Dem Egers sei Welt #73: Poppenreuth

FREITAG, 31. MAI 2019

#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

Ein lustiger Sketch von Claudia Schulz und Matthias Egersdörfer ...

Auftretende Personen:
Bird Berlin, Matthias Egersdörfer und Carmen


ME (spricht zum Publikum): Ein wunderschöner Abend ist das heute. Erheiternde Geschichten erfreuen unsere Seele, die Musik umhüllt uns mit schierer Huld. Ich möchte jetzt ein Gedicht aufsagen, um meinem Herzensglück Worte zu verleihen. Es ist an einen ganz besonderen Menschen gerichtet. Sie müssen freilich nicht den Saal verlassen, wenn ich jetzt meine Liebe in der Brandung der Leidenschaft schäumen lasse. Nein lauschen Sie, nippen Sie am Nektar der süßen Poesie, lassen sie sich anstecken von der Zärtlichkeit. Aber vorher bitte begrüßen Sie noch, bevor ich die lyrische Lyrik bemühe, applaudieren Sie für die rührende Hausmeisterin meiner Seelenimmobilie: die einzigartige, liebevolle Carmen.
CARMEN: (kommt herein, verbeugt sich sehr lange bis der Applaus endet, dann gibt sie ME ein Küsschen und schaut verliebt)
EGERS: Wunderschön, dass Du da bist.
CARMEN: Wo sollte ich anders sein?
EGERS: Für mich gibt es nur einen Ort, wo mein Ich sein will.
CARMEN: Sag den Ort!
EGERS: Dicht neben Dir.
Carmen: Dort steh ich nur, weil’s in Deiner Nähe ist.
EGERS: Wir wollen uns nicht zanken. Ich habe dem Publikum versprochen, ein Gedicht aufzusagen, das an Dich gerichtet ist.
CARMEN: Wenn meine Ohren zerspringen vor Glück, trägst Du keine Schuld daran. Dann ist es nur die schlampige Bauweise meiner lumpigen Ohren. Sag es auf, bitte sag es auf!
EGERS: Gedicht von Ludwig Christoph Heinrich Hölty: „Lied eines Liebenden“
Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und deinen Himmel trinket;
Wem dein Gesicht,
Voll Engellicht,
Den Gruß des Friedens winket.
  Ein süßer Blick,
Ein Wink, ein Nick,
Reißt mich zur Himmelssphäre;
Den ganzen Tag
Sinn ich ihm nach.
Und baue dir Altäre.
Dein liebes Bild,
So sanft, so mild.
Führt mich an goldner Kette;
Erwachet warm
In meinem Arm,
Und geht mit mir zu Bette.
  Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und sich in dir berauschet;
Blick gegen Blick,
Nick gegen Nick,
Kuß gegen Kuß vertauschet.
Bird Berlin: (singt Brain Adams „Everything I Do“)
Look into your heart
You will find
There‘s nothin‘ there to hide
Take me as I am
Take my life
I would give it all, I would sacrifice
EGERS + CARMEN: (fassen sich an den Händen und singen)
Don’t tell me it‘s not worth fightin‘ for
I can‘t help it, there‘s nothin‘ I want more
You know it‘s true
Everything I do
I do it for you
EGERS: Mensch Carmen, das ist doch erst heute beim Frühstück auf Bayern 1 gelaufen?
CARMEN: Dass Du Dich noch erinnerst. Das hat sich die Frau Hutzler, für ihre Kollegin gewünscht, die gerade im Krankenhaus liegt.
EGERS: Der wurde gerade frisch die Gebärmutter entfernt. Das wird eine schöne Abwechslung gewesen sein, wenn plötzlich der Brian Adams für sie aus dem Radio gesungen hat.
CARMEN: Wir hören so gern Bayern 1 in der Früh beim Frühstück!
EGERS: Früher konnte man sich das ja nicht anhören. Da haben sie diese Beruhigungsmusik für die Altnazis gespielt, damit die nicht anfangen sich kurz vor Schluss noch Vorwürfe zu machen für die Schandtaten, die sie in ihrem Leben verbrochen haben.
CARMEN: Peter Alexander habe ich immer geliebt und die wunderbare Catharina Valente wenn die im Duett singen: (singt: „Komm ein bisschen mit nach Italien“)
Komm ein bisschen mit nach Italien, komm ein bisschen mit ans blaue Meer, und wir tun als ob das Leben eine schöne Reise wär.
Komm ein bisschen mit nach Italien, komm ein bisschen mit, weil sich das lohnt, denn am Tag scheint dort die Sonne und am Abend scheint der Mond.  
