#NUE2025 auf dem Weg zur Kulturhauptstadt #1

SONNTAG, 29. JANUAR 2017

##NUE2025, #Kultur, #Stadt Nürnberg

Nürnberg will Kulturhauptstadt 2025 werden – Dazu braucht es neben der Beteiligung der Stadtgesellschaft vor allem Ideen, Konzepte und Visionen. curt stellt jeden Monat Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur vor, die sich genau darüber ihre Gedanken machen: Wie hält uns die Kultur zusammen? In welcher Stadt wollen wir in zehn oder zwanzig Jahren leben? Wie sieht unser Nürnberg 2025 aus? Denn es braucht Utopien, um unser Denken in neue Richtungen zu lenken!

Bangalore, den 13.7.2025

Liebes Nürnberg!

Wir haben das Jahr 2025, ich imaginiere, zeichne ein Bild und schreibe Dir folgenden Brief in die vergegenwärtigte Vergangenheit – an Dich, meine liebe Stadt.
 
Nun sind wir beide acht Jahre älter. Meine wenigen Menschenjahre sind im Vergleich zu Deinem Jahrtausend alten Da-SEIN, nichts. Ich weiß, trotzdem reichen auch meine Wurzeln tief in Deine Geschichte, Deiner urbanen und verwandten Struktur. Manchmal sehe ich Dich, liebes Nürnberg, oder liebevoll sag ich „Noris“ zu Dir, so wie Du vor Jahrhunderten auch schon genannt wurdest. ABER ICH, DIE WELT ICH SEHE DICH (Rémy Zaugg), Du Stadtkörper, nehme Deinen Organismus wahr als ein verlebendigtes Gebilde aus urbaner Landschaft mit einem täglich pochenden Herzschlag, sowie Deinem regelmäßigen Ein- und Ausatmen. Spüre deine Nahrungsaufnahme, Deine Verdauung und all die genialen Funktionen, die ich mit Dir teilen kann. Was uns beide unterscheidet: Du hast Dich fast verdoppelt, im Gegensatz zu mir, denn so viele Bewohner hat es in Dir noch nie gegeben. Dafür hast Du Dich dematerialisiert, Deinen ökologischen Rucksack abgespeckt – Du bist in der Lage regenerativ und ökologisch Dich selbst zu versorgen.
 
Weißt Du noch? 2008 haben wir in der „Blauen Nacht“ vor der Lorenzkirche Deinen weltlichen Stadtbauch mit „Lach Yoga“ (Loranzalachattacka/Zwischenbericht) zum Kitzeln gebracht. Ganz schön durchgewirbelt haben wir Dich, die tausenden Menschen, Deine Bewohner, die mit ihrer tiefen Atmung und schallendem Lachen den gepflasterten „Stadtkörper“ in Resonanz versetzten. Damals schon waren das neben den vielen künstlerischen Stadtinterventionen, die ersten Zeichen deiner Einzigartigkeit.
Du, Noris, hast eine bewegte Vergangenheit. Hautnah war ich dabei,
als ich miterleben musste, dass industrielle Produktionen kein Haltbarkeitsdatum für ein erfülltes Leben haben. Heute sehen wir, dass Deine kulturelle Vielfältigkeit, durch künstlerisches Schaffen Deiner Bewohner, Dir einen individuellen Glanz verschafft.

Noris, Du hast es geschafft, trotz Deiner vielen Blockaden und schlimmen Krankheiten wieder eine „Nymphe“ zu sein. Ich bin mega stolz auf Dich, dass Du Raum geworden bist, für sozialen und kulturellen Reichtum. Es sind nicht Deine heilversprechenden Tempel der Bildung und Hochkultur, die uns heute beeindrucken, sondern es ist Dein gesamtes Potenzial der Menschen, die in Dir wohnen und leben. Du weißt noch nicht, was alles auf Dich zukommen wird, aber ich kann Dir jetzt schon versprechen, jeder Tag ist einer neuen genialen Idee gewidmet, dazu haben Fähigkeiten und Fertigkeiten der Noris-Bewohner beigetragen. Anfangs warst Du stur und es hat etwas an Überzeugungsarbeit und Geduld gekostet, aber jetzt siehst Du, die Menschen aus aller Welt wollen sehen, wie Du gesundet bist. Sie kommen angereist, um an den Diskurs, den offenen Universitäten, den Open Spaces teilzunehmen, sie wollen ein Teil sein Deiner zeitgenössischen, kreativen Stadtkultur.
Seit Deinem letzten Krebsgeschwür sind 88 Jahre friedvolles, kommunikatives Miteinander gelungen und viel Raum für Zukunft ist da.
 
