Frieder Graef: Aus Chaos einen Song machen
#Frieder Graef, #Interview, #Lokale Mukker, #Musik
Wenn sich auf der curt-Hotline bei Lampe ein langjähriger Kumpel meldet, den er schon immer cool fand, und der sein allererstes Solo-album vorstellen will, man sich dafür extra beim Konzert von John Cale in Schwabach trifft ... dann ist klar: Tommy muss interviewen.
TOMMY: Hallo Frieder, wie geht’s dir und wie fühlen sich die ersten Tage nach dem Release an?
FRIEDER: So weit sehr gut. Das ist mein erstes Soloalbum – da gibt es natürlich mehr Aufregung, als wenn man Teil einer Band oder Gastmusiker auf einem Album ist. Es gibt viel, was zu einem Albun-Release dazugehört. Das ist für mich neu, deswegen klappt nicht alles. Ich bin sehr froh, dass mir Martti Mäkkelä Trillitsch bei vielen bürokratischen Fragen geholfen hat, das Album auf seinem Label 9pmrecords zu veröffentlichen. Hier deswegen nochmal: Thx Martti!
Warum kommt dein Debütalbum erst nach so vielen Jahren des Musikerdaseins raus?
Naja, ums kurz zu machen: Corona und Organisations-Defizite. Ich wollte eben unbedingt mit bestimmen Künstlern was machen, die ich seit Jahrzehnten kenne, schätze und deren Fan ich bin. Zeit dafür zu finden, war ein Herausforderung. Peta Devlin z.B ist eine vielbeschäftigte Frau aus der Hamburger Schule/Szene. Termine zu finden konnte gut und gerne mal ein halbes Jahr dauern. Und um aus meiner Rolle des Sidemans rauszuwachsen hat es dann auch noch ein paar Jahrzehnte gedauert.
Das Album entstand in Zusammenarbeit mit Hans Fuss (Robocop Kraus), Peter Heider (Boozoo Bajou) und vielen anderen fränkischen Musiker:innen.
Wie kann man sich den Prozess vorstellen? Wurden hier deine Ideen 1:1 umgesetzt oder wurde eher gemeinschaftlich an dem Projekt gearbeitet?
Die Grundidee bei diesem Album war, kein bestimmtes Konzept zu haben, sondern zu schauen, was sich ergibt, und wer Zeit und Lust hat. Quasi aus Chaos irgendwann einen Song zu machen, ohne Rücksicht auf Verluste. Bei einigen Stücken habe ich z.B. fünf Schlagzeuger ausprobiert. Da kam es schon mal vor, dass der eine oder andere ein wenig beleidigt war. Jede:r Musiker:in hat seine eigene Herangehensweise, was das Ganze ja so spannend macht und man nie vorhersehen kann, was dann rauskommt. In “Konzeptbands“ habe ich jahrelang gespielt, was auch seinen Reiz hat, aber ich wollte jetzt eben mal das Gegenteil machen. Ohne Deadlines und Einschränkungen, die einen daran hindern, für sich etwas Neues zu entdecken.
Deswegen ist das auch kein klassisches Singer/Songwriter-Album, sondern eher eine Collage oder eine Playlist. Den Begriff “Allwetter Album“ fand ich bei einer Rezension witzig und zutreffend. Oder auch „Breitwandalternativefolkpopjazzkraut“. Außerdem wollte ich mir den Luxus leisten, auch mal lange Intros oder Outros bei einem Stück zu haben, die normalerweise auf eine Playlist-kompatible Länge von heutzutage 2:30 Minuten gekürzt werden. Ich finde es super, dass ich auf meinem Album „Golden Receiver“ einen 6:46 und einen 7:53 Minuten langen Song und zwei Instrumentals habe, ohne das mit jemandem absprechen zu müssen. Irgendjemand hat mal gesagt: In einer Band zu spielen, ist wie gleichzeitig zu fahren und gefahren zu werden. Deswegen wird ab jetzt selber gefahren!
Der Stil der Platte beinhaltet so vieles, ohne beliebig zu sein. Von Americana Sounds, Dub-Anleihen bis hin zu Harmoniewelten, die mich an Wilco, Bruce Springsteen und auch Bleachers erinnern. War das der Plan – oder ist das einfach Frieder Graef?