EGERS: Die Altnazis sind jetzt fast ausgestorben. Die Hörergruppe ist so gut wie weg. Die spielen jetzt die Hits der 80er und 90er. Die Hits unserer Jugend, damit wir nicht anfangen uns Vorwürfe zu machen.
CARMEN: Der Nick Kershaw kommt zu einem Bayern 1 Hörer ins Wohnzimmer zu einem Wohnzimmerkonzert. Stell Dir das einmal vor!
EGERS: Der schwule Zwerg mit den gefärbten Haaren?
Carmen: Ja, da warst Du am Klo. Nur eine Flasche Rotwein will er haben der Herr Kershaw, dann spielt er mit seiner Gitarre in einem bayrischen Wohnzimmer seine Welthits.
EGERS: Trinkt er die vorher der kleine Kerl? Der verträgt doch allein keine Flasche vorher.
Carmen: Die trinkt er freilich nachher. Hahaha. Da muss ich jetzt lachen. Das hat der Moderator auch schon gesagt. Hahaha. Das ist so lustig. Der trinkt doch die Flasche nicht vorher. Da kann der doch nicht mehr Gitarre spielen. Da muss ich jetzt gleich noch einmal lachen, weil das so lustig ist. Hahaha.
EGERS: Jedenfalls kam ich dann wieder vom Klo zurück, sitz’ grad wieder am Tisch und dann hat sich der Bayern 1 Verkehrsservice gemeldet wegen einem Unfall auf der A3 kurz vor der Ausfahrt Poppenreuth. Und dann hab’ ich Dich noch gefragt: Hat Dich das letzte mal das Poppen eigentlich gereut? Hahahaha.
Carmen: Ich war da schon in Gedanken wo ganz anders und hab gesagt. Das ist doch gleich bei uns. Hopp Matthias,  da fahren wir hin. Wann bietet sich denn schon einmal so eine Gelegenheit? Sonst ist man ja anderweitig verpflichtet oder irgendwo passiert zwar ein Unfall, aber viel zu weit weg. Selbst wenn man hinfahren würde, käme man erst an, wenn schon alles aufgeräumt ist.
EGERS: Du hast Dich so beeilt, mein lieber Schatz. Du hast das Teelicht ausgeblasen , Dich umgezogen und schon waren wir im nächsten Moment im Auto gesessen und konnten losfahren. Wir waren die ersten an der Unfallstelle.
CARMEN: Da waren zwei Autos aufeinander gefahren. Das hat gebrannt. In dem einen Auto war Rauch drin. Da saßen die Leute im Auto, obwohl es so geraucht hat. Ich hab sofort Fotos gemacht. Das sah irre aus. Und dann habe ich Dich gebeten, dass Du mich mit dem rauchenden, brennenden Auto fotografierst, man weiß ja nie, wann man so ein Bild mal gebrauchen kann.
EGERS: Zum Glück hattest Du noch schnell Dein neues Kleid angezogen. Weiß mit kleinen bunten Blumen drauf. Der Gegensatz zwischen dem weißen Blumenkleid und dem brennenden Auto war perfekt. Das blühende Leben und der nahende Tod. Und Du hast gelächelt wie ein richtiges Model, Du sahst wunderschön aus.
CARMEN: In diesem Moment habe ich mich viel schöner gefühlt als sonst. Schon in der Schule habe ich mich bei den Klassenfotos immer neben die Schüler gestellt, mit denen es der liebe Gott im Hinblick auf die Schönheit nicht so gut gemeint hatte. In dem Auto haben die Menschen um ihr Leben gekämpft, sie hatten Todesangst, dass konnte man durch den Rauch in ihren Augen erahnen. Und je mehr sie um ihr Leben kämpften, um so mehr spürte ich, dass ich am Leben bin und wie schön das ist.                                    
EGERS: Man ist ja so dankbar in so einem Moment. Dankbar, dass man es nicht selbst ist, der so einen schlimmen Unfall hat. Dankbar, da so nah dabei sein zu dürfen, und genau diesen Moment der Dankbarkeit und des Glückes wollte ich dann mit der Videokamera festhalten. Wer weiß, wann sich dazu wieder die Chance bieten würde. Und dann bin ich schnell zum Auto zurück, um meine Ausrüstung zu holen.
CARMEN: Genau in dem Moment als du die Kamera bereit hattest, explodierte der Wagen mit dem Rauch drinnen und die drei Insassen wurden durch die Luft geschleudert. Wie ein Profi hast Du drauf gehalten, dass sah viel besser aus als beim Terminator, und man kann auf der Aufnahme richtig sehen, dass das keine Stuntmänner und -frauen waren, das war viel authentischer. Da muss man nichts mehr nachbearbeiten, da braucht es keine Spezialeffekte. Du bist der perfekte Kameramann.
