Musik Installationen: Festival der begehbaren, performativen Raumsituationen

23. MAI 2025 - 1. JUNI 2025, NüRNBERG

#Festival, #Interview, #Klangkunst, #Kunst, #Musik Installationen Nürnberg, #Rauminstallationen

Drei Jahre sind vergangen, seit die Musik Installationen Nürnberg mit ihrer ersten Ausgabe erobert haben. Ein Team aus drei, damals noch zwei, Kurator:innen holt jede Menge extrem spannende Künstler:innen nach Nürnberg, die für spezifische Räume eben genau das entwickeln, was kein Konzert ist und keine Performance, sondern eine Musikinstallation. Das Spektrum reicht von der Kollektiv-Choreografie im Luitpoldhain über die Verwandlung der Egidienkirche in einen Barock-Club bis zum Horror-Musical in der Akademie Galerie. Wir haben uns mit Bastian Zimmermann und Marie-Therese Bruglacher darüber unterhalten, was Musikinstallationen eigentlich sind und warum Nürnberg der perfekte Ort dafür ist. 

Die Musik Installationen gab es schon einmal, 2022. Jetzt die zweite Ausgabe, warum drei Jahre Pause?
BZ: Ja, endlich die zweite Ausgabe! Wir hatten es zuerst für zwei Jahre später in 2024 gedacht, als Biennale. Bei der ersten Ausgabe ging alles sehr schnell, wir haben das Festival innerhalb von sechs Monaten mit Hilfe der Nürnberger Freien Szene auf die Beine gestellt. Wir hätten dann allerdings direkt zwei Wochen nach dem ersten Festival 2022 schon den ersten Antrag für das zweite in 2024 stellen müssen – so professionell waren wir dann doch nicht (lacht).

„Musik Installationen Nürnberg ist ein transdisziplinäres Festival für Musik als performative Raumkunst“, das habe ich kopiert. Könnt ihr mir das einmal erklären, als wäre ich fünf?
MTB: Okay, fünfjährig ist ein gutes Alter: Da sind viele Künstler:innen und Musiker:innen, die laden dich ein in verschiedene, ganz besondere Räume. In diesen Räumen machen die Künstler:innen Musik und bewegen sich. Und in manchen dieser Situationen kannst du sogar mitmachen. Wie du den Raum und die Situation letztlich erlebst, wie lange du bleibst, das bleibt dir selbst überlassen.

Ihr werdet über zwei Wochenenden neun experimentelle Installationen in der Stadt veranstalten. Wo liegt für euch der entscheidende Unterschied zum Konzert?
MTB: Uns interessiert ein gewisses Format, das wir Musikinstallation nennen. Musikinstallationen sind musikalisch-performative Situationen. Neben der Offenheit, mit der das Publikum sich in die Räume bewegen und verbleiben kann, war unsere ganz konkrete Frage an die Künstler:innen, Arbeiten zu entwickeln, die als anhaltende Situationen funktionieren. Damit stellen wir einerseits die traditionelle Zeitlichkeit des Konzerts oder der Performance mit Anfang und Ende in Frage und schlagen eine zeitlich und räumlich ausgedehnte Wahrnehmung vor. Räumlich im Sinne der Beziehungen, die sich zwischen Performenden, Publikum und Raum ergeben. Uns ist dieser soziale Aspekt der Arbeiten enorm wichtig.
BZ: Der Unterschied liegt maßgeblich in der Offenheit der Situationen und der Länge davon. Wir laden nicht zum 20-Uhr-Konzert ein, sondern sagen, dieser Raum hat geöffnet von 12 bis 17 Uhr. Und noch acht weitere andere – kommt vorbei!

