Wanda Leuthe: Ausstellung gentle machine

FREITAG, 11. DEZEMBER 2020

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Seit dem 10. Oktober wandert die Ausstellung Gentle machine wöchentlich zwischen Fashion-Läden und Ausstellungsorten durch Nürnberg. Begleitend dazu kann man sich online über das Thema, Fakten und Alternativen zu Fast Fashion informieren. Wir haben nachgehakt, wie die Ausstellung entstanden ist und warum wir alle unseren Konsum überdenken sollten.

Wie kam die Idee zu Gentle machine zustande – und wer war daran beteiligt?
WANDA LEUTHE: Die Grundidee ist von meiner Schwester und mir und unserem Label YAR. Wir haben das Konzept für das Quellkollektiv geschrieben und bei dem Ideenwettbewerb „Taten für Morgen“ eingereicht, das ist eine Mischung aus Wettbewerb und Förderung. Mit der eingereichten Idee haben wir dann eine Vollförderung gewonnen.

Gentle machine behandelt Fakten und Alternativen zu Fast Fashion. Warum ist euch gerade dieses Thema, neben anderen Nachhaltigkeitsthemen, so wichtig?
Bedingt durch das, was wir machen. Wir beschäftigen uns bald schon seit Jahrzehnten mit dem Thema Fashion und Kleidung. Angefangen mit der offenen Siebdruckwerkstatt im KV, mit meiner Schwester zusammen. Meine Schwester ist gelernte Schneiderin und Textildesignerin. Eine Freundin, die bei YAR mitmacht, ist auch Schneiderin. Wir haben dieses kleine Label gegründet. Eigentlich kommen wir alle aus der Bildungsarbeit, haben viele Workshops gemacht und viele offene Konzepte. Da sind wir immer wieder an den einen Punkt gekommen: Wir wollen nicht nur über Alternativen reden, sondern das auch ausprobierbar machen. Zu schauen, ob die Theorie, von der wir reden, auch in der Praxis möglich ist. 

Was ist das besondere an eurem Label YAR?
Der Fokus unseres Labels ist, die Bandbreite an Fasern zu zeigen und wenig mit Baumwolle zu arbeiten. Hanf ist eine gute Alternative. Tencel, Qmilk oder veganes Leder sind zwar schwer zu besorgen, aber wird bei uns trotzdem verarbeitet. Der Hauptaspekt ist aber, dass generell einfach zu viel produziert wird. Und jedes Label, das dazu kommt, ist erst einmal ein Mehr, statt ein Weniger. Und deswegen produzieren wir keine 10.000 Auflage, sondern produzieren nur auf Bestellung von Läden. Mit dem Nürnberger Store Bube & König arbeiten wir eng zusammen, die kriegen unsere Sachen exklusiv. 
Wir konzentrieren uns mittlerweile mehr auf die Alternativen und wollen den Bereich auch noch weiter ausbauen. Los ging es irgendwann mit der Veranstaltung „Kleiderrausch“. Das ist eine Tauschveranstaltung, die einmal im Monat stattfindet. Der wichtigste Aspekt ist nämlich, die vorhandene Kleidung im Kreislauf zu lassen und keine neue dazu zu holen, denn wir alle haben ein enormes Problem mit Kleidungsmüll. Wenn man sich im Schnitt 60 bis 70 Kleidungsstücke im Jahr kauft, muss man auch viel aussortieren. Die Leute wissen oft gar nicht, wohin mit ihren Sachen. Vieles kommt in Deutschland in Altkleidercontainer. Damit tut man aber nicht wirklich etwas Gutes. Knapp 15% dieser Textilien werden wirklich recycelt.

Ich kann mir vorstellen, dass gerade jetzt in Corona-Zeiten Menschen noch viel mehr ausmisten, weil wir alle viel zu Hause sind.
Richtig. Es haben schon ein paar große Städte reagiert. Hamburg und Köln haben schon Altkleidercontainer abgebaut, weil sie die Menge an Textilien nicht verarbeiten können. Durch Corona können die Kleidungsstücke nicht mehr über die Weltmeere verschifft werden. Außerdem haben wir mit unserem Textilmüll auch andere Textilmärkte, wie z.B. in Afrika, völlig zerstört. Da gibt es fast keine traditionellen Bekleidungsunternehmen mehr. Außerdem wird die Qualität der Kleidung von Jahr zu Jahr schlechter. Die Sachen kann man teilweise auch gar nicht länger tragen. Die sind verwaschen und zerlöchert und von der Qualität so schlecht, dass man sie fast gar nicht mehr als Putzlappen verwenden kann. Immer mehr aussortierte Textilien werden zu Abfall und können nicht weiterverarbeitet werden.

