Schubsen: wir stehen da, wo gehandelt werden muss

FREITAG, 10. MAI 2024

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Interview von Tommy Wurm

Unser letztes Gespräch mit der Nürnberger Band schubsen fand im zweitem Pandemiejahr statt und war geprägt vom persönlichen Austausch als Schlüssel, die Probleme und Gegensätzlichkeiten zu überwinden. Jetzt, drei Jahre später, erklären uns Friedo und Krupski, warum es an der Zeit ist, die Visiere zu öffnen.

TOMMY: Euer neues Album „Das Öffnen der Visiere“ erscheint am 17. Mai. Wie geht’s euch? Steigt nach so vielen Jahren des Schaffens und Musizierens noch der Puls kurz vor der Veröffentlichung?
FRIEDO: Auf jeden Fall! Nachdem sich bei dieser Platte im Vorfeld doch einiges geändert hatte – Jo als Schlagzeuger und Habbe als Bassist haben die Band verlassen – und die Aufnahmesituation eine komplett neue bzw. andere war, ist es jetzt schon auch sehr spannend, wie alles anlaufen wird. Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die Veröffentlichung und auch, die neuen Song endlich live zu spielen zu dürfen.
KRUPSKI: Mir geht’s auch so und ich freue mich sehr auf die Veröffentlichung. Es war ein langer und arbeitsintensiver Weg dahin und ich bin froh, dass wir ihn gegangen sind, da wir mit der Platte sehr zufrieden sind.  

Eurem Info zufolge gibt es das neue Album nur als Vinyl. Ist dem so und wenn ja, warum nicht auch auf den gängigen Streaming-Portalen?
FRIEDO: Unsere Platte wird es auf farbigem und schwarzem Vinyl geben und natürlich auch auf allen gängigen Streaming-Portalen. Bevor wir Kontakt zu Flight 13 hatten, stand noch eine Veröffentlichung auf Tape im Raum, mit nur Vinyl als physischem Tonträger sind wir jetzt aber sehr glücklich.

Als wir uns 2021, mitten in der Pandemie, anlässlich des Erscheinens eurer „Sprachfetzen EP“ sprachen, war der gesellschaftliche Diskurs gerade am Brennen. Jeder gegen jeden – Impfgegner gegen Befürworter. Jetzt, drei Jahre später, laufen die Dinge gefühlt komplett aus dem Ruder. Euer Standpunkt damals war, dass Sprache am Anfang der Lösung der Probleme steht. Wo stehen wir jetzt? 
KRUPSKI: Seit unserem letzten Interview ist so vieles passiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich da anfangen soll. Das liest sich jetzt so, als wäre ich, wie auch viele andere Menschen, mit der Sprache, mit der Fassung am Ende. Sprachlos und fassungslos über Kriege, Terror, Ungerechtigkeit und das Erstarken der Faschisten. Ich denke, dass wir diesen Schock über die ganzen Grausamkeiten und Zustände, in denen noch viele stecken, versuchen sollten zu benennen, um uns dann darüber auszutauschen zu können. Dann könnten wir vielleicht diese Schockstarre überwinden, um dann angemessen reagieren zu können, um weiterzusprechen und schlussendlich auch wieder sinnvoll handeln zu können. Beispielsweise in solidarischen Projekten oder mit finanzieller Unterstützung von Hilfsorganisationen, auf Demonstrationen gegen rechts und Sichtbarmachung von Zuständen im Alltag. Und wenn du fragst, wo wir jetzt stehen, dann glaube ich, dass wir jetzt dastehen, wo gehandelt werden muss.      

Das Album trägt den Titel „Das Öffnen der Visiere“. Was ist die Idee dahinter? Geht es darum, klar Stellung zu beziehen? 
KRUPSKI: Ja, darum geht es auch, wie zum Beispiel in unserem Lied „Haus der Gewalt“, Stellung zu beziehen, wie du sagst. Also eben zu handeln, zu zeigen, gegen was man ist und für was man ist. Was den Albumtitel betrifft, ist dieser für mich ein Sinnbild von: Was passiert im Inneren von Menschen, wenn sich das Außen so schwerwiegend verändert? Aber auch andersherum. 
 
