgeschlagen, nun aber wird mit Übernahme einer bereits in Antwerpen erprobten Produktion des renommierten Reise-Regisseurs David Bösch (er hatte das Stück vorher auch schon in Basel inszeniert) sicheres Fundament geschaffen. Die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Mitmenschlichkeit ist 2018 unausweichlich akut. Für GMD Marcus Bosch bringt das in jeder Hinsicht anspruchsvolle Projekt die vorletzte Premiere vor Ort. Die Sängerbesetzung kann man als experimentierfreudig bezeichnen: Der jugendliche, auch vokal schlanke Ilker Arcayürek wechselt direkt von Puccinis „La Bohéme“-Emotionen zu Mozart-Melancholie, die unterschiedlich gewichtigen Sopranistinnen Leah Gordon und Isabel Blechschmidt alternieren als dynamische Sopran-Elettra.
Premiere: 17. Februar. Weitere Vorstellungen am 21. Februar, dann wieder 4. und 11. März im Opernhaus.

PREMIERE: Es gibt kein vergleichbares Drama der Nachkriegsliteratur, das in Nürnberg zumindest dem Gefühl nach so beharrlich immer wieder in den Spielplan geholt wird wie Wolfgang Borcherts beklemmende Kriegsheimkehrertragödie DRAUSSEN VOR DER TÜR, die aus dem Grauen der eigenen Not entstand. Gerade mal 24 Jahre alt und schwer krank war der Autor bei Kriegsende, mit 26 verhungerte er. Der von ihm beschriebene Soldat Beckmann mit der Notbrille, der statt dem ersehnten Zuhause eine fremd gewordene Welt vorfindet, wurde zur Symbolfigur zertrümmerter Hoffnungen der Schreckensjahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Was einst durch die nahe Erfahrung erschütterte und dann im Jahrzehnttakt immer weiter von der dokumentierten Erinnerung zur poetischen Distanzierung entrückte, wird beim gerne zuspitzenden Regisseur Sascha Hawemann (er ließ zuletzt Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ in einer Kleiderkammer mit Kostümwechseln von der Stange zelebrieren) wohl an der Aktualität gemessen. Zu Zeiten, da rechtslastige Bundestagspolitiker plötzlich wieder vom rückwirkenden „Stolz auf den deutschen Soldaten“ faseln, bekommt der Text jedenfalls neue Schärfe. Auf der Besetzungsliste u.a. Stefan Willi Wang und Stefan Lorch.
Premiere: 24. Februar. Weitere Vorstellungen am 25. Februar, dann wieder 3. und 10. März im Schauspielhaus.

PREMIERE: „Alle reden vom Werther“, kalauerte einst die Nürnberger Dramaturgie frei nach der damaligen winterlichen Bundesbahn-Werbung für angeblich wetterfeste Fernreisen auf ihren Plakaten zur Produktion der realsozialistischen Goethe-Adaption „Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf aus der DDR. Die „Werther“-Oper von Massenet hatten wir inzwischen auch schon. Riesig war der überregionale Erfolg zwischen Berlin und Hamburg des multimedialen „Werther“, den das Gostner über zehn Jahre mit TV-Star Philipp Hochmair im Gastspielprogramm hielt. Jetzt geht es, in der spontan in eine Spielplanlücke geschobenen Neuinszenierung, wieder nicht nur ums Original, so wie es in Erlangen mit dem noch für diese Rolle anreisenden Mario Neumann schon im dritten Jahr für volles Haus sorgt, sondern um die nächste Variante. Der Nürnberger Titel von 2018 ist „nach Goethe“ und medial neu aufgerüstet in die Gegenwart verlängert: LIEBEN. LEIDEN. WERTHER. Da ist alles drin! Dennoch bleibt es beim Solo. Jung-Mime Janco Lamprecht spielt in Regie von Markus Hoppe.
Premiere: 23. Februar, dann wieder ab 4. März. In der BlueBox.

