Tänzerin Barbara Bess: Den Strukturen der Landschaft auf den Grund gehen

SAMSTAG, 22. AUGUST 2020, KATHARINENRUINE

#Barbara Bess, #Film, #Katharinenruine, #Performance, #Tanz

Barbara Bess ist Tänzerin, Choreografin und Kulturpreisträgerin der Stadt Nürnberg 2020. Die Auszeichnung kommt in einem Moment, der für die Langenzennerin, die nach Ausbildung in Salzburg in Berlin nach Franken zurückkehrte, eine künstlerisch-ästhetische Wendung beinhaltet. Eigentlich hätte in diesem Sommer ihre selbstreferentielle Tanzperformance BeComing Premiere gefeiert. Nun feiert stattdessen ein dokumentarischer Tanzfilm Premiere. Am Samstag, 22.08. in St. Katharina. Wie es dazu kam und was sie in dieser Zeit gelernt hat, erzählt Barbara im Interview.

curt: Du hast aus einer Tanzperformance einen Film gemacht. Wann und warum fiel diese Entscheidung?
Die Entscheidung einen Film anstelle einer Tanzperfomance zu machen, war tatsächlich ein Covid 19 Alternativplan. Wir hätten im April 2020 Premiere von BeComing_ein übersinnliches Selbstportrait in der Tafelhalle gehabt. Eine Perfomance, die mit tatsächlicher Begegnung und Berührung! des Publikums konzipiert war. Nach den rasanten Entwicklungen der Pandemie im Frühjahr und schließlich dem totalen Shutdown, war ziemlich bald klar, dass diese Art der Perfomance auch in absehbarer Zukunft nicht wirklich umsetzbar sein wird.
Die Initialzündung zum Film hat mein Sounddesigner Lars Fischer gegeben. Er hatte Lust, einen Dolby-Surround-Sound zu kreieren und hat mich mit seiner Idee sofort infiziert und so sind die Klang-, neben der Bildwelten ein immersives Erlebnis im Film. 
Außerdem hat mir die Möglichkeit gefallen, die Betrachterperspektive vorzugeben, dem Publikum größtmögliche Nähe und weiteste Distanz zu vermitteln. Das ist in einer Lifeperfomance so natürlich nicht möglich. Das fand ich gut und es hat die Konzeption des Films stark geprägt. 
Zudem finden wir den Nebeneffekt, den Film als ein Produkt zu haben, welches auch über die Grenzen der Metropolregion hinaus gehen kann, sehr reizvoll, auch was die potentielle Vermarktung in Coronazeiten betrifft!

Wie klar war deine künstlerische Vision von dem Film, der nun entstanden ist, wie viel hat sich während des Machens ganz anders ergeben?
Wie in den meisten meiner Produktionen ist der Weg das Ziel und die Entwicklung einer Perfomance zeigt im Laufe des Prozesses Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in der Umsetzung auf. So ging es mir auch in der Entstehung des Films. Die Atmosphären und Orte für die einzelnen Szenen waren sehr klar in meiner inneren Vorstellung und dann gibt es noch den Zufall als Regisseur, der vor allem, was das Licht betrifft, eine große Rolle gespielt hat. Das Spannende im künstlerischen Arbeiten ist für mich genau dies; der umgebenden Welt den Raum zu geben, sich zu entwickeln und mich davon überraschen und inspirieren zu lassen. Meine künstlerischen Entscheidungen sind letzlich stark an diese "Zufälle" und Unvorhersehbarkeiten gekoppelt. Sehr glücklich bin ich über mein Team, ganz besonders auch Sebastian Autenrieth (Fotografie), der mir mit seiner Kamera in die widrigsten Gefilde gefolgt ist und sich auf das Experiment eingelassen hat.