Nachdem zwei eurer Bandmitglieder selbige verlassen haben, habt ihr das Album zu zweit umgesetzt. War dieser Prozess schlechter, besser oder einfach nur anders? 
FRIEDO:
  Zunächst mal einfach anders. Als Band gemeinsam im Studio Songs einzuspielen gibt die Möglichkeit, eine Dynamik und Atmosphäre zu erzeugen, die bestenfalls so eingefangen werden kann und danach immer wieder wahrnehmbar ist. Außerdem ergibt sich durch das musikalische Gespür mehrerer Personen ja ein interessanter Mix. Das alles ist nur sehr schwer möglich, wenn man alleine alle Instrumente einspielt und den Gesang dann nachträglich ergänzt. Außerdem ist es deutlich anstrengender, man muss sich über sehr lange Zeit konzentrieren und ist abends dann ziemlich “voll”. Auf dem Heimweg aus Hersbruck konnte ich nicht mal mehr Musik hören. Es hat aber natürlich auch Vorteile, Spur für Spur aufzunehmen: Fehler sind viel leichter ausbesserbar (vor allem ist man alleine für seine Fehler verantwortlich) und man “darf” natürlich auch alle Parts so interpretieren, wie man es selbst für am besten hält.

Musikalisch seid ihr euch treu geblieben. Dennoch kommt mir die neue Platte schärfer und präziser im Spiel und Klang vor. Wie seht ihr das?
FRIEDO:
Ich finde sie vor allem auch vielseitiger. Ziel war es schon, die musikalische Idee, die hinter jedem Song steht, deutlich herauszuarbeiten. Trotzdem haben wir uns keine Grenzen gesetzt und hatten für uns die Vorgabe gemacht: alles kann, nichts muss. Klanglich haben wir wieder mit Florian Helleken (Hersbrooklyn Records, Aufnahme) und Lolo Blümler aus Darmstadt (Iron Bar Studio, Mix und Mastering) zusammengearbeitet, die in dieser Kombination auch schon bei unserer letzten Platte „Sprachfetzen EP“ mit im Boot waren und deren Arbeit wir sehr schätzen. Wir haben versucht, sehr kleinschrittig und mit Blick fürs Detail vorzugehen. Daher hat sich der Masteringprozess auch einige Monate hingezogen. Das hat sich aber sehr gelohnt, wie ich finde.

Die Texte sind, wie auch in eurem Info beschrieben, mal konkreter und dann wieder eher abstrakt. Ist dies ein bewusstes Spiel mit der Sprache oder einfach euer Stil?
KRUPSKI:
Bei manchen neuen Texten bestand eine Dringlichkeit für mich, direkter zu werden, weil ich das Gefühl hatte, dass mich die Themen so sehr beschäftigen, dass ich gar nicht anders konnte, als das „klarer“ zu formulieren. Bei anderen Stücken wiederum mag ich auch die Abstraktion, die mir immer wieder Freiräume erlaubt. Wie den Hörer:innen in der Interpretation der Texte aber auch. Dies mag ich schon sehr. 

Ich finde das Album auf eine gute Art sehr politisch. Seht ihr es als eine Aufgabe von Kunst, in diesen Zeiten politisch Stellung zu beziehen, ganz unabhängig, ob das “in your face“ oder eher subtil geschieht?
KRUPSKI:
Dass sollte jede:r für sich selbst entscheiden.  

Eine neue Platte bedeutet ja meist auch, das Ganze auf die Bühne zu bringen. Dürfen wir uns auf Liveshows freuen?
KRUPSKI:
Ja, wir freuen uns auch sehr. Seit ein paar Monaten arbeiten wir am Liveset und proben mit unserem neuen Schlagzeuger Conny aka Conz, der bereits 2019 schon ein paar Konzerte mit uns gespielt hat und mit unserem neuen Bassisten Jens aka Rev (Reefer).
Am 16.05. spielen wir am Vorabend der Veröffentlichung in Nürnberg und dann folgen erstmal Konzerte in Süd- und Westdeutschland bis in den Herbst hinein. Nächstes Jahr soll es dann auch in weitere Regionen gehen. Wir haben große Lust auf Konzerte spielen! 
FRIEDI & KRUPSKI: Danke für das Interview und Grüße an alle Leser:innen.

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SCHUBSEN
Schubsen, 2014 von ehemaligen Bandmitgliedern gegründet, veröffentlichte 2016 ihr Album „Neue Blessuren“ auf Swing Deluxe Records. 
Es folgten Auftritte deutschlandweit, darunter bei Festivals wie dem Brückenfestival und dem Nürnberg Pop Festival. 2018 ging die Band erstmals auf Schweiz-Tour. Und spielte u.a. im Opernhaus Nürnberg. 2019 brachten sie das Album „Stühle rücken in Formationen“ heraus und tourten durch Europa. Nach vereinzelten Konzerten 2022 und dem Ausstieg von Mitgliedern im September 2023 kamen neue Mitglieder hinzu. 2024 veröffentlichte die Band das Album „Das Öffnen der Visiere“ auf Flight13 Records.

schubsen.bandcamp.com  / INSTA: @schubsen_band


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Dieses Interview wurde gefördert vom Mediensupport des Verbands für Popkultur in Bayern e.V.
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