PREMIERENFRISCH: Seine Spezialität des Hörspieltheaters hat in Nürnberg schon zu wunderlich schönen Begegnungen mit Winnetou und den Nibelungen geführt, aber jetzt geriet Eike Hannemann in den Sog des Gruselkinos. Maßgeschneiderte Gänsehaut couture. Das Projekt NEKROPOLIS ist Fragment einer vielteiligen Performance an mehreren deutschsprachigen Bühnen, und in der BlueBox werden die Geister nach Nürnberg gerufen, die einst in düsterer Gesellschaft durch die Nacht der reitenden Leichen galoppierten. Die Zuschauer, hört man, sind wechselweise begeistert und ratlos. ++ Autor Joel Pommerat, selber auch aktiv als Schauspieler und Regisseur, gilt daheim in Frankreich als Bestseller auf Augenhöhe mit Yasmina Reza. Seine Tragikomödie DIE WIEDERVEREINIGUNG DER BEIDEN KOREAS, ein Miniaturenmobile mit 20 Sketchen von denkbar unterschiedlichstem Gewicht, schwebt durch die unabweisbare Weisheit, dass es halt schwer ist mit der Liebe. Ein Schnitzler-„Reigen“ aus der literarischen Federgewichtsklasse im Beziehungskistengehege. Klaus Kusenberg setzt mit dieser Inszenierung seinen Schlusspunkt als Regisseur nach 18 Spielzeiten am Richard-Wagner-Platz und lässt nochmal Teile seines Ensembles, auf das er so stolz ist, Schokoladenseiten zeigen (siehe auch Kommentar auf Seite 58). Adeline Schebesch, Michael Hochstrasser, Josephine Köhler und Heimo Essl fallen im Team besonders auf. ++ Und auch das vorletzte Kusenberg-Projekt kursiert weiter im Spielplan: Alistair Beatons ABGEFRACKT, eine eher nach Fernsehspiel-Maßen gestrickte Gegenwartsgeschichte um Umweltbedrohung und Bürgerprotest, vom britischen Bedeutungsboulevard zur deutschen Erstaufführung geholt und schon vom Autor besser gemeint als gemacht. Unterhaltung mit viel Haltung, immerhin. Als Silvestervorstellung war das dem vergnügungsoffenen Publikum nicht ganz geheuer, aber im Alltag gelten andere Regeln.
Termine: „Nekropolis“ (15.2., 16.2., 28.2. in der BlueBox) ++ „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ (3.2., 15.2., 28.2. im Schauspielhaus) ++ „Abgefrackt“ (5.2., 10.2. im Schauspielhaus).

