Im Gespräch: Tanger
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Normalerweise interviewt Tommy Wurm, unser Mann fürs Lokale Bandgeschehen, die erfolgreichen, guten und wichtigen Menschen aus dem lokalen Bandgeschehen. Nun landete in diesem Monat ein Album auf dem Curt-Schreibtisch, das zwölf wundersam schwebende Space-Pop-Nummern versammelt und dessen Interpret auf den Künstlernamen Tanger hört. Tanger ist unser Curt-Schreiber Tommy Wurm – und der kann sich ja nun nicht selbst interviewen. Doch, das könnte er schon, muss er aber nicht.
curt: Als du vor zwei Jahren deine Studioarbeit für It Is The Time begonnen hast, wie konkret waren da deine Vorstellungen davon, wie sich das im Endeffekt anhören soll?
Tommy: Um ehrlich zu sein gab es nur einen inneren Drang, ein Album zu machen. Ich hatte ja auch schon bei Wrongkong die Musik zu 95% allein geschrieben. Die Herausforderung – die ich durchaus unterschätzt habe – war der Gesang, vor allem bei meinen eher limitierten gesanglichen Fähigkeiten, die sich aber am Rechner ganz okay kaschieren lassen. Ein musikalisches Konzept gab es allerdings nicht wirklich. So etwas entwickelt sich bei mir immer, während ich daran arbeite.
Wie muss man sich deine Soloarbeit an Songs vorstellen?
Meist steht am Anfang eine Melodie oder Akkordfolge. Dann singe ich relativ schnell eine Gesanglinie in irgendeinem Kauderwelsch ein, um zu sehen, ob das für mich funktioniert. Danach arbeite ich den Song aus, schreibe einen Text und singe ihn ein. Häufig habe ich aber dann gemerkt, dass die Vocals einen Halbton höher oder tiefer besser kommen – dann muss man eben den gesamten Song nochmals neu einspielen.
Du bist ja schon seit vielen Jahren als Musiker und Produzent aktiv und hast z.B. mit The Strike Boys und Wrongkong Platten veröffentlicht. War es schwierig für dich, alleine zu arbeiten, oder eher so etwas wie befreiend?
Das Schöne daran war, keinem hinterher telefonieren zu müssen. Ich war da, hatte Lust und recordete so vor mich hin. Was natürlich fehlt ist ein spontanes Korrektiv. Letztendlich hatte ich „nur“ meinen Bruder und meine Frau, die mir ihre Ohren geliehen haben und deren Geschmack ich auch zu 100% vertraue. Aber manchmal hätte mir jemand, der beim Arbeiten neben mir sitzt und hier und da Bescheid gibt, dass es komplett in die falsche Richtung geht, eine Menge Zeit erspart.
Inhaltlich beziehen sich deine Songs mehr oder weniger auf den roten Faden Zeit. Würdest du sagen, es war ein wichtiger Aspekt deiner Vision, ein möglichst „rundes“, konzeptuelles Album aufzunehmen?
Nein, ganz und gar nicht. Konzeptionelles Arbeiten und Kreativität gehen für mich nicht zusammen. Mir ist erst im Laufe der Zeit aufgefallen, dass sich das Thema Zeit nahezu in jedem Song wiederfindet. Dies mag meinem eigenen Alter geschuldet sein oder den ganzen Universum/Kosmos-Dokus, die ich beim Einschlafen “höre“, haben sich in meinem Unterbewusstsein eingenistet. Nur beim Song “No Time“ habe ich bewusst die Frage gestellt von Zeit als Dimension und was passieren würde, wenn sie nicht so linear wäre, wie sie uns erscheint.
Ich würde die Musik von Tanger jetzt mal als schwelgerisch-atmosphärischen Elektropop bezeichnen, sehr zeitgeistig, mit leichtem 80s-Feel. Ist das die Musik, die Tommy Wurm auch als Konsument bevorzugt?