Du bist für den Film viel in Bewegung gewesen, um Langenzenn herum. Gab es in dem Kontext ganz neue Entdeckungen für dich?
Ja, das Durchstreifen meines nähesten Lebensumfelds, ca 1km rund um mein Haus, eine Alte Schule bei Langenzenn, war maßgeblich in der Entwiklung des Projekts und hat mir Zeit und Raum verschafft, genaues Hinhören und -sehen zu üben. Ich bin den Strukturen der umliegenden Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gegangen und habe mit meinem Körper in Bewegung organisches Material durchkämmt.
Nichts spiegelt die Themen von Wachstum (Werden/ becoming) und Vergehen so deutlich, wie die organischen Prozesse in der Natur. Ich begreife meinen Körper in Bewegung und dessen Physiologie als Resonanzkörper, dessen Wahrnehmung immer in Kommunikation zur umgebenden Landschaft re- agiert. Künstlerisches Arbeiten ist für mich das Sicht- und Spürbarbarmachen dieses Zwischenraums. Sehnsüchte, Erinnerungen, Träume und der Wunsch nach Transformation waren Themen meiner Auseinandersetzung. Im Film gehen quasi Dokumentarisches und Magisch-Übersinnliches ineinander über und möchten bewusst Raum für die eigenen Wahrnehmungen des Zuschauers schaffen.
 
Welche Erkenntnisse über dich selbst hast du dabei gewonnen?
Immer wieder zu erfahren, dass Umwelt und Mensch im Grunde eine Einheit bilden und wir bis ins Detail miteinander vernetzt und verbunden sind, ist eine Erkenntnis, die zwar nicht neu ist, aber die gerade jetzt in Coronazeiten, höchst politisch geworden und für mich intensiv spürbar ist. Die Grenzen sind aufgelöst und es macht Sinn, das eigene Lebensumfeld zu beackern: sich mit Hingabe und Achtsamkeit dem Nähesten zu widmen.
 
Herzlichen Glückwünsch außerdem zum Kulturpreis der Stadt Nürnberg. Was bedeutet das für dich, wie wichtig ist das möglicherweise auch, gerade in diesen Noch-Krisen-Zeiten?
Der Kulturpreis kam genau im richtigem Moment und ich bin sehr dankbar dafür, da ich unter der Pandemie – wie fast alle KollegInnen – massive finanzielle Einbußen hatte. Die Nahrung, die wir als Künstler- und Kulturschaffende zur Verfügung stellen können, ist meiner Meinung nach extrem reichhaltig und lebensnotwendig für eine Gesellschaft, die an der Schwelle steht, Zusammenhänge tiefgreifend zu erkennen und Konsequenzen für die individuelle, aber auch kollektive Lebensgestaltung daraus zu ziehen. Von Nöten ist meiner Meinung nach ein Weg der Gemeinschaftsbildung durch künstlerische und körperbezogene Ansätze und konstruktive Pläne. Das Bewusstwerden des eigenen Körperraums als erste Instanz, sehe ich dabei als Anfang.

Barbara Bess: BeComing – ein übersinnliches Selbstgespräch.
Filmpremiere und Künstleringespräch.
22.08.2020, 21 Uhr, Katharinenruine.
Infos und Tickets

www.barbara-bess.com

 




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#Barbara Bess, #Film, #Katharinenruine, #Performance, #Tanz

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TAFELHALLE. Es gibt ein neues Kunstkollektiv in Town, das einen tatsächlich sehr radikal eigenen Ansatz der Performance wählt: roams (wohl bekannt aus der Nürnberger Szene: Harald Kienle, Michaela Pereira Lima, Veith von Tsotzhousn und Maria Trunk) verbinden bildende und darstellende Kunst in einem drei Tage andauernden Tanz ums Holz.

Konkret handelt sich bei der Aufführung roams: adventures um ein Bühnenstück mit einem wachsenden Bühnenbild, das selbst Kunstwerk und Protagonist ist. Dieses Bühnenbild von Harald Kienle wiederum setzt sich aus Klanghölzern zusammen, die von Veith Michel bespielt werden, gibt also auch einen Sound ab und verändert sich unterm Einfluss der Choreografie der Performenden Pereira Lima, Markl und Bess. Inhaltlich dreht sich das experimentelle Stück um das Ursprüngliche, das die Gesellschaft zusammenhält, symbolisch verbildlicht im Holz. Das Spiel drum herum ist auch eines mit dem Risiko, die Performenden setzen ihr eigenes Bühnenbild aufs Spiel: Wird es zusammenkrachen wie ein Jenga-Turm? “Das Fallen, das Zusammenkrachen, das Ungeplante ist stets Teil des Prozesses”, sagt Maria Trunk aus dem Produktionsteam. 