BESTSELLER: Im Opernhaus drängen sich zwei Sonntagsdoppelvorstellungen der jubelnd aufgenommenen Show-Revue THE LIGHTS OF BROADWAY auf. Das Quartett aus Gaststars, das im letzten Jahrzehnt die Ausleseserie der Musical-Oldie-Produktionen stabilisierte, durfte – verstärkt von den fortgeschritten tanzenden Musical-Azubis der Münchner Everding-Akademie – zum Finale dieses lamettasilbrig schimmernden Spielplanschwerpunkts der Intendanz-Ära Peter Theiler eine Hitparade nach eigenem Geschmack basteln. Unter Anleitung des einst als Musical-Entwicklungshelfer aus den USA nach Deutschland gekommenen Gaines Hall (Idee, Regie und steppender Protagonist) sind ins Mitswing-Tableau neben den Wiedergängern auch bestens bekannte Shownummern von Stücken integriert, die es als Ganzes nie ins Opernhaus-Programm schafften: „Cabaret“, „Caroussel“, „Der Kuss der Spinnenfrau“, „Chicago“ beispielsweise. Aber den „Mann von La Mancha“ und „Kiss me, Kate“ kannten wir ja schon vorher von je drei kompletten Eigenproduktionen. Doch hier geht es eh nicht um die Stücke, hier geht es um Ohrwürmer, um Songs, die wie eine Cremeschnittchen-Pyramide hochgestapelt sind, es jedoch leider nie zum Ausbruch einer entspannenden Tortenschlacht schaffen. ++ Welche Spielplanzukunft man für Franz Lehárs Ohrwurm-Operette DIE LUSTIGE WITWE in dieser durchgekalauerten Klischee-Inszenierung mit mittelprächtiger Besetzung wünschen soll? Geschmackssache! Mal singt sich in der reizvoll umschnulzten Titelpartie die Eliza aus „My Fair Lady“ aus der Soubretten-Abteilung ins Diva-Fach hoch, dann klettert in der anderen Besetzung die „Götterdämmerung“-Sieglinde aus der Wagner-Hochdramatik zum Trällern abwärts. Alternativlos ist im Opernhaus gar nix. Drumherum neben Ludwig Mittelhammer als unbekümmert jungen Danilo mit stabiler Bariton-Röhre allerlei „Passt schon ungefähr“-Sänger. Auch hier die sichere Hand für alle Fälle am Pult: Guido Johannes Rumstadt. ++ Der herrschende Spielplanmanager vom Opernhaus kennt offenbar keinen Spaß: Sogar am Faschingsdienstag, wo früher das örtliche Prinzenpaar samt Garde und „Ahaaa“-Intermezzo in die Vorstellung einzog, muss anno 2018 tatsächlich CARMEN in Nürnberg sterben. Ohne Pappnase! Roswitha Christina Müller, die wir als Wotans Göttergattin im Wagner-„Ring“ sahen, singt in dieser Serie die begehrte Titelpartie, Antonio Yang und Jochen Kupfer wechseln als schneidiger Torero Escamillo ab. ++ Das Schauspielhaus hat mit Ödön von Horváths Beziehungsdrama mit Volksfestkulisse KASIMIR UND KAROLINE, der dann letzten, noch verbleibenden Spur des für hiesige Verhältnisse denn doch unter „Regie-Titan“ einzuordnenden Georg Schmiedleitner im Spielplan, im Segment der anspruchsvollen Titel den relativ besten Lauf. Stefan Willi Wang und Josephine Köhler, das Vorzugspaar der letzten Jahre, sind im Dienst. ++ In den Kammerspielen steht Max Frischs BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER in der sanften Dekonstruktionsregie von Christoph Mehler, die aus dem etwas mürbe gewordenen „Lehrstück ohne Lehre“ eine aufregende Wortoper macht, weiter zur Debatte. ++ Ebenso das glänzend umgesetzte Dialog-Drama GIFT – EINE EHEGESCHICHTE mit Adeline Schebesch und Michael Hochstrasser, das die Psychologie der Seitenblicke für Zuschauer zum Nervenkitzel macht. ++ Auf der breiten Kammerspiel-Bühne sind auch zwei Nürnberger Dauerläufer in Einzelvorstellungen wieder da: Pius Maria Cüppers mit dem wunderbar süffisanten Entertainer-Solo EVENT, wo souverän heiter mit den Erwartungen des Publikums jongliert wird, und frei nach Hitchcock-Drehbuch die Krimi-Comedy DIE 39 STUFEN, die es als Nürnberger Modell-Gastspiel mit dem Quartett Nicola Lembach/Pius Maria Cüppers/Michael Hochstrasser/Stefan Willi Wang inzwischen bis nach Peking schaffte. ++ An der Spitze der Lachnummern bleibt die einst im Kölner Karneval entstandene Sprachfehlerklamotte PENSION SCHÖLLER, weil sie trotz einiger klemmender Regie-Ambitionen der sonst zu Höherem berufenen Bernadette Sonnenbichler genügend Komödiantenpotenzial für umwerfende Juxmomente bietet.
Termine: „The Lights of Broadway” (11. und 25. Februar, jeweils 15.30 und 19.30 Uhr  im Opernhaus) ++ „Die Lustige Witwe“ (1., 3., 16., 18., 24. Februar im Opernhaus) ++ „Carmen“ (4., 13., 19. Februar im Opernhaus) ++ „Kasimir und Karoline“ (4., 6., 27. Februar im Schauspielhaus) ++ „Pension Schöller“ (7., 17. Februar im Schauspielhaus) ++ „Gift – Eine Ehegeschichte“ (2., 14., 23. Februar in den Kammerspielen) ++ „Biedermann und die Brandstifter“ (11., 19. Februar in den Kammerspielen) ++ „Die 39 Stufen“ (10. Februar in den Kammerspielen) ++ „Event“ (28. Februar in den Kammerspielen).

