Der Spielplan schreit nicht Sparzwang: schauspiel erlangen in 25/26
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Als Jonas Knecht 2024 seinen Vertrag als neuer Intendant in Erlangen unterzeichnete, war noch alles tippi toppi mit dem Haushalt der finanzkräftigen Stadt. Als er die Stelle antrat, schon nicht mehr. Vier Sparrunden hat Erlangen seither wegen Ausfällen bzw. Rückforderungen bei der Gewerbesteuer hinter sich. Das betrifft auch das Theater und bestimmt maßgeblich die Vorstellung des neuen Spielplans.
Der aus St. Gallen nach Erlangen gewechselte Knecht (hier das große curt-Interview zum Amtsantritt) will gar nichts beschönigen. Zuweilen sei man verzweifelt gewesen und habe sich grundlegende Fragen gestellt: “Macht das überhaupt noch Sinn?”. Gleichzeitig sei Erlangen aber trotzdem nach wie vor ein super Nährboden für Theater: die Politik stehe hinter dem Haus, das Publikum sei neugierig, die Abozahlen gestiegen, die Auslastung, noch ohne konkrete Zahlen, gut. Im Sparzwang habe man alles, jede Ausgabe auf den Prüfstand gestellt. Kaputt gehen dürfe im Großen Haus in der kommenden Spielzeit nichts mehr. Die Aufgabe der Theaterleitung bestehe nun aber vor allem darin, einer Abwärtsspirale vorzubeugen, Schließungen unbedingt zu vermeiden, sichtbar zu bleiben. Trotz insgesamt rund 30 Prozent weniger Budget. “Wir haben ausgequetscht, was auszuquetschen war.”
Es ist denn auch im Programm der Spielzeit 25/26 nur eine Premiere weniger als in der laufenden Saison. Der Fokus liege nach wie vor auf neuer Dramatik und der Vielfalt der Formen. Aber man habe auch ein Ohr am Publikum, das sich einen Klassiker wünsche. Wenn schon Klassiker, dann gleich richtig: Die Spielzeit beginnt am 20.09. mit Schillers Die Räuber. Hausregisseur Matthias Köhler wird eine Version erarbeiten, die einerseits textlich nah am Original ist, andererseits aber in der nahen Zukunft spielt. Das werde, so Dramaturgin Natalie Baudy, “ein großes Spektakel, wie es Schiller gebührt.”
Daneben wird sich der Sparmodus, aber sicherlich auch im Künstlerischen niederschlagen, was ja gar nicht schlecht sein muss. Es sind schmalere, kreative Ansätze gefragt. Die zweite Premiere der Spielzeit erzählt von einer Sci-Fi-Jazzbar. Bar Omega wird ein Musik- und Tanzabend, entwickelt von den beiden Ensemblemitgliedern Marie Hanna Klemm und Hannah Weiss, denen damit ein Wunsch erfüllt werden konnte. Auch bei der Uraufführung Eat My Fear im Juni steht der Tanz im Vordergrund: Die Choreographin Caroline Finn erarbeitet einen bildgewaltigen Abend aus Basis der surrealen Bildwelten von David Lynch.
Ein Dreiklang an Stücken greift die politischen Verwerfungen einer komplexer und verrückter werdenden Welt auf. Zunächst Miru Miroslava Svolikovas dramatisches Gedicht Europa flieht nach Europa, das den Gründungsmythos des Kontinents umdreht. Jonas Knecht wird es als szenisches Konzert mit Live-Drummer auf die Bühne bringen. Dann, Februar, eine Neuproduktion mit lokalem Bezug: Matthias Köhler und Natalie Baudy beschäftigen sich mit dem Doppelmord am Rabbiner Shlomo Lewin und seiner Partnerin Frida Poeschke, 1980 in Erlangen und decken mit ihrem Stück Brauner Schnee über Franken rechte Strukturen auf, die bis in die Gegenwart reichen. Und drittens: Endsieg, das jüngste Werk der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, geschrieben kurz nach dem zweiten Wahlsieg von Donald Trump. Nina Mattenklotz (in Erlangen zuletzt: Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert) inszeniert diesen bösen, abgründigen, aber auch lustigen Text.
Unbedingt notwendig für das schauspiel erlangen, um in diesen Zeiten präsent bleiben und Qualität anbieten zu können, sind neue Kooperationen, die die Last aufteilen. Das Jugendstück (13+) I Kill You Back, ein Stück über digitale Gewalt an Frauen, geschrieben von – auch das wird inhouse erledigt – Anita Augustin und Natalie Baudy, wurde von Zonta International, dem Zusammenschluss von Frauen in Führungspositionen in Auftrag gegeben. Der Letzte löscht das Licht, eine Graphic Novel über den Tod kommt in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Comic-Salon auf die Bühne. Der Erlanger Haus-Experte für Live-Hörspiel, Eike Hannemann, macht aus dem Comic genau das. Und zusammen mit dem gVe (Gemeinnütziger Theater- und Konzertverein Erlangen) startet eine neue Reihe: Klingt gut bringt Kammermusik und literarische Texte zusammen. Weitere Kooperationen mit dem E-Werk, das im November Sophie Hunger im Theatersaal veranstalten wird, werden angestrebt.
Es sei, sagt Knecht mit stolz, “ein Spielplan, der nicht schreit: Wir müssen sparen.” Das obwohl beispielsweise der Ausstattungsetat heruntergeschraubt wurde. So konnten Entlassungen vermieden werden. Auch bei den Ticketpreisen hat das schauspiel erlangen nachjustiert, das betreffe aber vorrangig die teuren Plätze. Dass weitere Sparrunden ausbleiben werden, kann ihm die ebenfalls anwesende Kulturreferentin Anke Steinert-Neuwirth jedoch nicht versprechen. Knecht: “Das würde massive Auswirkungen haben. Ich weiß noch nicht, wie es dann geht.” Das schauspiel erlangen ist auf der Suche nach Sponsoren, Privatpersonen können sich mit Patenschaften an der Stabilisierung des Hauses beteiligen.
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