Pride wird wieder zur Mutprobe
#CSD Nürnberg, #Demos, #Pride Weeks, #Queerness
Während queere Menschen weltweit für Sichtbarkeit und Rechte kämpfen, droht vielerorts ein gefährlicher Rückschritt: In Ungarn können seit April 2025 durch eine Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit Pride-Paraden verboten werden, bei Verstößen droht eine Strafzahlung. In den USA plant Präsident Trump die Streichung von Rechten für trans* Menschen. Auch Deutschland bleibt nicht unberührt: Rechte Parteien feiern Wahlerfolge, das Selbstbestimmungsgesetz steht auf der Kippe, und die Zahl queerfeindlicher Übergriffe steigt.
Was bedeuten diese Entwicklungen für queeres Leben heute – hier bei uns und weltweit? Wie viel Mut braucht es, sichtbar zu bleiben? Bastian Brauwer und René Scheuermann, Vorstände des Fördervereins Christopher-Street-Day Nürnberg e. V., sprechen im Interview über Ängste, politische Kämpfe und die unerschütterliche Entschlossenheit, niemals wieder still zu sein.
CURT: In den USA streicht Trump erneut Rechte queerer Menschen und will nur noch zwei Geschlechter anerkennen. Welche Folgen hat das für queere Communities dort?
Bastian: Die Maßnahmen der Trump-Regierung bezüglich dieser Rechte in den USA haben enorme Auswirkungen auf die queere Community. Bisher konnten nicht-binäre Menschen ein X in den Ausweis als Geschlecht eintragen lassen. Diese Möglichkeit wurde nun abgeschafft.
René: Ebenso werden nun trans* Frauen in Männergefängnissen untergebracht, was ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden total gefährdet. Alleine diese beiden Beispiele führen zu einem Gefühl der Entmenschlichung und Bedrohung innerhalb der queeren Community.
Bastian: Die Ankündigung dieser Maßnahmen führte auch zu einem dramatischen Anstieg der Anrufe bei LGBTQIA+-Krisentelefonen. Allein am Tag der Amtseinführung von Trump wurden über 1.400 Anrufe verzeichnet, was die Besorgnis über die psychische Gesundheit von LGBTQIA+-Jugendlichen unterstreicht.
René: Diese Entwicklungen in den USA stehen im Einklang mit ähnlichen Tendenzen weltweit. So entschied das britische Oberste Gericht im April dieses Jahres, dass trans* Frauen nicht unter die gesetzliche Definition von „Frauen“ fallen, was somit ihre Rechte einschränkt. Des Weiteren wurde in Ungarn das Geschlecht verfassungsrechtlich auf männlich oder weiblich festgelegt. Diese ganzen Veränderungen stellen einen erheblichen Rückschlag für die Rechte von queeren Menschen dar.
Curt: Was bedeutet der Erfolg rechter Parteien – wie der AfD – für queeres Leben in Deutschland?
Bastian: Rechte Parteien wie die AfD treten offen gegen viele Errungenschaften der LGBTQIA+-Bewegung ein. In ihrem Parteiprogramm wird offen die „Ehe für alle“ abgelehnt, ebenso das lang erkämpfte Selbstbestimmungsgesetz. Die AfD spricht ja auch gerne von der „Gender-Ideologie", was die queeren Identitäten delegitimieren soll.
René: Es wird ja auch von denen gefordert, queere Inhalte aus Schulbüchern und Aufklärungsunterricht zu entfernen, weil ja Kinder angeblich einen irreparablen Schaden davontragen oder schwul werden könnten oder plötzlich ihr Geschlecht ändern wollen.
Bastian: Studien und Polizeistatistiken zeigen deutlich, dass Übergriffe auf queere Menschen besonders in Regionen zunehmen, in denen rechte Parteien stark vertreten sind. Ebenfalls berichten queere Menschen aus solchen Regionen, dass sie sich nicht trauen, ihre Identität offen zu zeigen, sowie in der Schule Diskriminierung erleben.
René: Der Erfolg der AfD bedeutet eine reale Bedrohung für queeres Leben in Deutschland – rechtlich, gesellschaftlich und emotional. Dies macht einem schon sehr nachdenklich, ob wir nicht doch wieder ins Jahr 1933 abdriften.
Curt: Wie erklärt ihr euch, dass ausgerechnet eine offen lesbische Politikerin wie Alice Weidel für eine queerfeindliche Partei wie die AfD steht?
René: Ja, diese Frage stellen sich viele – und sie ist absolut berechtigt. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Widerspruch: Eine offen lesbische Frau an der Spitze einer Partei, die gegen LGBTQIA+-Rechte wettert. Aber genau das macht die Rolle von Alice Weidel in der AfD so kontrovers. Weidel argumentiert oft, dass sie nicht für „Identitätspolitik“ steht, sondern für „Leistung“, „Ordnung“ und „nationale Interessen“. Ihre Sexualität stellt sie als rein privat dar – und politisiert sie bewusst nicht. Allerdings sind Menschenrechte nicht nur Privatsache. Wenn Gesetze gemacht werden, die queere Menschen betreffen, ist es auch politisch – egal wie "privat" man lebt.