ZUGABE: Nachdem eine komplette Uraufführung wegen Erkrankungen im Ensemble gestrichen wurde, ist Platz geworden im Spielplan. Qualifizierte Lückenbüßer sind herzlich willkommen: BILLIE, EDITH UND MARLENE rücken auf. Mit ihrer Hommage an Edith Piaf (im März wieder zu sehen) hatten Pianistin Béatrice Kahl und die singende Schauspielerin Elke Wollmann schon großen Erfolg, vor acht Jahren spielte „die Wollmann“ im Theaterstück „Piaf“ den hinreißend unkonventionellen „Spatz von Paris“ und war dabei der Inszenierung des danach aus Nürnberg leider völlig verschwundenen Peter Hathazy überlegen. Jetzt kündigt das Duo aus Stimme und Klavier eine „Liebeserklärung an drei große Frauen der Musikgeschichte“ an, was nicht unbedingt ein Theaterstück verspricht, aber eine exklusive Begegnung mit dem paradiesischen Triumvirat von Billie Holiday, Marlene Dietrich und Edith Piaf.
Termine: 3. und 17. Februar in den Kammerspielen.

LETZTER AUFRUF: Hund und Katze nehmen Abschied. Endgültig ist es bei Georg Schmiedleitners Inszenierung von Tennessee Williams‘ immer noch modern wirkendem Klassiker DIE KATZE AUF DEM HEISSEN BLECHDACH (mit Josephine Köhler und Stefan Willi Wang), während DÜRER‘S DOG, Goyo Monteros halbabstraktes Tanztheater frei nach Inspirationen aus Albrecht Dürers Werken samt einem tierisch ernst aus dem Rahmen blickenden Hund, nächste Saison sicher wieder aus der Hütte kommen wird. ++ Bei der Produktion von Verdis OTHELLO, die nach fünf Jahren ihre zweite Runde erlebt, kann man wegen der anstehenden Neubesetzungen mit David Yim (Titelrolle) und Katrin Adel (Desdemona) neben dem Wiederkehrer aus dem Premierenensemble Mikolaj Zalasinski (Jago) vielleicht neue Eindrücke gewinnen. Am Pult wechseln Guido Johannes Rumstadt (10.2. und 23.2.) und GMD Marcus Bosch (2.2.).  
Termine: „Othello“ (2., 10., 23. Februar im Opernhaus) ++ „Dürer‘s Dog“ (9. Februar im Opernhaus) ++ „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (1., 16. Februar im Schauspielhaus).

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

Terroralarm am Flughafen, alles wird geräumt, nur drei vergessene Frauen auf der Damentoilette erleben ihr spezielles Glückstrauma. Das Erlebnis beschert ihnen ein unerwartetes Gemeinschaftsgefühl, sie treten fortan als freundliches Terroristinnen-Trio für Überlebenssimulation in Supermärkten und Discos auf. Laura Naumanns DEMUT VOR DEINEN TATEN BABY fragt, wie lange eine Welt mit dieser Art von positivem Denken wohl funktionieren mag. Julia Heil, Rebecca Kirchmann und Christine Mertens spielen in dieser freien Produktion des „kurort badstraße 8 e.V. Fürth“.
Termine: 15., 16., 17. Februar im Gostner.