Marie-Therese, du lebst in Lissabon derzeit, Bastian du in München, Laure in Wien. Warum ist Nürnberg ein guter Ort für euer Festival?
BZ: Ich hatte vor schon nun fünf Jahren eine Arbeitsbeziehung zur Kunstakademie und habe bemerkt, wie offen und warm die Menschen, insbesondere in der Freien Szene, miteinander arbeiten und leben. Und es gibt immer wieder neuen Leerstand in der Stadt, wie jetzt der ehemalige Kaufhof zum Beispiel, in dem wir auch eine Arbeit mit der britischen Gruppe Bastard Assignments entwickeln. Und als dritten Punkt ist Hajo Wagner seitens der Stadt Nürnberg zu erwähnen, der von Anfang an an unsere Idee geglaubt hat.
MTB: Ich bin ursprünglich Münchnerin, hatte aber viele Jahre keine Verbindungen mehr nach Bayern. Bevor ich nach Lissabon zog, habe ich in Berlin gelebt und dort über die letzten Jahre überwiegend ortsspezifisch mit Performance und Musik in nicht-institutionellen Räumen gearbeitet. Das war der ausschlaggebende Punkt, über den Laure, Bastian und ich in Kontakt kamen und uns für die 2025er-Ausgabe der Musik Installationen zusammengetan haben. Als ich dann Nürnberg als Stadt mit ihren spannenden Räumen, aber insbesondere die unterschiedlichen künstlerischen Szenen und umtriebigen Menschen vor Ort kennengelernt habe, war ich sofort überzeugt, dass diese Stadt der richtige Ort für ein solches Festival ist.
Unabhängig von unseren persönlichen Wohnorten und Bezügen zu Nürnberg bietet sich die Stadt aber natürlich auch an. Die Stadt hat eine sehr lebendige Festivalszene und eine aktive Freie Szene, es gibt diverse Leerstände und viel Umnutzungspotential, wie Bastian schon sagte, es gibt aber vor allem viel Offenheit und Unterstützung, um etwas Neues aufzubauen und weniger institutionelle Grabenkämpfe, wie man es aus anderen Städten kennt.

Marie-Therese ist neu im kuratorischen Team, wie funktioniert eure Arbeitsteilung?
BZ: Marese ist mit Laure und mir Ko-Kuratorin, d.h., wir haben alle eine bestimmte Anzahl an Projekten eingebracht und arbeiten jetzt dahin gehend aufgeteilt an der Realisierung der Arbeiten. Im Fachjargon würde ich sagen: wir begleiten die Projekte dramaturgisch.

Ihr verteilt das Festival über unterschiedlichste Orte, auch ungewöhnliche sind dabei: Luitpoldhain, Dutzendteich, Parkhaus Sterntor. Wie einfach oder schwer war es, dort veranstalten zu dürfen? Über und auf welchen Ort freut ihr euch am meisten?
MTB: Die Liste der versuchten Orte sieht in der Tat noch viel wilder aus (lacht). Wir und auch die Künstler:innen sind sehr happy mit der Auswahl der Orte. Es gibt zentrale und weniger zentrale Orte, womit wir das Publikum auch ein Stück weit einladen wollen, Nürnberg kennenzulernen und nicht nur von Festivalort zu Festivalort zu hüpfen. Auch wenn die Koordination mit einem Ort wie beispielsweise der MAXI.kunst, der ehemaligen Sparkasse an der Maximilianstrasse, unglaublich toll läuft, heißt das noch nicht, dass der Ort einfach zu bespielen ist. Die Architektur des postmodernen Gebäudes ist genial, bringt aber eine Menge künstlerischer und räumlicher Herausforderungen mit sich. Hier bespielt die Choreografin Moriah Evans am 31. Mai und 1. Juni das gesamte Gebäude und kollaboriert hierfür mit der Komponistin Catherine Lamb und der Szenografin Doris Dziersk.
Neben der Zusammenarbeit mit dem Ehemaligen Reichsparteitagsgelände gibt es auch dieses Mal wieder schöne institutionelle Kollaborationen, wie beispielsweise mit dem Kunstverein Nürnberg. Hier findet am 24. und 25. Mai die Musikinstallation von Moor Mother statt und erweitert die gemeinsam gestaltete Ausstellung mit Black Quantum Futurism, die bis Ende Juli zu sehen sein wird. Den Open Call haben wir zusammen mit dem LEONARDO-Zentrum organisiert und Caroline Beach wird ihr Horror-Musical in der Akademie Galerie in der Innenstadt zeigen. Natürlich haben wir versucht, spannende Orte zu finden, ebenso wichtig war es uns aber, mit in Nürnberg ansässigen Institutionen und Akteur:innen gemeinsam temporäre Orte zu definieren.

