Theobald O.J. Fuchs: Denkmal

MITTWOCH, 26. OKTOBER 2016

#Comedy, #Kabarett, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Teil 1: Landschaften schaffen / „Ich habe mir eine Autobahn gebaut“ – sprach der Tyrann. „Ich habe ein Gebirge errichten und anschließend zerteilen lassen. Ein Meer ließ ich füllen mit dem Aushub, so dass jede Landkarte auf der Welt und jeder Straßenatlas des ADAC zukünftig von mir künden wird.“

Der Tyrann stand mir gegenüber, leicht nach vorne links geneigt, sein Haar perfekt am Hinterkopf gescheitelt, weil oben drauf auf seinem Tyrannenkopf trug er – ohne Scheiß! – sageundschreibe ZWEI Glatzen. So sehr gierte er nach ausnahmslos allem, dass er sich nicht einmal mit einer kahlen Stelle am Haupt zufrieden geben wollte. Doppelblasche, wie das bei Fachleuten heißt. Ich wusste: Wenn der Tyrann mich einmal am Wickel hat, dann sollte ich mich vorsehen! Ich selbst bin es, der sich ihm unterwirft, ich selbst übertrage die Herrschaft über mein Leben an ihn, den Tyrannen. Wie eine Vollmacht zum Paketabholen.

„Denk da mal nach, darüber!“ hatte mir mein Gesprächsführungsberater geraten, und siehe: er hatte die Wahrheit gesprochen.
Der Tyrann weiß einfach wie: Schenkt dir mal ein Wort, einen Blick, ein Lob, eine Hand auf der Schulter. Kleine Dosen der süßen Droge, die dich süchtig macht, ohne dass du auch nur ahnst, was abgeht. Du hasst ihn, keine Frage, weil er dich nie wahrnimmt, weil er sich nie erkundigt, wie es dir geht. Doch jedesmal, wenn du dich durchgerungen hast, nie wieder an ihn zu denken, ihn zu verlassen und wieder du selbst zu sein, kommt überraschender Besuch: er ist wieder da, erzählt mehr als sonst, nicht nur von sich selbst, auch etwas Lustiges, etwas Interessantes, und schon lodert die heiße Flamme der Liebe zu ihm wieder hoch und hell in deiner Seele, und du bist ihm erneut verfallen, würdest alles für ihn tun, würdest jeden Weg gehen mit ihm.

Mein Berater ist sogar Verfasser eines Handbuchs zum Thema: „Vom richtigen Umgang mit Tyrannen in einer Nussschale.“ Lesenswert, trotz des wirklich affektierten Dreifach-s im trotteligen Buchtitel.

Und immer noch stand mir der Tyrann gegenüber, leicht nach vorne links geneigt, in den gelblichen dünnen Tyrannenfingern ein über und über mit Schnörkeln verziertes Champagnerglas haltend, in dem es gülden sprudelte. Der Tyrann hat natürlich nichts als seine Tyrannenangelegenheiten im Kopf. Er nimmt mich nur wahr, wenn er meine Dienste braucht, wobei ich nie mehr als nur ein kurzes Aufblinken meiner Existenz in seinem Bewusstsein erreichen kann und meistens nur dazu diene, als ein menschliches Wesen ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Auf dass er es zutextet in endlosen Monologen über seine eigene Befindlichkeit.
 
Denn merke: der Tyrann empfindet keinerlei Gefühle, außer für sich selbst. Der Tyrann besteht letzten Endes nur aus reiner Behauptungswillenskraft. Und noch etwas: Vergiss nicht, dass dich der Tyrann nur sehr schlecht hören und kaum sehen kann, denn seine Seele steckt in einer schalldichten Plexiglaskugel, in deren Innerem sich das Bild des Tyrannen spiegelt. Nur dumpf und verschwommen dringt die Außenwelt zu ihm durch. Tagsüber ist er darin eingesperrt, doch nachts, während er sich für zwei oder drei Minuten zur Ruhe legt, härtet dieser Panzer aus und gerinnt zu Bronze. Aus dieser Kapsel ziehen seine Helfer den Tyrannen am Morgen heraus wie einen Bohnenbohrwurm, indem sie rundherum den Seitenschneider ansetzen. Frisch und bis zum Tyrannenrand mit Energie gefüllt, springt der Tyrann hervor, sein erster Befehl regelt die Stelle im Lande, wo dieses frisch ausgeschwitzte Denkmal für ihn aufgestellt werden soll.
Deshalb steht des Tyrannen Standabbild überall herum im Lande, penetrant, wiewohl ein ganz natürlicher Prozess.

Wenn ein kleines Würstchen (oder Würmchen? Oder Kirchenlicht? Oder Wurstkirchenwurm? Egal – Ihr wisst, was ich meine) dann plötzlich den Wunsch verspürt, auch mit einem Denkmal geehrt zu werden, wird die Sache schwierig. Doch nicht hoffnungslos. Also machte ich mich daran und auf und reiste …

[ Fortsetzung folgt ]


Stets im Bilde: Theo O.J. Fuchs / Fotos : Katharina Winter




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Da saß ich im Bus nach Prag und dachte mir, wie unangenehm es sein müsste, von einer Stadt in die andere Stadt gebeamt zu werden. Also mittels Star-Trek-Transporter [https://de.wikipedia.org/wiki/Star-Trek-Technologie]. Man wäre ja im selben Augenblick da, in dem man abgeschickt wird, und würde die schöne Fahrt verpassen. Welche Auswirkungen der abrupte Ortswechsel auf die menschliche Seele hätte, ist noch völlig unerforscht. Zudem ja erst die Seele an sich definiert werden müsste. Das ist sonst ungefähr so, wie wenn man die Verdauung des Monsters von Loch Ness erforschen wollte.  >>
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