LETZTER AUFRUF: Sogenannte „dicke Freunde“, die über viele Jahre ihrer Jugend das Leben wie ein kollektives Abenteuer bewältigten – und nun den tastenden Schritt in die Verantwortung, der jeden in eine andere Richtung führt, im Alleingang versuchen müssen. Elisabeth Steinkellners preisgekrönter Roman RABENSOMMER taucht voller Sympathie hinein in die aufschäumenden Konflikte, die da unvermeidlich sind. Am Gostner, wo ja spätestens seit der Gründung des „licht.blicke“-Festivals das „junge Publikum“ dauerhaft im Blickfeld ist, hat Gisela Hoffmann eine Theaterfassung über diesen in vieler Hinsicht „letzten Sommer“ der verrinnenden Freiheit geschaffen, hinter deren Ende schemenhaft neue Welten erstehen. Mit Johanna Steinhauser, Christin Wehner, Denis Geyersbach und David Schirmer inszenierte Silke Würzberger – für Zuschauer ab 16 und ihr bedingt erziehungsberechtigtes Begleitpersonal.
Termine: 1., 2., 3., 4., 7., 8., 9. Februar im Gostner.

GASTSPIEL: Der Erzengel aus dem Vorzimmer vom lieben Gott landet zur zweiten Serie erneut im theologischen Gleitflug zum Beichtgespräch in Nürnberg. Satiriker und Schauspieler Sigi Zimmerschied, der jedem ätzenden Wort verpackungskünstlerisch die adäquate Mimik überstülpt und dessen scharfkantigen Rundschläge längst in die Sonderklassenkategorie des Kabarett-Theaters dicht neben Josef Hader gehören, lädt in DER SIEBTE TAG die Zuschauer zum eigenwilligen Gottesbeweis ohne Verfallsgarantie. Der unsichtbare Allerhöchste, den die Weltlage zunehmend ärgert, wird von seinem allgegenwärtigen Geschäftsführer mit Fake & News versorgt, dass es einem himmelangst vor Lachen wird. Wir sind Zeugen – auch davon, dass Zimmerschied in Bestform ist.
Termine: 28. Februar sowie 1., 2., 3. März im Gostner.

GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nürnberg
gostner.de


TAFELHALLE

PREMIERE: Ist es Tanz, ist es Theater, ist es Performance, ist es Philosophie? Wenn es um die Nürnberger Serie PLAN MEE geht, kann man da nur mit „Ja!“ antworten. Die neueste Kreation duckt sich unter dem Titel EAT THE FLOOR – A CONTEMPORARY CEREMONY, der dem Publikum schon mal was zum Knacken gibt. Dem Alltag entfliehen und „den freien Fall erleben“, empfiehlt Tanztheatermacherin Eva Borrmann („Swipe“, „Spring Break“, „Shell Shocker“) mit diesem Angebot ihrer ambitionierten Reihe in Tafelhallen-Kooperation und bietet Dienste als Zeremonienmeisterin an der Spitze eines Tänzerinnen-Ensembles. Motto: Alle Sinne auskosten – auf der Suche nach neuer Körperlichkeit. Was Rockkonzerte oder Kickerorgien an körperlichen Grenzerfahrungen „bis hin zu Ekstase und Transformation“ auslösen, soll hier zum Konzentrat werden. Denn: „Wir spüren uns selbst, wenn wir brüllen, prügeln, im Kollektiv tanzen“. So bedrohlich wie tröstlich die choreographische Entwarnung: „Spiel und Ernst sind dabei oft nicht mehr auseinanderzuhalten“. Wer am Ende der Vorstellungsserie selber mal beherzt einsteigen will, ist zur Special-Zugabe vom Punker-Rempeltanz Pogo eingeladen. Eva Borrmann untersucht so oder so „den politisch, kulturell und sozial geformten Körper“. Die etwas andere Art von FKK.
Premiere: 1. Februar. Weitere Vorstellungen 2., 3., 8., 9. Februar in der Tafelhalle.

