Andis Katerfrühstück_8 – Geiselwind, anrüchiger Marsch, Tiergärtnertorkonflikt

MONTAG, 9. SEPTEMBER 2019



Der curtblick auf die Woche vom 02. bis 08.09.2019

67 Kilometer von Nürnberg liegt, malerisch eingebettet in den Steigerwald, der Markt Geiselwind. Am Rand des Gemeindegebiets treffen am Dreifrankenstein die drei Frankens aufeinander. Südlich des Ortes breitet sich Deutschlands größter Autohof mit angeschlossener Erlebniswelt, Hotel und Schlachterei aus. Glaubt man, und das wollen wir immer gerne tun, Gunter Gabriel (Rest in Peace), liegt der Himmel auf Erden genau hier. In der Konzerthalle des Authofs Strohofer spielte einst Johnny Cash.

Die meisten Menschen, die den Ortsnamen hören, denken bei Geiselwind jedoch nicht an Dreifrankenstein und Autohof, sondern ans Freizeitland, einem magischen Ort, wo Achterbahn auf Streichelzoo trifft und nicht wenige Kindergeburtstage mit vollgebrochener Hose endeten. Den Himmel kann man hier tatsächlich unmetaphorisch erreichen, wenn man sich in die sanft zirkulierende Aussichtsplattform Top of the World begibt, die ihre Gäste auf 60 Meter Höhe transportiert, von wo aus sie einen sagenhaften Blick auf Steigerwald und Autohof genießen.
23 Menschen durften sich am Dienstagabend etwas länger an diesem Ausblick laben: gefangen in 60 Metern Höhe, ein Gefängnis in den Wolken. Was war passiert? Weiß man nicht so genau. Ein technischer Defekt verhinderte die Rückfahrt zum Boden, die Polizei eilte per Hubschrauber zur Rettung. Nur ein Kind entschied sich gegen den Heli und fürs Abseilenlassen. So oder so kehrten alle wohlbehalten zur Erde zurück. In der Redaktion herrscht im Übrigen Uneinigkeit: traumatisierendes Unglück oder beneidenswertes Add-on? Die Geschichte reiht sich ein in schön kuriose Momente, mit denen das Freizeitland in den vergangenen Jahren in der Presse gelandet ist: 2017 hatte ein Mädchen den Grabstein ihres Großvaters in der Dekoration des Horrorhauses entdeckt. Im Juli dieses Jahres gelang es Dieben dafür fünf Flamingos aus dem Park zu klauen, lebende!

Nicht im Steiger- sondern im Schwarzwald allerdings drehte sich das berühmte Hakenkreuz-Karussell. Die ausgerechnet Adlerflug benannte Attraktion steht im Freizeitpark Tatzmania und wurde prompt angehalten und umgebaut (fiese Menschen behaupten, zu SS-Gondeln). In Franken hingegen müssen Nazis nicht auf versteckte Symbolik lauern, sie können auch einfach zur Schnepfenreuther Kerwa kommen und dort in fröhlich schnunkelnder Runde des Führers Lieblingsmarsch lauschen. Hitler hatte sich den Badneweiler Marsch sogar für eigene Auftritte exklusiv reservieren lassen. Diese Reservierung ist wegen Tod aufgehoben, wodurch die Knoblauchsländer Musikanten nichts zu befürchten hatten, als sie einen anonymen Gast den leicht verfassungsfeindlich müffelnden Wunsch erfüllten. Immerhin gab’s einen Fuffi dafür. Kapellmeister Georg Pfann findet den Marsch selber eigentlich gar nicht so doll und versprach ihn, Empörung sei Dank, aus dem Programm zu nehmen. 

Und damit zu einem Thema, die kein Quatsch sondern wirklich wichtig ist. In Nürnberg schwelt ein neuer Konflikt, denn es wäre ja auch zu schön und irgendwie seltsam, wenn es diese Auseinandersetzung nicht auch hier gäbe. Der Tiergärtnertorplatz, ein lauschiger Treffpunkt im Sommer, hat neue Anwohner und die finden, dass die Geselligkeit zu viel Lärm verursacht. Damit kommt unter Umständen eine Regelung auf den Prüfstand, die seit langen Jahren Bestand und vor allem Charme hat: Hier darf man bisschen länger draußen sein, so man keine Musik macht, ab 12 räumen die meisten dann aber das Feld. Stadt und Altstadtfreunde sind überzeugt, dass das auch das richtige Konzept für diesen Treffpunkt ist.

Denn, so verständlich es auch sein mag, wenn jemand früh raus muss oder Kinder hat oder empfindliche Ohren: Eine Stadt – und Nürnberg ist sogar eine Großstadt, oh weh – unterscheidet sich in manchen Dingen vom Dorf, zum Beispiel durch ein dichteres, vitaleres öffentliches Leben. Für den einen ist das ein Plus an Lebensqualität, für den anderen ein Stressfaktor und entsprechend dieser Gesichtspunkte wählt man mit Schläue den Ort, an dem man sein Bett zusammenschrauben will. Tatsächlich, und das kennt man eben auch aus anderen Städten, scheinen immer mehr Menschen ein Sowohl-als-auch haben zu wollen: Ausblick aus dem Fenster auf das Kopfsteinpflaster der Metropole, direkte Nähe zu allen Gewölbekellern, in denen eine Wurst serviert wird, bei gleichzeitiger Totenruhe wie auf höchst alpinen Gipfeln ab 20 Uhr. Schwierig. 

Noch was Erfreulicheres zum Schluss: Nürnberg ist nicht nur zänkisch, sondern auch essbar. Der Bluepingu-Verein hat am Egidienplatz sowie Nähe Jakobskirche sein Open-Call-Gewinner-Projekt Essbare Stadt verwirklicht. Öffentliche Grünflächen werden zum Anbau von Lebensmitteln genutzt. Im besten Fall in enger Zusammenarbeit mit den Anwohnern, schließlich muss am Ende jemand gießen. Das hat in den beiden Fällen jetzt mal so mittelgut funktioniert. An der Jakobskirche blieben die Nachbarn zunächst uninformiert, am Egidienplatz fielen dem Beet vier Parkplätze zum Opfer, auch ein rares Gut natürlich. Das kann besser werden, ansonsten aber natürlich eine sehr sinnvolle Sache die, wenn sie auf lange Sicht funktioniert, viele positive Auswirkungen hat.

Hier alle Infos zum Projekt: https://essbare-stadt-nuernberg.de/  
 




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