Amir Shpilman wird im Luitpoldhain zu seiner Komposition eine Army of Love aus Freiwilligen choreografieren. Wie müssen wir uns das vorstellen? Sind die Leute schon an Bord oder ist das offen für alle?
BZ: Das wird sehr, sehr spannend und in der Tat sollen wirklich alle mitmachen und einfach am 24. Mai um 20 Uhr dort zum Luitpoldhain mit ihrem aufgeladenen Smartphone kommen und mitspielen. Grob gesagt geht es darum, dass über eine App hunderte Menschen in ein Spiel miteinander geraten. Schon kleine Aufgaben wie “Suche eine Person mit derselben Farbe auf dem Smartphone wie deiner” oder “Positioniere dich so, dass zu allen Personen um dich rum zwei Meter Platz ist” lösen spannende Choreografien aus, die sicher spannende, vielleicht auch erkenntnisreiche Verhandlung von Individuum und Masse auslösen.

Lulu Obermayer erarbeitet mit ihrem Bruder, DJ und Clubbebtreiber Benjamin Röder ein Stück, das von der barocken Architektur vom Aufführungsort Egidienkirche inspiriert ist. Ist dieses Arbeiten für den spezifischen Raum die Regel oder Ausnahme?
MTB: Die Frage, was zuerst kam, die künstlerische Idee oder der Raum, wird immer wieder mit ortsspezifischen Arbeiten gefragt. Es ist eine Mischung, würde ich sagen. Die Arbeiten entstehen in engem Austausch mit den Künstler:innen und so tastet man sich gemeinsam Stück für Stück vor und probiert. Mit Anke Eckardt war es beispielsweise so, dass uns beim gemeinsamen Sitevisit sofort klar war, dass wir mit dem Tretbootverleih am Dutzendteich arbeiten wollen, das wunderbar mit Ankes Idee zusammenpasste, eine Arbeit über Interspezies-Kommunikation zu machen – die Tretboote sind alles Tiere. Beim zweiten Teil der Arbeit hat sich die Ortssuche langwieriger gestaltet, bis wir endlich im Heizhaus untergekommen sind.
BZ: Jedes Projekt nimmt anders Bezug zum Raum. Im Luitpoldhain, stellen wir der historischen Idee von Masse – im Sinne von Soldaten in Spalier – eine andere Idee von Masse gegenüber. Lulu interveniert in die Egidienkirche; im ehemaligen Kaufhof breiten sich Bastard Assignments alltagsmäßig aus und behausen etwas, das vorher allerlei Dinge zum Hausen zum Kauf anbot.

Was ist für euch das Highlight, worauf freut ihr euch am meisten?
BZ: Das ist schwer zu sagen, wenn man so tief drinsteckt und die Produktionen gerade voranbringt. Generell freue ich mich einfach riesig, dass es geklappt hat, ein zweites Mal die Gelder, sogar noch größere, wieder zu akquirieren und das Festival aufleben zu lassen und mehr und mehr Festivalbesucher:innen aus Nürnberg, dem deutschsprachigen Raum und auch Europa zu begrüßen. Die Stimmung und Gespräche beim ersten Mal in 2022 waren einfach grandios.
MTB: Persönlich freue ich mich am meisten auf den Moment, in dem alles zusammenkommt, d.h., wenn wir, das Team und die Künstler:innen, endlich zusammen vor Ort sind. Und wenn die einzelnen Arbeiten endlich konkret Form annehmen. Das ist jedes Mal wieder ein magischer Moment.

___
Musik Installationen Nürnberg – RaumZeitKörper-Musiken
Vom 23. Mai bis 1. Juni gibt es neun Installationen an verschiedenen Orten in Nürnberg mit über 50 internationale Künstler:innen.