LETZTER AUFRUF: Für zwei letzte Vorstellungen zeigt der von seinen Fans hoch eingeschätzte Regisseur Barish Karademir seine Sicht auf Alexandra Badeas Collagen-Stück ZERSPLITTERT. Drei Tänzerinnen und vier SchauspielerInnen forschen nach Auswirkungen von Überwachung und Globalisierung. Vier Menschen auf drei Kontinenten als Krisenmodellfälle: „Schneller, höher, weiter – bis das System zusammenbricht“. Karademir, der zuletzt mit der Deutschlandpremiere von Falk Richters „Je suis Fassbinder“ in der Tafelhalle und dem international beachteten Stück „Geächtet“ von Ayad Akhtar im Stadttheater Fürth zwei große Produktionen zur Diskussion stellte, überwindet erneut mit Tanz, Wort, Spiel, Video und Klang die Spartengrenzen.
Termine: 21. und 22. Februar in der Tafelhalle.

GASTSPIELE: Jeweils nur für einen Abend in Nürnberg und dabei (mal mit rockig tönender Musik, mal mit vielsagend stummen Worten) dicht an der Grenze zum Theater auftrumpfend. Das Duo OHNE ROLF, vor Jahren eine bestaunte Entdeckung des Nürnberger Burgtheaters, wird mit seiner Sketch-Dramatik aus Plakatdialogen überall gefeiert. Nach kreativer Pause ist Comeback mit dem Programm SEITENWECHSEL (23. Februar). Und wer die britischen TIGER LILLIES, die mit Dutzenden Konzeptalben zwischen Brecht/Weill und Edgar Allan Poe, aber auch Hamlet und Lulu vagabundieren, nur aus ihrer Musical-Fassung des „Struwwelpeter“ kennt (ihr phonstarker Büchner-„Woyzeck“ wurde hier ja leider nie inszeniert), kann in der Bühnenshow DEVIL‘S FAIRGROUND neueste Entwicklungen in der grellen Verbrüderung von Effekt und Affekt entdecken. Auf der Hängebrücke zwischen Theatermaskerade und Soundspektakel (28. Februar).

TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de


KÜNSTLERHAUS

COMEBACK: Tristan Vogt von Thalias Kompagnons bittet zu Tisch. Zum Spieltisch natürlich. Es sind kleine, handliche Figuren, die er dort dem mächtigen Schicksal entgegen schiebt, wenn er auf intimer Bühnenfläche ein Mirakel der Weltliteratur erblühen lässt. Bei der Premiere von  KAFKAS SCHLOSS – EIN MACHTSPIELCHEN verblüffte auch, wieviel groteske Komödie im Text des genialen Melancholikers Franz Kafka zu entdecken war. Was in kolossalen Verfilmungen nicht funktionierte, findet in der Kleinkunst des Puppenspiels wie selbstverständlich zur Wahrheit des Absurden, einer auf die Spitze getriebenen Umarmung von Verzweiflung und Verzückung. Eine der besonderen Produktionen aus dem großen Repertoire der Kompagnons kommt zurück.
Termine: 21., 22. und 23. Februar im Künstlerhaus (KunstKulturQuartier).

KUNSTKULTURQUARTIER
Königstr. 93, Nbg
kunstkulturquartier.de


THEATER ERLANGEN

PREMIERE: In Nürnberg steht Georg Schmiedleitners kontrovers diskutierte Inszenierung weiter auf dem Spielplan, da zieht das Erlanger Theater mit einer eigenen Produktion von Horváths KASIMIR UND KAROLINE nach. Vielleicht ein interessanter Vergleich? Regisseurin Mirja Biel will beweisen, dass das „ironische Sittengemälde vor dem Hintergrund des heraufdämmernden Faschismus“, das am Oktoberfest die Welt im Taumel von Konsumgier und Karrieretraum zeigt, auch 85 Jahre nach der Uraufführung „taufrisch“ ist. 1932 reimte sich demnach Theresienwiese auf Weltwirtschaftskrise, aber was mag heute der passende Gegenbegriff sein? Da hatte die Nürnberger Aufführung viele Fragen offen gelassen.
Premiere: 22. Februar. Weitere Termine 2. und 3. März im Markgrafentheater.