Das Thema Slow Fashion wird immer bekannter, immer mehr Menschen leben Alternativen.
Der Marktbereich wächst – in den letzten Jahren in Deutschland von 2 % auf circa 4 %. Das ist schön, aber bedeutet auch, dass über 90 % noch konventionell hergestellt werden. Auf der anderen Seite gibt es auch positive Entwicklungen, z.B. das Lieferkettengesetz. Ich finde, es sollte viel mehr über Regelungen oder Gesetze gehen, welche Stoffen verwendet werden dürfen, oder wie Arbeitsbedingungen sein dürfen. Wir brauchen aber nicht glauben, dass alles gut ist, wenn wir alles in grün herstellen. Denn wir haben immer noch einen enormen Ressourcenverbrauch, der dadurch ja nicht sinkt. Das größte Problem ist unser Konsumverhalten, dabei darf man aber nicht alle Schuld dem Verbraucher auflasten. Gewisse Regelungen machen es uns allen leichter. Auch dem Verbraucher, weil er nicht mehr darauf achten muss, was er kauft und sich die Preise regulieren. Trotzdem muss man auch an sich selber arbeiten und sich immer wieder fragen: Brauche ich das wirklich? 

Warum das T-Shirt als Ausstellungsmedium?
Zum einen natürlich die Verbindung zum Textil, aber auch, damit man die Ausstellung leicht transportieren kann. Sie rolliert für ein halbes Jahr jede Woche, das muss sehr mobil sein. 

Je nach Ausstellungsfläche ist die Präsentation anders. Wie unterscheidet sich Gentle machine in einem Store wie Bube & König von der Ausstellung im Heizhaus oder im Bürgerbüro?
Im Bube & König hängen die T-Shirts wirklich mit im Sortiment. Da ist es nicht klar als Ausstellung präsentiert und die Leute bleiben natürlich auch weniger stehen und lesen. Bube & König ist ja kein Aussteller, bei dem sich die Leute viel Zeit nehmen, um alles durchzulesen – sie sind gekommen, um zu shoppen. Aber dadurch wird der Kaufimpuls unserer T-Shirts noch mehr angetriggert. Dann erst stellt sich heraus, dass man die Shirts nicht kaufen kann, denn das ist eine reine Ausstellung. Die Kunden werden mit den eigenen Gedanken konfrontiert, über das Konsumverhalten nachzudenken. Genau das wollen wir erreichen: zu erkennen, wann dieser Kaufimpuls kommt und wie man den überwinden kann. Das ist sehr spannend! 

Den Kaufimpuls triggert ihr auch auf der Website an, indem ihr die Informationen im Look eines Fashionshops verpackt habt. Außerdem ruft ihr dazu auf, Teil der Gentle machine Community zu werden. Was erwartet mich, wenn ich dieser Community beitrete?
Wir wissen selbst noch nicht genau, was es wird. Wir wollen die Ausstellung und die Website als Werkzeuge nutzen, um die Leute anzutriggern und ihnen danach die Alternativen anbieten. Unser Wunsch ist, einen Laden zu eröffnen, mit dem Fokus auf das Tauschen. Secondhand-Läden gibt es ja schon recht viele, auch Läden, die ein Mietmodell anbieten, wie die Kleiderei, jedoch merke ich bei unseren monatlichen Tauschveranstaltungen, dass Tauschen praktikabler ist. Wenn sich eine Community von circa 300 Leuten findet, die alle bereit sind, 10 Euro im Monat zu zahlen, dann funktioniert so ein Laden. Hier kann ich sicher sein, dass ich nichts Kaputtes oder Dreckiges bekomme. In dem man auch ausleihen kann, Secondhand kaufen oder Altes reparieren kann. Designerteile, Abendkleidung oder Sportkleidung wie einen Skianzug kann man sich super leihen und probetragen. Ein Designermantel kann schon mal 900 Euro kosten, das kauft man sich nicht einfach so. Da wäre es doch toll, den Mantel über so ein alternatives Konzept zu testen. Vielleicht merke ich dann, nach ein paar Wochen Tragen, dass ich den nicht mehr hergeben will. Ein Laden, der diese Alternativen gut kombiniert, wäre mir mehr als 10 Euro wert. Ich hoffe, dass die Community das ermöglicht.

