Ulla Suspekt: Das Gehirn in Musik übersetzt
#Konzerte, #Lokale Mukker, #Musik, #Tour, #Ulla Suspekt
Mit „Zappy Duster“ ist der Nürnberger Künstlerin Ulla Suspekt ein wirklich aufregendes Album gelungen. Im Interview erzählt sie uns vom Entstehungsprozess, dem Status Quo der NNDW, aber auch ihre Sicht auf die hiesige Szene und was in Sachen Kultur nicht so perfekt läuft in der Bratwurstmetropole.
TOMMY: Hallo Ulla, dein Album ist seit circa vier Wochen am Start. Wie fühlt es sich an?
ULLA: Endlich! Ich habe ein paar Sachen gesagt, die ich schon länger sagen wollte. Das Album ist etwas persönlicher und auch peinlicher als der letzte Release. Ich hatte etwas Angst, dass ich auf den ein oder anderen Song inhaltlich angesprochen werde – aber zum Glück bisher nicht. Das bedeutet, ich kann weiterhin so viel Quatsch machen, wie ich will. Ich bin erleichtert!
Seit wann gibt Ulla Suspekt? Und hattest du vorher andere musikalische Projekte?
Ulla Suspekt gibt es seit 2023. Beziehungsweise habe ich vorher schon Songs geschrieben just for fun, aber erst später veröffentlicht. Als ich 2023 meine ersten Singles released hatte, war mir noch nicht so ganz klar, wie ich diese live performen soll. Da ich mich aber irgendwie live schon sehr am E-Bass sehe und mit analogen Instrumenten außerhalb von Ableton-Projekten, wollte ich unbedingt eine Band haben. Und habe deswegen eine gegründet. Bis heute ist und bleibt es ein Fragezeichen, ob wir meine Produktion 1:1 einfach reproduzieren sollen oder lieber einen eigenen Sound kreieren als Band. So gesehen ist Ulla Suspekt ein zweigeteiltes Projekt, da wir als Liveband die Tracks meistens schon noch ziemlich ändern. An der Akademie der bildenden Künste arbeite ich auch noch viel mit Sound. Soundinstallationen, Videoarbeiten. Soundperformance: Dies ist ein wichtiger Teil der Ulla-Suspekt-Konzerte. Die Sound-Licht-Performance beginnt immer am Anfang jedes Konzertes, damit alle erstmal wach werden. Bei einem Auftritt im JUZ in Mannheim musste einmal leider die Anlage daran glauben …(tut mir Leid!) Seit 2021 Taxi Lotta. Das ist ein Duo mit mir und LiÆN. Für dieses Projekt mache ich vor allem viel Producing, der Sound ist viel elektronischer und poppiger. Dadurch, dass Liane wunderschön drübersingt, kann ich mich voll und ganz den Instrumentals und der Produktion widmen. Ich habe durch dieses Projekt viel über Producing gelernt. Und auch die ersten Konzerte hier gespielt. Da ich Bassistin bin, habe ich für ein, zwei Projekte ab und zu ausgeholfen in Bands, die aber nicht meine eigenen Projekte sind. Ich würde eigentlich sehr gerne in anderen Projekten „einfach nur“ Bass spielen.
Das NNDW-Ding ist ja schon eine gewisse Zeit „around“ (böse Zungen behaupten, es sei schon durch). Deinen Sound allerdings nur darauf zu reduzieren würde selbigen nicht gerecht werden. Woher kommt deine musikalische Inspiration?