PREMIERENFRISCH: Als Spezialist des Dokumentartheaters ist Hans-Werner Kroesinger zwar seit vielen Jahren (und mit offenbar unbegrenzbaren Themen) unterwegs, aber als großer Durchbruch galt im Vorjahr die Einladung an ihn zum Berliner Theatertreffen, was seinen Marktwert unter Kulturmanagern rasant erhöhte. Da hatte ihn die Erlanger Intendantin Katja Ott bereits engagiert – für das Projekt #MEINUNGSMACHER – DU BIST DAS PRODUKT. Die Uraufführung stellt den „gesunden, analogen Menschenverstand“ gegen die Macht der sozialen Medien. Sechs Personen suchen den Fluchtweg zwischen Facebook und Twitter.
Termine: 7. und 8. Februar, dann wieder 11. und 12. März im Markgrafentheater.

SCHMANKERL I: Als Mobilmachung des gesunden Menschenverstands passt Sibylle Bergs spitzzüngiges Lamento VIEL GUT ESSEN sowieso gut zum Kroesinger-„Meinungsmacher“ – und ist natürlich gleichzeitig das Gegenteil davon. Da soll, während das perfekte Leben wie ein Luftballon platzt, wortreich mit kulinarischer Abstützung eine zerrüttete Ehe gerettet werden. Darf‘s denn noch ein bisschen mehr sein? Die Schärfe der Texte ist auch Würze fürs Menü, denn die Inszenierung von Katrin Lindner beginnt (als Angebot) schon zwei Stunden vor dem ersten Bühnenwort an der Speisekarte im Theatercafé. Gesättigt stellt sich der Besucher sodann mit den Schauspielern der Krise.

SCHMANKERL II: Im Salzkammergut, da kammer gut LUSTIG sein – und zwar Holldrio! Die Revue-Operette vom „Weißen Rössl am Wolfgangsee“ wird zwar auch auf großer Bühne wieder gespielt, aber den größten Erfolg hat der Schmäh als Kleinkunst-Feuerwerk, seit ihn die Geschwister Pfister für Berlin wiederentdeckten. Der Frankfurter Kabarettist Michael Quast, der schon früher auf seine Weise Musiktheater aller Art effektvoll zerkleinerte, lässt das für circa hundert Personen geschriebene Singspiel gesundschrumpfen: IM WEISSEN RÖSSL A TROIS. Der Dreisprung durch Kalauer-Dickicht und Ohrwurm-Oasen verspricht eine ganze Welt in himmelblau.

SCHMANKERL III: Die erste Girl-Band der Popgeschichte feiert in Franken Auferstehung. SISTERS OF SWING vom Theater Hof, das sich in den letzten Jahren einen soliden Ruf als Show-Werkstatt erworben hat. Ob die biografischen Details der Andrew Sisters stimmen, ist eine nachgeordnete Frage. Wichtiger scheint, dass Hits wie „Bei mir bist du schön“ oder „Rum and Coca-Cola“ stilsicher in swingendem Tonfall und raschelnden Kostümen umgesetzt werden. Da ist das Hofer Publikum absolut sicher.
Termine: „Sisters of Swing“ am 4. Februar im Markgrafentheater ++ „Viel gut essen“ am 24., 25., 28. Februar in Theater-Café und Garage. ++ „Im weißen Rössl à trois“ am 25. Februar im Markgrafentheater.