Dabei denke ich aktuell an Deine geniale Gastgeberschaft, die Du auf dem ehemaligen „Nazi-Party-Rally-Ground“ (Reichsparteitagsgelände) entwickelt hast. Eine Freude, zu sehen, wie die vielen internationalen und hauptsächlich europäischen Besuchergruppen aus Tel Aviv, Jersualem, Guernica, Coventry, Rotterdam, London, Warschau, Zamosc oder Riga*, bestehend aus Künstlern, Wissenschaftlern, Historikern, Erfindern, Wegbereitern, Politikern, Technikern und Visionären, sich mit all Deinen Bewohnern austauschen und vernetzen, um jeden Tag sich neu zu erfinden und zusammen an zukunftsfähigen Konzepten zu arbeiten. Und dies auf der Grundlage eines gemeinsam aufgearbeiteten singulären Menschheitsverbrechens.
 
Ein neues Design für die unterschiedlichen Versammlungstreffpunkte im öffentlichen Raum hast Du befördert. Du hast es auch geschafft, vernünftig mit Deinen politischen und architektonischen Altlasten umzugehen. So bröckelt es kontrolliert vor sich hin, statt andauernd mit vielen Millionen künstlich geliftet zu werden. Zum Beispiel die geodätischen Versammlungszelte „Melamed“ (äthiopisch: Entfremden) sind beeindruckend, die seit Jahren der äthiopische Kulturverein aus material- und energieeffizienten Materialen baut, nach dem Vorbild von dem Architekten Buckminster Fuller. Seitdem kooperierst Du mit Äthiopien und es werden keine Rohstoffe mehr befördert, sondern kulturelles, geistiges Wissen über das Miteinander und dem „Raumschiff Erde“ im Im- und Export.
 
Genial finde ich die entwickelten Techniken, die das Zu-Hören und das Mit-Fühlen der Wir-Belange trainiert, um neue Sprachen zu entwickeln, die dazu dienen, neue Ausdrucksmöglichkeiten der Verstetigung zu finden.

Du musstest viele Jahre schmerzlich lernen, dass die gelebte Vielfältigkeit durch unterschiedliche Kulturen ein Gewinn ist und dass die Integration die einzige intelligente Form des Wachstum im Zeitalter des Anthropozähn (Menschenzeitalter) darstellt. Nun bist Du für diese Form eine Vorreiterin und Spezialistin – nun können Deine symbol-
trächtigen Gesetzessäulen von Daniel Karayan in der Straße der Menschenrechte zu lebendigen Bäumen wachsen. Dafür umarme ich Dich.
Seit Jahren begleitet ich Dich auf Deiner Visionssuche – und fühle mich mehr oder weniger beteiligt, um meinen bürgerschaftlichen Beitrag zu leisten. Du hast mir gezeigt, dass ich eine Erdenbewohnerin bin, die es durch Dich geschafft hat, über Bildungsangebote zu lernen, um sich zu behaupten, in der Zuversicht die Zukunft selbst zu gestalten. Gerne übernehme ich Verantwortung für uns und unser Glück, weil ich das in Freiheit tun darf – dafür bin ich Dir dankbar.
 
Du bist in Europa aufgestiegen zu einem bedeutenden Zentrum. Du bist zur Botschafterin geworden – für eine friedvolle Lebendigkeit. Und was wirklich zählt, Du bist ein Teil der europäischen Integration – Du bist soziale Skulptur und lebendiges Denkmal zugleich.
 
Ich blicke auf eine „Stadt der Zukunft und des Friedens“. Nürnberg ist nicht nur eine Hauptstadt für Kultur, sondern Du bist ein Sinnbild für die Kultur des Erinnerns, Neugestaltens und Imaginierens – schon lang bist Du Wegbegleiter für zerstörte Städte – Du bist nicht nur Geschichte, sondern Du schreibst Handlungsanweisungen für den Wiederaufbau.

Gerade bin ich auf Reisen, in Bangalore in Indien, und mache ein künstlerisches Projekt zur Wiederaufforstung des Regenwaldes. Ich werde gefragt, woher ich komme, und ich berichte stolz: von Dir!

Es grüßt dich herzlich aus der Zukunft
eine Gestalterin und Initiatorin vom „erweiterten Kunstbegriff“
und Deine Bürgerin Anja Schöller



INFO:
Anja Schoeller studierte von 1987 bis 1993 in Nürnberg. Seitdem lebt die bildende künstlerin in der Nachbarstadt Fürth.

* Ergänzend hat der Historiker Peter Zinke die von der Wehrmacht zerstörten bzw. entvölkerten Städte eingebracht.




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