Ich glaube, ich bin vor allem Fan von Artists, die komplett ihren eigenen Sound fahren. Ich bewundere das sehr, wenn Leute ihren Sound gefunden haben und ihren Stiefel durchziehen – das inspiriert mich sehr. Das mit dem NNDW-Ding: Da kann ich den bösen Zungen nur zustimmen. Ich selber habe auch nicht mehr sooo Lust auf den typischen NNDW-Sound, weil ich auch fühle, dass es vorbei ist. Sobald etwas overhyped oder massentauglich wird und alle darüber herfallen, verliert es logischerweise ja auch irgendwie seinen Reiz. Mein Ziel war es, mit meinem Album die ganze Sache weiterzuspinnen: Welche Genres kann ich miteinander verbinden, ohne den roten Faden zu verlieren? Außerdem bin ich ja aktuell noch im Kunststudium und habe meine musikalische Ausbildung gerade mal seit zwei Wochen hinter mir. Ich stelle mir ständig die Frage, wie man innovativ sein kann in der Musik, an was man noch experimentieren kann und wo man sich noch weiterentwickeln könnte. Ich sehe das Musikmachen als Versuch, sich zu 100% zu exposen. Ich glaube, wenn man eine 100 prozentige Übersetzung vom Gehirn zur Musikproduktion herstellt, hat man es geschafft.
Erzähl doch ein wenig vom Entstehungsprozess deines Albums. Schreibst du die Stücke alleine oder im Kollektiv? Wer produziert und nimmt auf?
Ich schreibe die Songs alleine, ich produziere, ich spiele die Instrumentals ein. In meinem adhs-Gehirn tummeln sich alle Gedanken und Stimmen zusammen. Meistens hört man auch Dialoge und Sprechgesang in den Tracks. Dies sind erlebte Situationen, soziale Konflikte, innere Konflikte. Alle Stimm- Synthesizer bzw. Soundspuren unterstützen diese Konflikte. Ich bin sehr froh, dass ich da jeden Ton selber entscheide, weil nur so die Tracks meine Gedanken reproduzieren können. Aber ich frage auch oft Freunde um Hilfe bei Soundfragen. Danke hier an Bertram Bergner, Ben Albersdörfer, der gemeinsam auch ein paar Tracks coproduced hat.
Zu einem Album gehört ja meist eine Tour. Wie sehen deine Pläne diesbezüglich aus?
Im September gehen wir auf Tour mit Shirts und Tapes. Nürnberg ist die Release-Show im Softspot am 25.09., da freue ich mich drauf. Letztes Jahr war das ausverkauft.
Dein Album trägt den Titel “Zappy Duster“. Einfach nur ein Wortspiel, oder gibt es eine Geschichte dahinter?
Der Hintergrund von dem Album-Namen liegt bei dem letzten Track „Zappy Duster“. Und zwar habe ich damals ein transkribiertes Stück von Frank Zappy (Peches en Regalia) unter die Lupe genommen und Teile des Stückes über Midi von meinen Synthies abspielen lassen. So ist der Track „Zappy Duster“ entstanden. Ich habe dann das ganze Album so genannt. Denn genau das sind die Tracks: 50 % cute: „Zappy“. Plus 50 % „Psychose: „Duster“ = Zappy Duster
Die Zeiten sind, vorsichtig formuliert, verstörend. Sollten bzw. müssen Künstler:innen inhaltlich darauf reagieren?
Ein Künstler oder eine Künstlerin macht nichts anderes, als reproduzieren. Tut mir leid, wenn ich so absolut bin, aber ich sehe das so. Künstler:iInnen, die nicht auf verstörende Zeiten reagieren, sind wohl absolut desinteressiert oder desillusioniert. Künstler:innen die nur über Liebessongs singen sind für mich keine Künstler:innen, sondern Musiker, die erfolgreich sein wollen mit ihrer Musik. Aber ich werde auf niemanden mit dem Finger zeigen. Es darf ja auch ein künstlerisches Konzept sein, wenn man inhaltlich z.B. nur über Pizzasorten singt und andere Themen meidet.
Wie siehst du die musikalische Szene Nürnbergs?