Bastian: Karriere und Ideologie gehen für manchen Menschen über Solidarität. Weidel scheint sich in erster Linie mit dem national-konservativen Weltbild der AfD zu identifizieren – nicht mit einer queeren Community. Macht, Einfluss und politische Ziele sind ihr offenbar wichtiger als queere Rechte. Doch das ist kein neues Phänomen. Auch in anderen Parteien gibt oder gab es queere Politiker*innen in rechten Parteien, die gegen ihre eigene Community arbeiteten. Zum Beispiel Ernst Röhm von der NSDAP.
René: Eine queere Identität schützt eben nicht automatisch vor queerfeindlicher Politik. Sie ist lesbisch – ja. Aber sie unterstützt und vertritt aktiv eine Partei, die queeres Leben in Deutschland einschränken will. Und genau das macht ihre Rolle so heikel – und politisch gefährlich.
Curt: Was würde es für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen bedeuten, wenn das Selbstbestimmungsgesetz wieder kippt?
Bastian: Wird dieses hart errungene Gesetz wieder gekippt, hätte das für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen gravierende Auswirkungen. Es würde erneut mehr Fremdbestimmung, pathologisierende Verfahren und psychische Belastung bedeuten, sollte ein Gesetz in der Art des Transsexuellengesetzes geschaffen werden. Ohne diese Grundlage gäbe es wieder mehr rechtliche Grauzonen, weniger Schutz z.B. bei Ausweiskontrollen oder bei der Arbeit.
René: Fällt das Gesetz weg, ist das mehr als nur ein Rückschritt. Es wäre ein klares Zeichen dafür, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen politisch nicht ernst genommen werden. Denn es geht um Würde, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.
Curt: Was fordert ihr konkret von der aktuellen Bundesregierung, damit queeres Leben in Deutschland sicher bleibt?
René: Oh, da hätten wir eine ganz lange Liste, was dieses Thema betrifft. Anfangen würde ich mal mit Grundgesetz. Es muss eine Ergänzung des Artikels 3 um „sexuelle und geschlechtliche Identität“ gemacht werden, die Begriffe „Männer“ und „Frauen“ im Artikel 2 sollten durch „Menschen“ ersetzt werden und ein lückenloses Verbot von sogenannten Konversionstherapien, denn dieses gilt momentan nur bei Minderjährigen, sollte aber auch für Erwachsene gelten.
Bastian: Die Reform des Abstammungsrechts ist auch etwas, was dringend geändert werden muss. Hier ist eine automatische Anerkennung beider Elternteile bei lesbischen verheirateten Paaren mehr als angebracht. Denn bei heterosexuellen verheirateten Paaren wird der Partner als Vater des Kindes eingetragen. Für mich ist das weit weg von einer juristischen Gleichstellung.
René: Wie schon gesagt, muss das Selbstbestimmungsgesetz bleiben und am besten noch weiter mit Vertretenden aus der Community ausgebaut werden.
Bastian: Wir hätten aber auch Forderungen an unsere bayerische Landesregierung, da wir ja schon seit einiger Zeit an dem ersten queeren Aktionsplan unseres Bundeslandes arbeiten (Anm.: Bayern ist bis jetzt das letzte Bundesland ohne einen solchen Aktionsplan). Hier muss es eine bessere Datenerfassung von queerfeindlichen Straftaten geben, Polizei, Justiz und Behörden müssen bzgl. Queerness sensibilisiert werden. Es muss auch eine dauerhafte Förderung von queeren Zentren, Beratungsstellen und Initiativen geben. Ab der Grundschule sollten die Schüler*innen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt aufgeklärt werden. Und hier reden wir nicht von „Frühsexualisierung“, wie es immer aus rechten Kreisen heißt.
René: Auch wenn es in nächster Zeit nicht einfach wird, werden wir uns so schnell nicht unterkriegen lassen. Dafür haben wir in der Vergangenheit zu viel erstritten. Getreu unserem diesjährigen Motto „Nie wieder still“.
Curt: Wir wünschen euch viel Erfolg und Spaß auf dem diesjährigen CSD sowie viel Kraft und Durchhaltevermögen für euren Einsatz für queere Menschenrechte. HAPPY PRIDE!
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CSD NÜRNBERG PRIDE, 24. JULI – 10. August
24.07. – 10.08. Prideweeks
09.08. Demo & Party
09.08. + 10.08. CSD-Finale Tag
Infos auf www.csd-nuernberg.de
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Während queere Menschen weltweit für Sichtbarkeit und Rechte kämpfen, droht vielerorts ein gefährlicher Rückschritt: In Ungarn können seit April 2025 durch eine Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit Pride-Paraden verboten werden, bei Verstößen droht eine Strafzahlung. In den USA plant Präsident Trump die Streichung von Rechten für trans* Menschen. Auch Deutschland bleibt nicht unberührt: Rechte Parteien feiern Wahlerfolge, das Selbstbestimmungsgesetz steht auf der Kippe, und die Zahl queerfeindlicher Übergriffe steigt.
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