EGERS: Danke mein Engel, aber ein bisschen Glück war da schon auch dabei. Ich war mit der Kamera zur rechten Zeit am rechten Ort, das war schon auch Zufall. Schnell ist so eine Chance ja dann auch verpasst und der Moment unwiderruflich vorbei, ohne dass man ihn festhalten konnte. Das musste ich kurz danach am eigenen Leib spüren.
CARMEN: Da hatte ich mehr Glück als Du, ich konnte einige Fotos machen, als die Mutter laut schreiend mit ihrem toten Kind in den Armen aus dem anderen Auto herauskam. Dieses Unglück, dieses Leid. Und in diesem Moment war ich heilfroh, dass ich selbst keine Kinder hatte, mir konnte so was Schreckliches nicht widerfahren. Allein für diese Erkenntnis hatte sich unser kleiner Ausflug schon gelohnt. Für die Erkenntnis und die schönen Fotos.
EGERS: Da muss ich Dich aber an dieser Stelle auch einmal loben, das zeichnet einen guten Fotografen aus, im richtigen Moment da zu sein und draufzuhalten. Ich habe da völlig versagt mit meiner Videoaufnahme, auch wenn das Daumenkino, das Du dann später aus Deinen Fotos für mich gebastelt hast ein kleiner Trost ist. Aber eine echte Videoaufnahme wäre einfach was anderes gewesen.
CARMEN: Das stimmt, aber da darfst Du Dir jetzt keinen Vorwurf machen. Außerdem warst Du ja auch kurz abgelenkt, weil die Feuerwehr und der Krankenwagen versuchten, an unserem Wagen vorbei zukommen. Da machen die Leute jahrelang irgendwelche Übungen und wenn es darauf ankommt, können sie die Situation nicht richtig einschätzen und verschwenden kostbare Zeit.
EGERS: Das hätte ein Blinder gesehen, dass man da an unserem Auto nicht vorbeikommt. Naja, ich habe ihnen dann angeboten, mein Auto ein Stück zur Seite zu fahren. Stoffel waren das, die haben sich nicht einmal bedankt.  Ganz im Gegenteil, gedroht haben sie uns mit einem Bußgeld, wenn wir nicht augenblicklich die Unfallstelle verlassen würden.  Ich meine Hallo, wir waren so was wie Ersthelfer.
CARMEN: Reg’ Dich nicht auf, mein Liebling, erinnere Dich lieber daran, wie es sich angefühlt hat, als wir wieder im Auto saßen. Dieses Gefühl absoluter Lebendigkeit. Tod und Leben direkt nebeneinander und wir mittendrin. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt wie in diesem Moment.
EGERS: Da hast Du Recht, mein Mäuschen, man lebt ja viel zu oft einfach so vor sich hin, ohne den Moment zu schätzen. So ein Autounfall ist eine gute Gelegenheit, die Schönheit des Augenblicks mit allen Sinnen zu spüren. Und immer wenn wir wieder in unserem Alltagstrott zu versinken drohen, dann können wir uns jetzt immer die schönen Fotos und Videoaufnahmen anschauen. Es ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass die das jetzt verbieten wollen mit den schönen Fotos und Videos.
CARMEN: Ich frage mich, was das für Menschen sind, die das verbieten wollen. Da ist doch ein Markt da, da sind wir doch nicht die Einzigen, denen das gut tut, das muss man doch auch wirtschaftlich sehen, da kann man ein Geschäft aufziehen, vielleicht könnte man da auch mit Bayern 1 zusammenarbeiten. Die könnten ein Gewinnspiel machen, bei dem der Gewinner als erstes am Unfallort sein darf oder ein Wohnzimmerunfall nach einer Flasche Rotwein wird verlost!
EGERS: Hach, Du hast immer die schönsten Ideen, mein kleiner Schmetterling. Und jetzt Flattere schnell ins Backstage und häng’ Dich wieder ans Radio dran und gib mir Bescheid, wenn ein feiner Unfall in unserer Nähe passiert, ich möchte das nicht wegen den Herrschaften hier verpassen! (Wirft ihr Kussmünder nach, geht ab.)
Aber solange nichts gemeldet wird, können wir hier erst mal weiter machen. Ich entschuldige mich jetzt schon mal, wenn ich dann schnell weg muss.  