Die drei Aufführungen von roams_adventures bauen aufeinander auf und funktionieren jeweils für sich. Sie sind sind in allen Sprachen, Kulturen und Generationen verstehbar. Das Publikum wird Teil eines skuplturalen Erlebens und eines Dialogs zwischen Raumkörpern, Menschen, Hölzern und Klängen. 

Spannendes Projekt, alle Infos hier:

roams: adventures
20.-22.11., Tafelhalle


Konzept, künstlerische Leitung & Produktionsleitung: Michaela Pereira Lima & Harald Kienle
Regie: Nicole Schymiczek
Soundkunst: Veith von Tsotzhousn
Performance: Michaela Pereira Lima, Miriam Markel, Barbara Bess
Video: Linda Havenstein
Lichtdesign: Gunnar Tippmann und Saša Batnozic
Grafik: Steffi Probst
Klangstapler:innen: Moritz Kienle, Natacha Cayrol, Chan Bess, Lola Pereira Lima
Ground Control: Maria Trunk
Coaching: Katharina Tyllack
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CASABLANCA. Es ist die Geschichte einer Überlebenden und einer großen Demokratin: Lillo Seibel-Emmerling kommt 1932 in Oberschlesien zur Welt. Das jüdische Mädchen überlebt den Krieg unter schlimmsten Bedinungen in Berlin. Ihr Vater ist unter anderem im Konzentrationslager Buchenwald gefangen, die Mutter kämpft ihn immer wieder frei. Viele Verwandte werden ermordet. Nach dem krieg studiert sie Psychologie, Pädagogik und Soziologie, beginnt als Lehrerin zu arbeiten und sich als Gewerkschafterin zu engagieren. 1966 wird sie als eine von ganz wenigen Frauen in den Bayerischen Landtag gewählt, später ins erste europäische Parlament. Sie ist alleinerziehende Mutter und berufstätig und dabei immer noch viel mehr. Ihren zweiten Mann, den Künstler Alfred Emmerling, lernt sie per Zeitungsannonce kennen, Kern ihres Gesuchs: "Bloß kein Nazi."

Die Medienwerkstatt Franken widmet dieser beeindruckenden Frau ein filmisches Porträt. Judith Dauwalter zeichnet ihren Weg nach und hat viele Weggefährt:innen getroffen. Sie ist mit Seibel-Emmerling aber auch an die wichtigen Lebensstationen in Oberschlesien und Straßburg gefahren. Entstanden ist eine Doku über eine bis ins hohe Alter umtriebige, aktive Frau, die ein mutmachendes Vorbild in Sachen Haltung ist.

Am Samstag, 01.11. um 17 Uhr findet im Casablanca Kino eine Preview stattIm Anschluss gibt es ein Filmgespräch mit Lilo Seibel-Emmerling und den Filmschaffenden aus der Medienwerkstatt.
Tickets gibt’s hier.

Sendedatum: Sonntag, 2. November, um 21 Uhr auf Franken Plus (Satellit) sowie um 19, 21 und 23 Uhr auf Franken Fernsehen (Kabel)

Wiederholung am 9. November zu den gleichen Sendezeiten
Livestream zu Sendezeiten: www.frankenfernsehen.tv/livestream
Ab Montag in der Mediathek: www.medienwerkstatt-franken.de/mediathek/

