Die Spuren des Eisens im Feuer: Loci und das Tafelwerk / Interview
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Wo einmal Deutschlands größtes Schweißeisenwalzwerk stand, ist davon heute kaum noch etwas zu sehen: Die ehemalige Schraubenhalle teilen sich die Tafelhalle und das Museum für Industriekultur, auf dem Gelände ist neuer Wohnraum entstanden. Die Geschichte des Tafelwerks liegt aber gar nicht lange zurück, sie dauerte bis in die 70er-Jahre. Das mit den Mitteln des multimedialen Doku-Theaters arbeitende LOCI Kollektiv will sich in den kommenden drei Jahren in die Zeitebenen dieses Geländes einarbeiten. Dafür gab es von der Stadt die Impulsförderung. Wir fragen nach bei Maria Pfeiffer, Bühnenbildnerin, Szenografin und Teil von LOCI – online exclusive.
Hallo Maria, wie kriegt man eigentlich die Impulsförderung?
Das ist eine Ausschreibung, auf die man sich alle drei Jahre bewerben kann. Bisher waren es immer Choreografinnen, die das bekommen haben. Und jetzt wir! Juhu! Wir waren vorher schon im Gespräch mit der Tafelhalle über diese Idee und jetzt darf sie sich über drei Jahre entwickeln. Ich sehe das als Artist in Residence Programm an, mit der Möglichkeit, sich auszuprobieren.
Seit wann wisst ihr vom Tafelwerk?
Mir war schon länger bewusst, dass das ein ehemaliges Industriegelände ist. Eine gute Fügung war, dass Monika Dreykorn vom Museum Industriekultur „Das Haus der Frau L“ gesehen hatte und danach meinte, es wäre doch toll, mal etwas gemeinsam zu machen. So sind beide Seiten – Tafelhalle und Museum – unabhängig voneinander auf uns zugekommen und freuen sich, jetzt als Nachbarn endlich mal zusammenzuarbeiten. Das Gebäude der beiden Institutionen ist die alte Schraubenhalle. In der Dauerausstellung des Museums hatte die Geschichte des Tafelwerks seinen Platz und soll ihn auch nach dem Umbau wieder bekommen. Simon Schütz und Jana Schmid setzen sich von der Museums-Seite gerade wieder intensiver damit auseinander und geben ihre Ergebnisse an uns weiter.
Was interessiert und fasziniert euch an dieser Geschichte?
Uns interessiert eigentlich immer, wenn sich an einem Ort mehrere Zeitschichten übereinander lagern, wobei bestimmte Themen immer gleich bleiben. Das versuchen wir herauszuholen: Welche Themen schlummern in der Geschichte, die jetzt wieder spannend für uns werden? Ganz viele Spuren sind verschwunden. Wo das Tafelwerk war, ist ein ganz neues Viertel mit Wohnhäusern und Seniorenresidenzen entstanden. Das Thema Wohnen und Fürsorge zieht sich aber durch, auch damals haben die Arbeiter teilweise auf dem Gelände gewohnt. Wir wollen herausfinden, ob die Menschen zum Beispiel wissen, dass da, wo sie leben, mal ganz schön viele Eisen im Feuer waren. Wir wollen die Spuren suchen, die die man sieht, und die, die man nicht mehr sieht, von denen man nur berichtet bekommt.
Seid ihr schon in Kontakt mit Menschen, die sich an die Zeit erinnern als das Tafelwerk noch in Betrieb war?
Noch nicht, das sind jetzt die nächsten Schritte. Beim Nachbarschaftsfest im vergangenen Jahr hatten wir einen Stand, da ist Niklas bereits mit zwei älteren Personen ins Gespräch gekommen, die Anknüpfungspunkte hatten. Eine ganz spannende Interviewpartnerin ist auch eine hundertjährige Frau, deren Verwandte auf dem Areal gelebt haben. Sie erinnert sich daran und wir hoffen, dass wir mit ihr sprechen können. Mehr Menschen zu finden, die uns von dieser Zeit erzählen können, ist hoffentlich auch ein Output der fünf „Tafelrunden“-Spaziergänge durchs Tafelwerk-Gelände mit anschließender Brotzeit, die wir immer dienstags im Juli anbieten. Dafür verteilen wir jetzt Flugblätter in die Briefkästen, damit ein paar Leute Lust bekommen, sich mit uns auf den Weg zu machen.
Welche künstlerischen Formate werdet ihr bedienen?
Am 18.10. wird es einen mit der Community gestalteten Stadtteilspaziergang geben, bei dem es kleine theatrale Momentaufnahmen aus der Recherche geben wird. Fürs nächste Jahr ist ein theatraler Erinnerungsparcours im Stadtraum geplant, evtl. wieder in Form eines Video Walks, aber vielleicht auch mit etwas anderen Tools als beim Haus der Frau L. Im dritten Jahr sollen die Ergebnisse dann für die Bühne der Tafelhalle zu einer Inszenierung verarbeitet werden. Dabei soll dann auch Choreographie eine Rolle spielen, was ja gut zum Profil der Tafelhalle passt. Vielleicht wird es dabei aber weniger um Tanz gehen als um Wege, Begegnungen und Bewegungen an sich.
Jetzt, ganz am Anfang stehend, seid ihr total zuversichtlich oder auch unsicher: Was wenn wir gar keine spannenden Geschichten finden?
Wir sind total zuversichtlich, weil wir wissen, dass es da Menschen mit interessanten Geschichten gibt. Die Frage ist nur, wann man sie trifft. Ich glaube eher, dass wir wieder an einen Punkt kommen werden, wo wir zu viel Material haben und aufhören müssen. Es ist ja alles so spannend: Selbst wenn man nur einer einzigen Person folgen würde. Wir sind also ganz sicher, dass wir viel Erzählenswertes finden werden, weil jeder Mensch diese Geschichten in seinem Leben hat. Die Kunst ist dann zu selektieren und den roten Faden hinzuzufügen. Das werden wir in diesem Jahr noch nicht machen, der Spaziergang darf noch collagenmäßig sein.
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Loci Kollektiv: Teppich aus altem Eisen
Eine künstlerisch-partizipative Auseinandersetzung mit der Industriegeschichte des Tafelwerk-Geländes
Impulsförderung der Stadt Nürnberg
Auftaktveranstaltung im Foyer der Tafelhalle am Sonntag, 29.06., 16 Uhr.
Tafelrunde: immer dienstags im Juli 2025 (01./8./15./22./29.07.2025) 18:00-21:00 Uhr, im Foyer der Tafelhalle.
Eintritt frei!
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