Das Filmhaus im Herbst: Künstlerisch kompromisslos

7. OKTOBER 2021 - 25. NOVEMBER 2021, FILMHAUS

#Filmhaus Kino, #John Cassavetes, #Monica Vitti, #New American Cinema, #Shadows, #Vitti L'Aventura

Nach der schönen Sommerkinozeit folgt für Filmfreund*innen die fast noch schönere Herbstkinozeit, denn was kann es Schöneres geben, als sich vor Regen, fallenden Blättern, Kastanien und Halloween-Kindern dorthin zu flüchten, wo es dunkel ist und gute Filme laufen. Ins Filmhaus beispielsweise, das uns diesen Oktober mit einem schwergewichtigen Schwerpunkt versüßt.

Denn, curt-Leser*innen wissen das, das gute Filmhaus ist nicht nur zu eurem Entertainment da, sondern erfüllt in gewisser Weise einen Bildungsauftrag. Wenn also kommendes Weihnachten im Familienkreis wieder das staubige Wer-wird-Millionär-Brettspiel unter der Eckbank herausgezaubert wird, sind Kinogänger*innen umso mehr dazu in der Lage, den schlauen Schwippschwager elegant zu düpieren. Zumindest, wenn Papa Jauch folgende Frage verliest: Welcher 1929 geborene Schauspieler, Regisseur und Produzent gilt als Wegbereiter des US-amerikanischen Independent Kinos? Kein Problem, John Cassavetes lautet die richtige Antwort.

Das Nürnberger Filmhaus zeigt vom 7. Oktober bis 3. November alle zwölf Regiearbeiten von JOHN CASSAVETES. Die Qualität dieser Arbeiten liegt insbesondere in der Darstellung menschlicher Beziehungen. Cassavetes Filmes sind intime, intensive Studien über die Liebe und den Tod, über Trennungen und die Unmöglichkeit, miteinander zu kommunizieren. Vor allem aber durch seine Haltung, durch seine konsequente Ablehnung künstlerischer Zwänge, wurde er zu einem Wegbereiter eines anderen, eines unabhängigen und künstlerisch kompromisslosen Kinos.
Cassavetes Debüt macht diese Kompromisslosigkeit direkt zum Prinzip: SHADOWS entstand 1959 aus Improvisations-Workshops, die Cassavetes für arbeitslos gewordene Schauspieler hielt. Dahinter stand die Idee des Filmemachens als Gruppenarbeit. Die Story ist im New Yorker Künster*innenmilieu angesiedelt: Drei Geschwister suchen als Schwarze ihren Platz und ihre Identität in einer von Weißen dominierten Welt. Die Jazzmusiker Charlie Mingus und Shafti Hadi improvisieren zur darstellenden Improvisation. SHADOWS öffnete Cassavetes zwar die Tür nach Hollywood, nach enttäuschenden Erfahrungen dort gründete er später jedoch lieber seine eigene Produktionsfirma, was ihn umso mehr zu einem der Gründer des New American Cinema macht.

Ein solcher Blick zurück verändert mit Sicherheit auch jenen nach vorn, bzw. auf eben unsere Gegenwart. Das Filmhaus zeigt freilich auch Neuware, aber eben geschmackssicher ausgewählt und mit dem Blick für das Besondere. So finden wir im Programm z.B. eine kubanische Science-Fiction-Komödie: DIE AUSSERGEWÖHNLICHE REISE DER CELESTE GARCIA erzählt vom Aufbruch ins Ungewisse und von persönlicher Emanzipation. Mit Mari Speths HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE sehen wir den Gewinner des Silbernen Bären der diesjährigen Berlinale: Eine Dokumenation über die Beziehung eines besonderen Lehrers zu seiner Klasse. Und der mit Architekturdokus bekannt gewordende Heinz Emigholz zeigt sich mit DIE LETZTE STADT von seiner verspielten Seite. Am 24.10. kommt er höchstselbst ins Filmhaus.

AUSBLICK AUF DEN NOVEMBER
Noch schlechteres Wetter, noch mehr Kinozeit und umso schöner, dass das Filmhaus eine liebe Tradition fortführt und sich gerade dann gern gen Süden orientiert – und sich dem italienischen Kino widmet. Mit acht Filmen huldigt das Kino in diesem Jahr Michelangelo Antonionis undurchdringlicher Diva der Stille: MONICA VITTI wird 90, wir feiern mit und freuen uns quasi gleichermaßen über das junge italienische Kino, das im Rahmen der Cinema Italia Tournee ab 25. November in Nürnberg zu sehen sein wird.




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Der britische Regisseur ken Loach ist bekannt für seine schnörkellos erzählten Sozialdramen, Filme über das echte, harte Leben, die Loach bereits zwei Mal die Goldene Palme von Cannes eingebracht haben. Unter anderem für Ich, Daniel Blake (2016), der ab dieser Woche im kino3 gestreamt wird. Der titelgebende Held hat sein Leben lang als Schreiner in Newcastle gearbeitet. Nach einem Schlaganfall muss er sich zum ersten Mal um staatliche Hilfen bemühen. Im Zuge dessen trifft er auf Katie, eine alleinerziehende Mutter, die um der Obdachlosigkeit zu entgehen, gezwungen ist, in eine Wohnung weit weg von ihrer Heimat zu ziehen. Ich, Daniel Blake gewährt einen Einblick in die Lebensrealität von Menschen, die sich schuldlos durch die bürokratischen Maschen des Sozialsystems wühlen müssen. Auf der kino3-Homepage findet ihr ein Interview mit dem Regisseur Ken Loach.

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Kino 3
im Filmhaus Nürnberg
Königstraße 93

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