Egersdörfer + Jordan: Party
#Matthias Egersdörfer, #Michael Jordan, #Party
Story von Matthias Egersdörfer, Illustration: Michael Jordan
Da schau her, in einem Schloss feiert die. Mit Parkanlage. Da laufen bestimmt im Sommer Zebras und Flamingos rum. Jetzt überwintern die in Volieren. Oder wurden geschlachtet. Dann gibt’s heute Zebragulasch, Flamingosüppchen. Was für ein Eingangsbereich. Der Empfangschef begrüßt mich. Wo die das Geld für so etwas hernimmt? Gibt ihre Anstellung so viel her? Da oben. Die. Wie war doch gleich ihr Name? Die Frau von dem ambitionierten Musikanten, der seit den späten neunziger Jahren an einer Komposition arbeitet. Sie trägt eine schwarze Hose. Dazu ein schwarzes Hemd. Ob jemand gestorben ist? Dazu winkt sie aber sehr fröhlich. Wie die das aushält? Sieht aber noch gut aus. Zumindest aus den zwanzig Metern Entfernung, die mich von ihr trennen. Da seh ich nicht mehr scharf. Aber die Häppchen, die gereicht werden, seh ich. Ob ich gleich einmal hingehen soll? Das ist zu aufdringlich. Hab ich einen Hunger. Ob es nur Häppchen gibt? Soll ich einmal fragen? Der Sekt ist gut. Hab ich einen Hunger. Wenn ich den Sekt so hineinschütte, bin ich sofort besoffen und muss mich hinlegen. Ich bin sowieso übernächtigt. Die Gastgeberin in einem sehr schönen Kleid. Eigentlich ist sie schon hübsch. Der Andreas hat mich einmal gefragt, ob die nicht was wäre für mich. Ich hab mich das sogar schon öfter gefragt. Und er hat mir auch versichert, dass sie mich ganz gut findet. Ist aber schon lang her. Sie hat ja immer noch keinen. Also nichts Festes. Das Kleid steht ihr ausgezeichnet. Wie sie sich freut. Oder spielt sie das nur? Geradezu euphorisch ist sie. Vielleicht hat sie auch gekokst. In ihren Kreisen macht man das bestimmt. Gelegentlich. Wenn was da ist. Nur gutes Zeug. Wen sie alles eingeladen hat. Ob die Innenarchitektin da ist? Würde mich wundern. Da gab es doch Streit. Die Gastgeberin und die Innenarchitektin waren gemeinsam nach Griechenland gefahren. Die Architektin hat die ganze Zeit von ihrem Liebes- und Lebensleid erzählt. Das konnte die andere gegen Ende hin nicht mehr ertragen. Der Markus hat die gebumst. An meinem Geburtstag. Groß gefeiert. In der ehemaligen Metzgerei. Das hat er mir Jahre später gebeichtet. Ich hatte gar nicht gedacht, dass es da überhaupt Räumlichkeiten gibt, die dafür in Frage kämen. Die Eltern der Gastgeberin sind jedenfalls da. Die habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die Mutter. Unverändert. Auf den Tischen wären Kärtchen. Ich solle mich nicht sorgen. Hat sie gesagt. Ich würde die Menschen an meinem Tisch gut kennen und nett finden. Da.
Das muss ich sein. Handgeschrieben. Kaum zu entziffern. Wir waren doch öfter mal in London. Haben in Schottland Silvester verbracht. Viel getrunken und geraucht. Damals habe ich noch geraucht. Von früh bis spät. Der Gitarrist sitzt neben mir. Wie war doch sein Name? Schaut gut aus. Unverändert. Wie er da sitzt. Ein Gentleman. Erzählt. Wie er das schildert. Wie er die Frau angestarrt hätte. Dann kam er mit ihr ins Gespräch. Bestimmt hat er sie gebumst. So direkt formuliert er das jetzt nicht. Ach. Nach Amerika hat er sie begleitet. Sie hat ihn ausgehalten. Das gönne ich ihm. Und dieser Frau. Wie er erzählt. Wie aus einem Buch. Er sollte das aufschreiben. Was der alles erlebt. Der lässt auch nichts aus. Wenn der das aufschreiben würde. Wenn der nur die Hälfte aufschreibt. Das wäre eine wunderbare Kurzgeschichte. Mit Fleisch und saftigem Fettrand. Soll ich ihm das jetzt sagen? Dass er das aufschreiben soll? Nein. Lass ihn erzählen. Unterbrich ihn nicht. Wie er diese Kneipe beschreibt. Wo diese alte Dame hinterm Tresen steht und Rock and Roll auflegt. Literatur. Gegenüber von mir setzt sich jetzt Frau Designerin. Ojemine. Ratzeputze kurze graue Haare. Das ist einmal eine Ansage. Die Zeit ist auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. An ihren Augen sieht man es besonders. Faltenringe. Ihre Kinder dürften jetzt aus dem Haus sein. Da weiß sie jetzt bestimmt nicht, was sie mit ihrer ganzen Zeit anstellen soll. Waschen, kochen, nähen für mehrere Personen. Das fällt ja jetzt alles weg. Auf die Politik darf ich sie nicht ansprechen. Sie engagiert sich bei versponnenen Extremisten. Was man so hört. Mir hat sie neulich eine SMS geschickt. Irgendeine Petition. Auflösung des Bundestags. Kommentarlos. Ich hab nichts darauf geantwortet. Ich muss ihr gegenüber jegliche Themen in der Richtung aussparen. Bloß nicht auf die allgemeine Lage zu sprechen kommen. Keinen Anlass geben, dass sie mit ihren Thesen daherkommt. Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Ach, der Gitarrist erzählt so schön. Er hat etwas von einem Cowboy. Wie er über Musik spricht. Er malt Bilder von Kneipen. Wo noch gesoffen wird. Wo die Intellektuellen saufen und die Künstler. Wo noch geraucht werden darf. Ich muss Urlaub nehmen. Ich muss mich mit ihm einmal verabreden, dass wir uns mal mehr als einen halben Tag in so einem Etablissement in aller Ruhe besaufen. Er musste noch vor Gericht wegen der Wehrdienstverweigerung. Dann ist er wirklich gehörig älter als ich. Den Mann von der Extremistin hätte ich nicht fragen sollen, wo er seinen Zivildienst abgeleistet hat. Wie man es mit so jemandem aushalten kann? Kann man das sagen, dass der, wenn er an der etwas findet, zweifelsfrei auch ein paar Schrauben locker hat? Obgleich ja Paare immer sehr unterschiedlich sind. Der Sinnliche und die Spröde. Die naive Herzenswarme und der Verstockte. Die Wahnsinnige und der Realist. Vielleicht lieben sie sich. Liebe ist wahrscheinlich unerklärbar. Nicht nachvollziehbar, wie Menschen zueinander finden. Seltsamer Magnetismus. Der findet ja kein Ende bei seiner Antwort. Der hört ja gar nicht mehr auf zu reden. Der will einen zutexten. Wahrscheinlich redet daheim die Extremistin ohne Unterlass. Der braucht ein Ventil. Der muss die nichtgesagten Wörter aussprechen. Sonst platzt der. Der Wortstaudamm ist gebrochen. Leichter Druck auf der Blase. Ist ja schon mein zweites Bier. Ich geh aufs Klo. Der hört ja nicht mehr auf. Die Geschiedene. Mein Gott, ist die bleich im Gesicht. Die farblosen Haare verstärken das. Ein faltiger Truthahnhals. Da kommen nur ein paar Tropfen. Da hätte ich jetzt nicht aufs Klo gebraucht. Vielleicht habe ich was mit der Prostata? Fängt das nicht so an? Probleme beim Wasserlassen. Aber ich verspüre ja keinen Druck. Und eigentlich gehe ich ja häufig zum Pinkeln und da kommt immer etwas raus. Ich hole mir jetzt noch was zum Essen. Einen zweiten Teller. Das Fleisch ist nicht gut. Zäh und faserig. Das Risotto schmeckt nach gar nichts. Mit Lachs. Lachs sollte man ja auch gar nicht mehr essen. Das hat der Schauspieler doch neulich im Fernsehen erklärt. Auch so ein eitler Gockel, der sich selbst gern reden hört. Hat jetzt das Biologische für sich entdeckt. Ein nachhaltiger Schauspieler. Dass ich nicht lache. Trotzdem fand ich das, abgesehen von allen Eitelkeiten, sehr glaubhaft, dass Lachs einfach gar nicht mehr geht. Die spritzen Psychopharmaka in diese riesigen Becken, wo die dicht an dicht darin stehen, damit die nicht durchdrehen. Stehen nebeneinander im Wasser, ohne sich zu rühren. Fressen, scheißen. Wenn sie fett sind, werden sie vom Tod erlöst. Der redet ja immer noch über seinen Zivildienst. Da darf ich schön noch warten, bis sich eine Pause ergibt, in der ich wieder einmal etwas sagen darf. Warum tu ich mir so etwas überhaupt noch an? Ich treffe mich lieber mit einer Person. Aber das hier hat so etwas Unangenehmes wie eine Talkshow. Alle reden durcheinander. Mir ist das Gespräch mit dem Einzelnen viel lieber. Fokus, Aufmerksamkeit. Wenn man merkt, dass man sich nichts mehr zu sagen hat, leitet man langsam die Verabschiedung ein. Tschüss. Aus die Maus. Jeder versucht sich vorzudrängeln. Ich bin eigentlich gar nicht gesellig. Vielleicht liegt es daran, dass ich sehr müde bin. Wenn ich weiter so viel esse, werde ich bestimmt noch müder. Schau, der Cowboy hat sich nochmal Wein nachschenken lassen. Ich hol mir auch noch Bier. Vielleicht werde ich dann auch lockerer durch den Alkohol. Ich stoße mit dem Cowboy an. Bommerlunder. Grappa. Wir hören nicht auf mit dem Zeug. Die Vorhänge tanzen. Die Designerin hat auch Augen. Sie ist wunderschön. Whiskey. Rotwein. Ich hole Bier. Laufen fällt schwer. Ich will zur Gastgeberin etwas sagen. Die Wortbildung missglückt. Will mich setzen. Verfehle den Stuhl. Bleib unter dem Tisch liegen.
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Matthias Egersdörfer
Michael Jordan
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