Ein wunder Punkt für mich, dieses Thema. Musiker:innen sind extrem schlecht vernetzt in Nürnberg. Ich habe mich schon sehr oft gefragt, an was genau das liegt, da es ja schon viele Vernetzungsversuche gibt. Soweit ich weiß, sind Musiker in anderen Städten nämlich viel besser vernetzt untereinander. Ansonsten finde ich es richtig cute, was hier an ehrenamtlicher Arbeit reingesteckt wird, damit coole Acts in Nürnberg auftreten können. Gleichzeitig wundere ich mich aber auch, warum es so viel Ehrenamt braucht und es nicht mehr bezahlte Stellen geben könnte in kleinen Clubs, statt zum Beispiel einer Milliarden-Euro-Renovierung namens Opernhaus. Also nur mal so ein Gedanke … Aber auf der anderen Seite könnten auch viel mehr Menschen mal auf Konzerte der Desi, Musikverein, MUZ kommen. Für die tollen Acts, die da eingeladen sind. Dies ist glaube ich ein Problem des normalen Franken. Der gewöhnliche Franke ist verschlossen und bewegt sich am liebsten im eigenen Umfeld. Er würde nicht auf die Idee kommen, random in einem neuen fremden Club namens Softspot zu gehen, wenn er nicht dort mit irgendjemanden connected ist. Eine andere Sache, die mich verzweifeln lässt, ist, dass ich keine Flinta-Instrumentalistinnen finde für meine Band. Das macht mich traurig, dass die Musikszene in Nürnberg noch so Männer-dominiert ist.
Mit gefällt dein Album gut. Wie ambitioniert bist du mit deiner Kunst?
Ich würde sagen, sehr bis unendlich. Ich befinde mich im Kunststudium und habe nun die einzigartige Zeit in meinen Leben, mich voll und ganz genau dem zu widmen. Andererseits frage ich mich auch nicht selten, ob ich mich nicht lieber weniger der Kunst und mehr den Existenzangstfragen widmen sollte. Aber dieses ist ein Thema, welches wir lieber erstmal verdrängen und verschieben wollen. Zumindest im Rahmen dieses Interviews.
Dein Top-3-Spots in der City?
Mein Homestudio, Kiosk West + der Soft Spot <3
---
Ulla Suspekt / Ulla Müller
fand den Einstieg in die Klangwelt schon früh: Von 1998 bis 2007 nahm sie klassischen Geigen- und Klavierunterricht – ein solides Fundament,
das später mit Loopstation, Synthesizer und Bass ergänzt wurde. Ab 2019 begann sie, eigene Songs zu schreiben und mit Sounds zu experimentieren. Parallel zur Musik engagierte sie sich von 2017 bis 2021 in der Programmgruppe der DESI in Nürnberg und war Teil des Ravekollektivs RE:SET, das politische Raves in leerstehenden Gebäuden organisierte – Kunst, Clubkultur und Widerstand zum Mitnehmen. 2021 gründete sie gemeinsam mit anderen die Band TAXI LOTTA und begann gleichzeitig ein Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Seit 2022 besucht sie die Berufsfachschule für Musik in Nürnberg, Hauptfach E-Bass. Songwriting, Producing und das Basteln von eigenwilligen Instrumentals gehören für sie genauso zum Alltag wie das Nachdenken über Raum, Performance und Klang.
2023 erschien unter dem Namen ULLA SUSPEKT ihre erste EP „U“, gefolgt von der Taxi Lotta-EP „À la Place de l’Opéra“ im Jahr 2024.
Ihr neustes Album „Zappy Duster“ erschien jetzt vor kurzem.
TOURDATEN
11.09 Stuttgart- sunmyhigh
12.09 Frankfurt - Zoom Club
13.09 Leipzig - Hitness Club
14.09 Hannover Fuchsbau
15.09 Berlin - Schockoladen
18.09 Würzburg - Cairo
19.09 Mannheim - JUZ
20.09 München - Sunny Red
22.09 Augsburg - Krätzwerk
25.09 Nürnberg Soft Spot
#Konzerte, #Lokale Mukker, #Musik, #Tour, #Ulla Suspekt