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


STADTTHEATER FÜRTH

PREMIERE: Die diversen Song- & Chansonprogramme von Jutta Czurda, die einst für ihren großen Brecht-Abend sogar einen Bayerischen Theaterpreis bekam, gehören längst zur Programmatik des Fürther Spielplans. Klein und fein sind sie am allerbesten, wer würde sich nicht mit freudigem Schaudern an die heitere Todessehnsucht des abgründigen Auftritts „Wenn ick mal tot bin“ mit Piano- und Schunkel-Begleiter Heinrich J. Hartl im Nachtschwärmer-Foyer erinnern. Dort oben, wo die Nostalgie ein verschnörkeltes Treibhäuschen hat, wird nachgelegt mit einem Programm für „Genießer, Melancholiker, Liebende“: DANCE ME TO THE END OF LOVE. Feine, sanfte Lieder, Balladen und Chansons, eine Mischung aus Cohen, Greco und Tom Waits. Musikalisch von Norbert Nagel und Andreas Blüml sowie Christoph Huber als Gast begleitet. Kerzenschein und ein Glas Wein (oder zwei) flankieren die nächtliche Seelenwanderung.
Premiere: 3. Februar, dann wieder 9. und 10. März jeweils 22 Uhr.

GASTSPIEL: Nachschlag für Brecht: Nach der eigenen Inszenierung der „Mutter Courage“ ergänzt das Fürther Theater mit dem Tournee-Gastspiel der sieben Jahre später, 1948 entstandenen Modellparabel DER KAUKASISCHE KREIDEKREIS. Die Magd Grusche rettet ein verlassenes Baby und soll es wieder abgeben, weil es für die Eltern ein Erbe bringt. Da greift der berüchtigte Freistiljurist vom Lande mit seinem Gerechtigkeitsbauchgefühl ein. Erst kürzlich wurde der einst sogar auf Freilichtbühnen vielgespielte, dann zeitweise fast vergessene Brecht-Klassiker beim Neustart des Berliner Ensembles wieder in den Kreislauf der Vorzugstitel zurückgeholt. Der große Theatermacher Peter Bause, der von Wallenstein über Lear bis zum singenden „Anatevka“-Tevje nichts ausließ („Man stirbt doch nicht im dritten Akt“ ist der Titel seiner Erinnerungen) und zu DDR-Zeiten Ensemblemitglied im legendären Theater am Schiffbauerdamm der Brecht-Familie war, führt Regie der mobilen Produktion und spielt selber die Rollen des Erzählers und von Dorfrichter Azdak. An der Spitze eines großen Ensembles, das von Clemens Winter am Knopfakkordeon musikalisch durch Paul Dessaus unverwüstliche Songs geleitet wird.
Termine: 15. und 16. Februar im Fürther Theater.

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de


THEATER SALZ UND PFEFFER NÜRNBERG

WIEDER DA: Zwei verrückte Komödien, die auf der großen Theaterbühne viel Erfolg hatten, machen weiterhin Zweitkarriere im AusleseAbendprogramm am Plärrer. Mit der neueren Produktion MR. PILKS IRRENHAUS (23. und 24. Februar) des britischen Komik-Virtuosen und Aberwitzbolds Ken Campbell und dem bewährten Moliére-Klassiker DER EINGEBILDETE KRANKE mit dem bedrohlich geschnitzten Gesicht von Klaus Kinski (16. und 18. Februar) holt das Theater Salz und Pfeffer die Erwachsenen ins Puppentheater. Grelle Masken zu schlagkräftigen Dialogen.

THEATER SALZ UND PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
salzundpfeffer-theater.de


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FÜR CURT: DIETER STOLL, Theaterkritiker und langjähriger Ressortleiter „Kultur“ bei der AZ.
Als Dieter Stoll nach 35 Jahren als Kulturressortleiter der Abendzeitung und Theater-Kritiker für alle Sparten in den Ruhestand ging, gab es die AZ noch. Seither schreibt er weiterhin, zum Beispiel überregional für Die Deutsche Bühne und ddb-online (Sitz Köln) sowie für nachtkritik.de (Sitz Berlin). Außerdem veröffentlicht er monatlich im Straßenkreuzer seinen Theatertipp. Aber am meisten dürfen wir uns über Dieter Stoll freuen. DANKE!

 




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