Mein musikalischer Kosmos speist sich aus verschiedensten Quellen. Da ist meine Arbeit als Festivalveranstalter, als Musikjournalist, als DJ und als Musiker. Mir gelingt es eigentlich ganz gut, die verschiedenen Aspekte zu trennen. Es gibt tolle Platten und Künstler, die dann allerdings nicht meinem privaten Geschmack entsprechen. Ich persönlich liebe Mac Miller, Anderson Paak, höre viel Soul und HipHop. Warum alle immer Elektropop in meiner Musik hören, weiß ich auch nicht – wahrscheinlich, weil es so ist. Ein Rap-Album werde ich sicherlich nicht mehr hinbekommen, aber ein Soul-Album steht ganz oben auf meiner Agenda.
Als Mitveranstalter des Nbg.Pop Festivals (und natürlich als curt-Schreiber) prägst du die lokale Szene entscheidend mit. Wie wichtig und hilfreich wird das für Tanger sein oder siehst du das eher als überregionales Projekt an?
Wohin Tanger geht, kann ich nicht sagen. Ich bin da auch zwei Personen. Der Nbg.Pop-Mitveranstalter und curt-Schreiber hat die lokale Szene immer fest im Blick und versucht diese zu pushen, wo es geht. So viel ungeheuer gutes Potential in der Stadt! Der Künstler in mir hat ein eher ambivalentes Verhältnis zum Kulturtreiben in Nürnberg. Mir ist immer noch schleierhaft, wer diesen Samen gesät hat, dass es sich fast schon verbietet, musikalisch ambitioniert zu arbeiten und dies auch noch öffentlich preiszugeben. Fakt ist jedoch, dass es noch keine Nürnberger Band oder Künstler*in aus dem Pop Bereich geschafft hat, nachhaltig erfolgreich zu sein. Das mag Zufall sein, nur allein mir fehlt der Glauben. Ich sehe da eher strukturelle Versäumnisse in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Nürnberg kann so viel, nur leider sich nicht verkaufen. Und bei aller künstlerischen Romantik – wenn du dich selbst nicht verkaufen kannst, kauft dich auch keiner.
Wie geht’s unserer lokalen Szene denn aus deiner Sicht gerade und woran fehlt es den Musikerinnen und Musikern?
Es gibt viele sehr gute und talentierte MusikerInnen in der Umgebung. Was fehlt sind professionelle Strukturen. Ich glaube, diese ganze Proberaum-Diskussion ist nicht zielführend. Es fehlt nicht unbedingt an Räumen, sondern an Visionen und Leuten, die den aufstrebenden MusikerInnen Mut machen und Wege aufzeigen, dass man auch ohne das sichere Lehramtsstudium im Rücken ein Leben als MusikerIn bestreiten kann. Es fehlt natürlich auch an Labels und Booking-Agenturen, aber was vor allem fehlt, ist eine Haltung, die dir sagt: „Du machst Musik, ich backe Bot – und beides sind Berufe und beides sind wichtige gesellschaftliche Beiträge, die ein Einkommen verdienen“.
Obligatorische Frage: Ein Soloprojekt – werden wir Tanger bald live sehen können und wenn ja, wie und mit wem wirst du die Songs umsetzen?
Ausgeschlossen ist das auf keinen Fall. Aber durch die Clubs der Republik tingeln und dort vor 15 Leuten spielen, das hatte ich schon zur Genüge. Sollte jedoch Nachfrage entstehen, bin ich für alles zu haben und werde mir auch Gedanken zur Besetzung machen. Mein Bruderherz Markus wird aber auf jeden Fall die Trommeln bedienen.
Und zu guter Letzt drehen wir noch deinen beliebten Interviewspieß rum: Deine fünf wichtigsten Alben aller Zeiten, bitte!
Oh je… 50 Platten würden da nicht ausreichen. Aber so spontan sage ich jetzt mal: Daft Punk - Homework. Burial - Untrue. David Bowie - Heroes. Anderson. Paak - Malibu. Und Kanye West - alles.
TANGER: It Is The Time
Veröffentlichung: 14.02.2020
Label: Modernsoul. www.modernsoul.de
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