DER JUNI MIT EGERS
... ist recht ruhig für uns. Dafür bekommenes die Münchner knüppeldicke ab: am 20., 21. und 22. Juni heizt er mit Ein Ding der Unmöglichkeit der Lach- und Schießgesellschaft ein. Davor aber noch, am 1. Juni, beehrt er Wien. Und wir? Wir verzehren uns derweil nach ihm.
Mehr Infos und Termine: www.egers.de
 




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Was für ein nicht enden wollender Sommer das heuer gewesen ist. Bis in den Oktober hinein wurde ich immer dringlicher gemahnt: Genieße unbedingt den sonnigen Tag heute! Morgen kommt der Herbst, dann ist alles vorbei. Immer wieder habe ich mich in die Sonne gesetzt und habe die Sonne mit aller Kraft genossen bis zur Langeweile, bis zum vollständigen Überdruss. Das kommt daher, dass ich Befehle stets gewissenhaft und verlässlich ausführe. Da kann man sich einhundertprozentig auf mich verlassen. Meine Zuflüsterer taten immer so, als ob das Himmelgestirn im nächsten Moment unwiderbringlich explodieren würde und man sein Leben fürderhin in lammfellgefütterten Rollkragenpullovern, Thermohosen und grob gestrickten Fäustlingen verbringen müsste – in Zimmern, in denen die Heizung unentwegt auf drei gestellt ist. Aber es hat ja nicht aufgehört zu scheinen. Wenn ich an einem Tag genossen und genossen habe, hat der Leuchtkörper sein blödsinniges Leuchten am nächsten Tag keineswegs eingestellt. Die Dummköpfe aber haben es nicht unterlassen, weiterhin ihre Sonnengenussbefehle auf mich auszuschütten. Die Aufforderungen blieben keineswegs aus, sondern steigerten sich zur Unerträglichkeit. Wenn einer endlich einmal sein dummes Maul gehalten hat, dass ich mich unbedingt bestrahlen lassen muss, hat ein anderer damit angefangen, mich aufdringlich aufzufordern, mein Glück unter dem drögen Kauern unter dem aufdringlichen Glanz des leuchtenden Planeten zu finden. Noch Anfang November saß ich voller Wut auf der Straße und habe Kaffee getrunken und gehofft, dass mir die Sonne ein Loch in die Stirn schmort, dass den Schwachköpfen ihr blödsinniges Gerede leidtut und sie mich um Verzeihung bitten müssen. Die Sonne hat immer weitergeschienen wie ein Maschinengewehr, dem die Patronen nicht ausgehen.  >>
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