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Kultur  11.10.-23.11.2025
TAFELHALLE. Zwei Mal Heiß, zwei Mal Blumenroth. Hä? Das musikalisch-literarisch-geistreiche ensemble Kontraste hat nach 30 Jahren erstmals eine neue Leitung! Namentlich: Luise Heiß (Gesang), Philipp Heiß (Klavier), Jeany Park-Blumenroth (Violine) und Hendrik Blumenroth (Cello). Das Konzept heißt natürlich weiterhin Kammermusik und genreübergreifende Formate, dafür gab es 2020 den großen Kulturpreis der Stadt Nürnberg. Innerhalb dieser Idee hat sich die neue Leitung vorgenommen, auch neue Akzente zu setzen und relevante Gegenwartsthemen mit den Mitteln der klassischen Musik aufzugreifen. Das eK-Spielzeitmotto Upon Weightless Wings verspricht eine gewisse Leichtigkeit und Vogelperspektive. Los geht's für das eK am 11.10. mit dem Anstoß: Wir hören zwei Oktette, einmal, inspiriert vom Südtiroler Weingut Lageder, von Gregor A. Mayrhofer, einmal romantisch und geheimnisvoll von Franz Schubert. Im Anschluss wird stilecht mit Lageder-Wein angestoßen. Am 19.10. wird die beliebte eK-Reihe Dichtercafé fortgesetzt: Der Österreichische Autor, Schauspieler und Regisseur Oliver Karbus liest Robert Seethalers Ein ganzes Leben. Eine Geschichte vom Überleben im Bergdorf. Dazu Musik von Alfred Schnittke und dem in Auschwitz ermordeten jüdischen Komponisten Viktor Ullmann. Am 16.11. folgt dann ein Kammermusik-Abend als epische Klangreise: Nikolai Kapustin löst mit seinem Klavierquintett die Grenzen zwischen Jazz und Klassik auf, Erich Wolfgang Korngold, zwei Mal Oscar-prämiert, erweist sich in seinem frühen Klavierquintett als farbintensiver Romantiker und Johannes Brahms zeigt mit seinem Klavierquartett, was komplexe Tonkunst ist. Leidenschaft! Pathos! Rhythmus! heißt das Programm. 

Den Kulturpreis, wie gesagt, hat das ensemble Kontraste schon. Am 10.11. holen die diesjährig Ausgezeichneten ihre Preise im Rahmen der großen Kulturpreis-Gala in der Tafelhalle ab, Unter anderem mit dem Orchester Ventuno und dem Literaturhaus. Spektakulär kündigt sich das dreitägige, experimentell-theatrale Projekt roams_adventures von Michaela Pereira Lima, Harald Kienle und Nicole Schymiczek an. Ab 20.11. entsteht ein Bühnenbild aus Holz, dem von Michael Veith Töne abgerungen werden, die von Tänzeri:innen wiederum in Bewegung übersetzt werden. Die Zuschauenden können ihre Perspektive und die Dauer ihres Zuschauens selbst wählen. 

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Tafelhalle  
   

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KONGRESSHALLE. Die Kongresshalle bleibt für immer eine Immobilie, mit der es die Stadt nie leicht haben wird. Ein unvollendeter Nazibau, Fanal des Massenmords, Ruine, Gedenkort, Aufgabe: Aus dem Jahr 2021 stammt der Beschluss, diesen Ort zu einem Kulturort zu machen – mit Ateliers und Proberäumen und dem Interim des Staatstheaters. Eine Entscheidung, die auch immer wieder von komplexen Diskussionen begleitet wurde (die curt zusammen mit Stabsstellenleiter Hajo Wagner begleitete). Die Medienwerkstatt Franken hat sich dem Komplex zuletzt 2017 gewidmet, mit einem Porträt der Mieter:innen, die bereits da sind und waren, die Symphoniker zum Beispiel oder der Kanuverein, der sich gegen die städtische Kündigung wehrt. Was bedeuten die aktuellen Baumaßnahmen für die Menschen, die das Areal bisher genutzt haben? Was muss passieren, damit die freie Szene hier arbeiten kann? Und wie weit sind die Bauarbeiten? Der neue Film der Medienwerkstatt geht in vielen Gesprächen mit städtischen Vertreter:innen, Künstler:innen, Mieter:innen diesen Fragen nach. Zu sehen in der Mediathek: Vom Unding zum Kulturort – Perspektiven für das Kolosseum.  >>
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