Gibt es Kleidungsstücke, die du lieber neu kaufst?
Unterwäsche und Socken, intimen Kleidungsstücke eben. (lacht)

Du wirst bald, zum zweiten Mal, Mutter. Kinder wachsen sehr schnell und nutzen ihre Kleidung mehr ab. Wie schaffst du es, deine Kinder nachhaltig einzukleiden?
Viel Secondhand. Ich habe auch für mein erstes Kind noch nie etwas neu gekauft. Bei kleinen Kindern kann man sogar Socken secondhand kaufen, die wachsen ja so schnell raus, dass die kaum gebraucht werden. Was ich aber mitbekomme ist, dass das Bedürfnis wächst, seine Kinder enorm stylisch anzuziehen. Das kann man aber auch gut z.B. über die App „Vinted“ abdecken. Auch die Kleidertauschparty haben wir schon mal als Sonderevent in der Kinderedition gemacht. 

Was möchtet ihr erreichen und  welchen Effekt soll ein Besuch der Ausstellung bewirken?
Dass sie ihren Kaufimpuls erkennen und hinterfragen. Die Ausstellung soll die Besucher auf die Füße treten! Die Hoffnung ist, Leute zu erreichen, die sich nicht unbedingt mit Nachhaltigkeit beschäftigen, denn bei ihnen wird dieser Kaufimpuls ja noch viel mehr angetriggert. Es wäre schön, wenn man die Scheu vor Secondhand verlieren würde. Und auch, wenn man die eigenen Textilien nicht so überwaschen würde. T-Shirts werden einmal angezogen und in die Waschmaschine geschmissen, mit Waschmittel und Weichspüler und sonst noch was. Über 70 % des CO2-Wertes eines Kleidungsstückes macht das Waschen aus. Wenn man es wäscht, dann wächst das CO2-Konto. Darum beschäftigen wir uns auch viel mit alternativen Fasern. Hanf z.B. wirkt antibakteriell, ein Hanf-Shirt kann fünf Mal länger tragen als ein Baumwollshirt, ohne es zu waschen. Zum diesem Thema Waschen & Pflegen haben wir natürlich auch ein Ausstellungs-T-Shirt gemacht. 


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Wanda Leuthe
hat nach ihrem Abitur eine Fotografie-Ausbildung gemacht und zwei Jahre Mediendesign studiert. 2009 schloss sie als Jahrgangsbeste die Schreinerausbildung ab. Mittlerweile ist sie selbstständig in der Kultur- und Kreativschaffenden Szene engagiert, kümmert sich um ihr Label YAR und ist Mitglied im Verein Quellkollektiv e.V..


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Ausstellung Gentle machine
Gentle machine sollte eigentlich ein Pop-up-Store in der Nürnberger Innenstadt werden – 2 Monate lang. Corona-bedingt und -verzögert wurde aus dem Projekt vom Quellkollektiv e.V. und dem Label YAR dann doch mehr: eine Wanderausstellung plus Website. Thematisch werden Fakten und Alternativen zu Fast Fashion behandelt. curt begleitet die Ausstellung als Medienpartner.

12.12. – 18.12. Künstlerhaus
19.12. – 01.01. Z-BAU
02.01. – 08.01. Rote Galerie
09.01. – 15.01. Atelier Koberger 51
16.01. – 22.01. glore
23.01. – 29.01. Desi
30.01. – 02.02. Zeltnerschloss
13.02. – 26.02. Schloss Almoshof
27.02. – 12.03. Lysu
13.03. – 19.03. FarCAP
20.03. – 02.04. Kulturwerkstatt auf AEG
03.04. – 09.04. Nkith
10.04. – 16.04. Kulturgewächshaus
17.04. – 23.04. Ecokiosk
24.04. – 30.04. Heizhaus

www.gentlemachi.net


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Label YAR

www.weareyar.de




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