Stolzer Medienpartner: curt

Marie-Therese Bruglacher hat Contemporary Art Theory an der Goldsmiths University sowie Kunstgeschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Von 2019 bis 2022 leitete sie am Berliner Schinkel Pavillon das Performance- und Musikprogramm Disappearing Berlin. Als freie Kuratorin interessiert sie sich für das kritische Potential von Liveperformance.

Bastian Zimmermann ist freier Autor, Redakteur, Dramaturg und Kurator im Bereich neu komponierter Musik, Theater und Performance. Er gibt die Zeitschrift „Positionen – Texte zur aktuellen Musik“ heraus und übernimmt 2025 zusammen mit Patrick Becker den Wolke Verlag, der Bücher über Musik publiziert.



 




Twitter Facebook Google

#Festival, #Interview, #Klangkunst, #Kunst, #Musik Installationen Nürnberg, #Rauminstallationen

Vielleicht auch interessant...

KULTURWERKSTATT AUF AEG. Seit das Lineup des diesjährigen It Isn’t Happening Festivals öffentlicht ist, sind wir ganz unruhig. Das Team das Livemusik-Clubmusik-bildende Kunst-Experimental-Mashup-Festivals holt Künstler*innen nach Nürnberg, die faszinieren und begeistern und Sachen anders machen. Tolles Ding. Wir haben mit Antares Igel aus der Festivalorga über das diesjährige Konzept, die Kirterien von IIH und das Sitz-Tanz-Feeling gesprochen.   >>
AUF AEG. Ein Kunstfestival für all die Kunst, die im tradierten, hochoffiziellen Sektflöten-Betrieb nicht stattfindet. Outsider Art oder Art Brut nennen die Veranstaltenden der Idyllerei das, was vom 31. Mai bis 2. Juni in der Kulturwerkstatt auf AEG gezeigt und stattfinden wird. 
Mit dabei sind natürlich die Künstler:innen aus dem Kunstraum der Lebenshilfe, aber auch viele, viele internationale Gäste.   >>
curt und die Kunst – das gehört längst zusammen. Redaktionell auf jeden Fall, emotional sowieso. 
Diese Strecke im Magazin und Online macht unsere sowieso schon immer feine Partnerschaft mit Nürnbergs erster Adresse für zeitgenössische Kunst ganz offiziell.

Text: Marian Wild. Fotos: Instagramer*innen der
@igers_nürnberg

Der Staffelstab wurde längst weitergegeben: Seit letztem Sommer leitet Dr. Simone Schimpf als vierte*r Direktor*in Nürnbergs größtes Museum für zeitgenössische Kunst und modernes Design. Dass diese Zeit langweilig gewesen wäre kann man beileibe nicht sagen, zur Corona-Pandemie und der allgemeinen Krise des Kulturbetriebs gesellt sich seit Februar Ukrainekrieg und Inflation, die Energieknappheit des Winters winkt drohend vom Horizont. All diese Fragen gehen an einem zeitgenössischen Kulturort nicht vorbei, darum war es für uns vom curt höchste Zeit für ein ausführliches Interview über Nachhaltigkeit, Zukunftspläne und den feinen Zauber des Konkreten.  >>
THEODOR-HEUSS-BRüCKE. ... BRÜ ZUM DRITTEN? Nein. Ein drittes Jahr in Folge ohne unser geliebtes Brückenfestival hätten wir schlichtweg einfach nicht verkraftet. Aber wir haben gute, wenn nicht sogar die allerbesten Neuigkeiten: Am 12. und 13. August kehrt einer der wichtigsten Grundpfeiler der Nürnberger Open-Air-Kultur wieder zurück unter die Theodor-Heuss-Brücke. Uns geht das Herz auf und wir zählen die Nächte, bis Bird Berlins Ruf erneut durch den gesamten Wiesengrund zu hören sein wird: BRÜ, BRÜ, verdammt nochmal, endlich wieder BRÜ!  >>
20250401_Arena
20250519_Suedwind
20250401_schauspiel_erlangen
20250310_VAG
20250401_ebl_AZUBI
20250201_Retterspitz
20250401_City_of_Literature
20250515_Neumarkt
20250506_NueDigital
20250311_figurentheaterfestival_4