Das ist definitiv Frieder Graef. Der Plan war eben, keinen Plan zu haben. Ich fand auch schon immer Künstler interessant, die nicht ihr Leben lang eine Stilistik bedienen, sondern das reflektieren, was gerade bei ihnen passiert. Das kann dann auch mal anstrengend für das Umfeld werden, ist aber langfristig immer interessanter.
Wirst du das Projekt, bzw. die Platte, auf die Bühne bringen?
Unbedingt. Ich bin ja gelernter Livemusiker. Das, was mir am meisten Spaß macht, ist, unterwegs zu sein und neue Leute und Orte kennen-zulernen. Außerdem fahre ich immer noch gerne Auto. Ich werde jetzt mal eine Zeit lang Soloshows spielen. Eventuell mit ein, zwei Begleitmusiker:innen. Normalerweise wäre ich nach dem Album-Release einige Zeit auf Tour. Ich kann zur Zeit aber aus privaten Umständen nicht so oft weiter entfernt spielen, wie ich es gerne würde. Eine Release-Party wird’s daher voraussichtlich erst Herbst/Winter geben. Mal schauen, was sich ergibt.
Du bist seit Jahrzehnten als Musiker in und aus Franken aktiv. Wie ist dein Blick auf die hiesige Szene im Wandel der Jahrzehnte?
Hm, schwer zu sagen, da ich bis Corona selber viel außerhalb unterwegs war – und nicht so aktiv in der Nürnberger Szene. Es gibt nach wie vor kreative Künstler:innen in Franken, die es sich lohnt, anzuschauen. Dem war eigentlich schon immer so. Was die Jungs von Folk Worst Nightmare z.B. so machen, ist so ziemlich einzigartig in Deutschland und wird meines Erachtens nicht genug gewürdigt.
Das Album trägt den Titel „Golden Receiver“. Gibt es dazu eine Story?
Das ist einfach: Mir hat das Schriftbild gefallen. Ich bin Hundefan, wie man in meinen Videos sehen kann. Peter Heider hat auf seinem Solodoppelalbum „Dunkel Dur + Hell Moll“, bei dem ich bei einigen Songs mitgespielt habe, ein Stück, das „The Golden Receiver“ heißt.
Ich dann zu Peter: Mein Album heißt Golden Receiver, okay? “
Die Platte ist wirklich überragend und ich denke, das ahnst du auch. Hast du nach all den Jahren noch Ambitionen in Sachen Erfolg?
Für mich ist ein Erfolg, wenn ich es schaffe, eine Idee umzusetzen. Ob das dann jemandem gefällt, hat mehr mit Glück und Zufall zu tun und ist zweitrangig. Ich versuche immer, mir meinen kindlichen Spieltrieb zu bewahren. Etwas zu machen, ohne erst mal an die Folgen zu denken. Natürlich freue ich mich auf positive Resonanz, aber der Spaß liegt bei mir eher im Machen, als darauf zu warten, beklatscht zu werden. Die ersten Jahre mit Smokestack Lightnin’ haben mir z.B. am besten gefallen, obwohl sich damals nicht viele dafür interessiert haben und wir uns schwergetan haben, rumzukommen.
Und jetzt bitte noch deine Top Spots in der Region.
Keine speziellen, aber immer da, wo gute Bands spielen und interessante Künstler:innen auftreten. Obwohl, doch: Die Heilbronner Autobahn, weil sie mich zu Auftritten und wieder nach Hause bringt. Da kann man sich auf sie verlassen. Es gibt nichts Schöneres, wenn man nach einer langen Tour die A6 entlang fährt und den Blinker bei der Schwabacher Ausfahrt setzt …
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Frieder GRaef – Erstes Soloalbum
Seit fast 18 Jahren steht er als Gitarrist und Sänger mit SMOKESTACK LIGHTNIN auf der Bühne. Seit sechs Jahren spielt er zudem Bass und singt bei THE GREEN APPLE SEA. Er tourte mit BELA B, THE BOSS HOSS und EDDIE ANGEL und spielte auf Bühnen wie Rock im Park, im Olympiastadion, aber auch in Las Vegas und Singapur. Neben den großen Shows gehören auch spontane Lagerfeuer-Gigs und musikalische Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Gudrid Hánsdottir und Lars Attermann zu seinem Weg. 2014 erschien seine erste Solo-Vinylsingle, gefolgt von eigenen Konzerten, unter anderem als Support für THE BOSS HOSS Folk im Park.
www.friedergraef.com / Insta: @frieder.graef
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