Moby Dick: Ein schauriger Wal in der Sparkassenfiliale
#Franziska Detrez, #Installation, #MAXI.kunst, #Moby Dick, #Performance
Franziska Detrez inszeniert Moby Dick als performative Installation und Hörspiel in der MAXI.kunst. Rezension von Andreas Thamm, zuerst erschienen bei freiszenenbg.de
Eigentlich ist das Ding ja ikonisch: Die stillgelegte Sparkasse mit U-Bahn Maxmiliansstraße. Wuchtig und braun ragen ihre runden Dächer in Richtung Fürther Straße, auffällig, aber nicht im klassischen Sinne schön. Ein bisschen wie ein gestrandetes Schiff, oder? Möglicherweise dachte sich eben das auch die Regisseurin Franziska Detrez hier vorbeikommend und entwickelte eine Vision: Moby Dick, genau hier, im Off-Space Sparkasse, mittlerweile bekannt als MAXI.kunst.
Ein kalter, weißer Raum, eine runde Bank steht noch, ein Tisch. Eine rote Wendeltreppe führt durch ein Loch in der Decke in den ersten Stock. Das Publikum wird abgeholt von einer schwarzgekleideten, gesichtsvermummten Performerin mit Taschenlampe, die bereits als Hinweis gelesen werden kann: Gleich wird's duster. Oben folgt die Gruppe dem einzelnen Lichtpunkt nach, einen Gang entlang, Vorsicht Stufe, bis in den eigentlich Raum der Performance, Nantucket, Schiffsbauch der Pequod, weiter Ozean. Der Raum, durchschnitten von Betonsäulen, ist mit Nebel gefüllt. Teilweise ist nahezu gar nichts zu sehen, nur Schemen einer Gruppe, die sich im Wellengang wiegt.
Franziska Detrez' Moby Dick nach dem Weltroman von Herman Melville wurde als Performance/Installation/Audio-Kunst angekündigt. Konkret bedeutet das: Das Publikum ist mittendrin. Ein paar Papphocker am Rand bieten sich als Sitzgelegenheit an, ansonsten ist man angehalten, durch den Raum zu streifen und den Performenden dabei nicht in die Quere zu kommen. Gemeinsam mit sieben Sprecher:innen hat Soundkünstler:in Andii Weber ein Hörspiel produziert, das in schauriger Atmosphäre von der schwarz gewandeten Gruppe in Bewegung übersetzt wird.
Und so begleiten wir vom ikonischen ersten Satz an – "Nennt mich Ismael" – eben jenen Walfänger auf seinem wellen- und blutrauschenden Abenteuer mit dem rachsüchtigen Ahab. Sukzessive kehrt mehr Licht in den Raum ein, die Taschenlampen tasten und Webers flirrende und marschierende Sounds treiben die Suche nach der Besatzung auf der Insel Nantucket an. Wer wird sich diesem Himmelfahrtskommando anschließen wollen? Während wir eben jene kennenlernen, fliegen, nahezu akkurat getaktet, weiße Sandsäcke durch die Luft. Die sparsame Kulisse wird umgeschichtet, das Schiff eingerichtet, die Musik wabert in Tönen, die an Schiffshörner erinnern und aus dem präzisen Werfen entwickelt sich ein Balgen, Rangeln, Werfen und Prügeln.
Gerade in diesen Momenten, in denen aus Ordnung ein choregrafiertes Chaos wird, geht die installations-mäßige Anlage besonders gut auf. Man hat natürlich permanent das Gefühl im Weg zu stehen. Man will niemanden zum Stolpern bringen und keinen Sack an den Kopf bekommen, man spürt wie der kühle Atlantik einem die Wangen anhaucht und ist auf einmal ganz anders involviert.
Melvilles Originaltext wurde von Detrez klug zurechtgeschnitten. Lange Passagen werden am Stück gelesen. Eva Paulina Loska ist eine charismatische Erzählerin und Tobias Hacker aka. Gymmick ein bedrohlicher Ahab. Der tritt auf unter bretternden Gitarren. "Wie ein Mann, den man vom Scheiterhaufen gezogen hat." Die Gruppe erstarrt und schwört ihm chorisch, den weißen Wal zu jagen. Diese Momente sind akustisch teilweise leider schwer zu entziffern. Auch im Hörspiel gehen später, ausgerechnet, wenn es um den Moby Dick geht, zu viele Ebenen durcheinander, als das man noch den einzelnen Bewegungen dieser Schlacht folgen könnte.
Ansonsten aber haben Detrez und Team vor allem das: Ein hervorragendes Hörspiel auf professionellem Niveau produziert, das die ganze sprachliche Wucht und Brutalität des Romans auf umwerfende Weise zur Geltung bringt. Auch wenn Andii Webers Blastbeats und Post-Rock-Riffs die Erzählerinnenstimme tendenziell zu häufig begraben, ist das eine eindrucksvolle und abwechslungsreiche Soundkulisse. Hinzu kommen dezent gesetzte Lichteffekte. Ein heftig überforderndes Blitzlichtgewitter während der Jagd, bevor das Meer und also der ganze Raum in Rot getaucht ist.
Natürlich weist sowohl die Auswahl der Textstellen als auch die martialische Umsetzung auf die rohe Gewalt hin, mit der der Mensch sich an der Natur vergeht. Im Moment als im Text ein Wal zerlegt wird und in der Performance ein schwarz Vermummter andere schwarz Vermummte mit präzisen Griffen abtransportiert, scheinen aber auch Bilder von gegenwärtigen Polizeieinsätzen durch. Eine Kontinuität der menschlichen Gewalt, die nicht ausformuliert werden muss. Die Natur immerhin hat das bessere Ende für sich. "Der mächtige Gott offenbarte sich." Und von seinen Jägern blieb nicht viel übrig. Auf wackeligen Beinen nimmt man die Wendeltreppe wieder in Angriff.
Moby Dick von Franziska Detrez
Weitere Termine:
21. und 22. November, 19 Uhr
22. November, 15 Uhr
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