Pocket Opera Company: Schleudergang für den Holländer
#Freie Szene, #Oper, #Pocket Opera Company, #Svenja Plannerer, #Wash House Ressurection
In der zwölften Spielzeit: Der fliegende Holländer der Pocket Opera Company. Für freieszenenbg.de vor Ort war Svenja Plannerer.
Von wegen Wagner dauert immer vier Stunden, und von wegen Oper ist nur was für staubige Snobs. Erstens ist “Der fliegende Holländer” ohnehin schon Wagners kürzeste Oper, mit “läppischen” zwei Stunden und zwanzig Minuten Laufzeit bei voller Länge. Die Pocket Opera Company verknappt sie noch weiter auf sechzig Minuten, bringt trotzdem die wichtigsten Teile der Geschichte unter, und beweist dabei zweitens: Oper muss keineswegs snobistisch oder staubig sein.
Die Pocket Opera Company hat sich als Spielort einen Waschsalon ausgesucht. Während draußen in der Dunkelheit also Leute vorbeispazieren und neugierig durch die großen Fenster auf das Geschehen im Inneren des Ladens starren, während Fahrräder vorbeizischen und Autoscheinwerfer über das Publikum wandern, entspinnt sich die Story des verfluchten Seemanns: Weil er einst einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, ist der Holländer dazu verflucht, auf ewig über die Ozeane der Welt zu segeln. Alle sieben Jahre darf er an Land gehen und bekommt die Chance, seinen Fluch zu brechen. Das Problem dabei? Er muss eine Frau finden, die ihm ewige Treue bis in den Tod schwört. Währenddessen vergeht Senta, selbst die Tochter eines Seemanns, förmlich vor Liebe zu dieser Sagengestalt. Sie will den Holländer befreien. Als sie den Mann, der bisher nur in ihrer Fantasie existiert hat, leibhaftig trifft, kommt es, wie es kommen muss: Es ist Liebe auf den ersten Blick, die beiden gehen in den gemeinsamen Tod. Der Holländer ist erlöst.
Zugegeben, dieser Plot ist nicht mehr zeitgemäß, solange man ihn unkritisch übernimmt. Bei Wagner ist Sentas Vater derjenige, der seine Tochter dem Holländer als Ehefrau verspricht, in der Aussicht, sich an des Holländers Goldschätzen bereichern zu können. Weil Senta einmal einem gewissen Erik ihre Liebe gestanden und dieser das als verbindliches Eheversprechen aufgefasst hat, zweifelt der Holländer, ob sie ihm wirklich die Treue halten kann. Weder Erik noch Sentas Vater spielen in dieser Inszenierung eine Rolle, was dazu führt, dass Sentas Entscheidung, dem Holländer trotz seiner Zweifel an ihrer Treue auf hohe See zu folgen zumindest etwas selbstbestimmter wirkt. Ob es deswegen gutzuheißen ist, dass sie sich für einen Mann opfert, den sie in ihrer Vorstellung auf ein idealisiertes Podest gehoben hat…naja.
Gertrud Demmler-Schwab jedenfalls ist in ihrem roten Samtkleid die perfekte Mischung aus schmachtender Liebe und fester Entschlossenheit: Ihre Lebensaufgabe ist es, den Holländer zu erlösen, komme, was da wolle. Robert Eller spielt den in schwarzes Leder gehüllten lebensmüden Holländer, der nicht weniger schmachtet, sobald er Senta erblickt. Er singt auch den “Südwind! Südwind!”, eigentlich ein Lied eines ganzen Chores aus Seemännern aus dem ersten Akt, und übernimmt äußerst humoristisch die Rolle der Mary, Sentas Amme. Gemeinsam sind Demmler-Schwab und Eller das ideale Bild tragischer Liebender und bieten eine tolle Leistung. Sie bespielen den Waschsalon rundum und auf allen Ebenen. Der Halbkreis aus Waschmaschinen in der Mitte des Geschäfts bietet einerseits eine gute Bühne für das angedeutete Schiff, das sich später als Badewanne entpuppt, andererseits ist es auch ein Steg, auf dem sich gut schmachten lässt.
Unterstützt werden die beiden vom Motettenchor Nürnberg, welcher die Rolle der Spinnerinnen übernimmt, die passend zum Setting kurzerhand zu Wäscherinnen in bunten Schürzen werden. Sie stehen ringsherum im Salon, um die Waschmaschinen verteilt. Äußerst charmant singen sie “Summ und brumm, du gutes Rädchen” inklusive kleiner Choreografie, und “Steuermann lass die Wacht”, und begraben das Liebespaar nach ihrem gemeinsamen Untergang unter leuchtenden Bade-Enten.
Besonders beeindruckend: Wo es sonst ein ganzes Orchester gibt, spielen hier vier Saxophone die ikonische Musik. Mehr braucht es nach der Bearbeitung durch den musikalischen Leiter Franz Killer nicht, und alle zentralen Stücke bleiben erhalten. Und durch die Verkürzung der Oper ist sogar noch Platz für drei andere Lieder: “Gretchen am Spinnrad”, in dem Franz Schubert einen Auszug aus Goethes Faust vertont hat, “Zauberstab” von Zaza aus den 80ern, und der “Abendsegen” von Engelbert Humperdinck.
Die kluge dramaturgische und musikalische Bearbeitung, der besondere Spielort, die Reduktion auf zentrale Inhalte der Geschichte und die großartige Besetzung machen das “Wash House Resurrection” zu einem kleinen Opern-Juwel, das zu recht in eine zwölfte Spielzeit geht.
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POC: Wash House Ressurection
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