35 Jahre Radio Z: Dieses linksversiffte Subkultur-Ding

DONNERSTAG, 1. DEZEMBER 2022, KOPERNIKUSPLATZ



Ein Hinterhof am Kopernikusplatz. Radio Z ist nicht ganz einfach zu finden. Aber die Tür steht offen. Eine verwinkelte Büro-Wohnung, CDs und alte Poster, baumelnde Mikros hinter Glasscheiben. Seit 35 Jahren ist Radio Z auf Sendung, unabhängig, widerständig, wild. Maggie Bernreuther hat seit sechs Jahren den Vorstandshut auf. Weil es wichtig ist, dass es das gibt – allen Mühsals des Ehrenamts zum Trotz.

Text: Andreas Thamm. Fotos: Helene Schütz.

CURT: Maggie, erzähl doch erstmal, für diejenigen, die es nicht kennen, was ist Radio Z überhaupt, auch im Unterschied zu anderen Radiosendern?
MAGGIE: Radio Z ist, das ist der ganz große Unterschied, ein freies und und nichtkommerzielles Radio. Die zweite Besonderheit ist, dass Radio Z nur halbtags läuft. Von 2 bis 2, also 2 Uhr nachmittags ist Sendestart und dann bis 2 Uhr nachts. Der Rest ist auf 95,8 ist Star FM. Auf DAB plus oder im Kabel und im Internet läuft Radio Z aber 24 Stunden. Wir haben eine ganz tolle Mediathek und wir wiederholen es nicht, indem wir es einfach spiegeln, sondern wir wiederholen es mit einem Konzept. So läuft alles zu einer einigermaßen sinnvollen Sendezeit.

Warum ist es wichtig, dass es sowas gibt, einen nichtkommerziellen, freien Radiosender?
Es ist vor allem deswegen wichtig, weil wir absolut unabhängig sind und z.B. nicht, wie andere, Themen aufgreifen müssen, weil wir dafür bezahlt werden. Wir finanzieren uns im Prinzip über Projekte, die wir machen und für die wir Förderung beantragen. Aber da sind wir eben sehr frei in unserer Auswahl. Wir bekommen also auch keine grundsätzliche Förderung vom Freistaat, sondern müssen die Gelder, die wir von der BLM (Bayerische Landeszentrale für neue Medien) bekommen, jedes Jahr neu beantragen. Die BLM kann also, was auch schon ein paarmal passiert ist, sagen, wir fördern das jetzt nicht mehr. Und dann muss man halt schauen, wie es weitergeht und das ist sehr anstrengend auf die Dauer. Es stimmt aber nicht, dass wir gar keine finanzielle Sicherheit haben, denn wir haben ja unsere Mitglieder.

Grundsätzlich steht also eine klassische Vereinsstruktur dahinter.
Wir sind einer der größten Vereine in Nürnberg, über 1200 Mitglieder, das ist schon eine Nummer. Damit kann man schon angeben und das ist auch konstant. Auch jetzt, als es die ersten Beitragserhöhungen seit über 15 Jahren gab. Man ist hier schon dabei, weil man es für sinnvoll hält, das zu erhalten.
Dadurch, dass wir so unabhängig sind, können wir auch mal die kleinen Sachen anhören und anschauen und Menschen eine Stimme geben, die anderswo vielleicht keine bekommen. Zum Beispiel Menschen aus unterschiedlichsten Ländern, wie unsere türkische Redaktion, die jeden Sonntag zwei Stunden macht. Das ist bayernweit auf jeden Fall die einzige Sendung auf Türkisch, obwohl wir so eine große Community haben. Ali ist ja auch Gründungsmitglied bei Radio Z und ihm war das immer besonders wichtig, dass wir diese Vielfalt mit drin haben. Wir haben auch eine rumänische, griechische, französische, südamerikanische und slowenische Redaktion. Dieses Multikulturelle ist wichtig für das Selbstverständnis von Radio Z.  

Was muss ich machen, um auch hier senden zu dürfen?
Wenn du eine Sendung machen willst, musst du Mitglied werden und dann schreibst du ein kleines Konzept, was du dir vorstellst, was du gern senden würdest. Und dann kann es schon zum Ausschlussverfahren kommen, weil wir zum Beispiel sagen, sowas haben wir schon. Wenn sich jetzt zum Beispiel die 16. Wave-Sendung hier bewerben würde. Normalerweise darfst du dann aber eine Probesendung machen, damit du auch siehst, wie funktioniert die Technik, komme ich damit zurecht? Und dann entscheidet das Plenum von Radio Z. Wenn das Plenum sagt, ist cool, dann kannst du auf Sendung gehen.

Jetzt gibt es Radio Z schon seit 35 Jahren, wie lang bist du dabei?
Ich glaube seit 13, 14 Jahren.

Und mittlerweile erste Vorsitzende.
Seit sechs Jahren ungefähr.

Wie bist du hier gelandet?
Ich komme vom Land und habe daheim wirklich viel Radio Z gehört. Damals war es noch weniger Sendezeit. Daneben gab es schon den Zündfunk, immer um 19 Uhr. Das war ganz klassisch: Radio einschalten, wenn etwas läuft. Und als ich dann nach Nürnberg gezogen bin, bin ich quasi sofort ins Komm (Anm.: Kommunikationszentrum, heutiges Künstlerhaus). Und dann eigentlich auch sofort hier her, wo ich zuerst die Audiopets gemacht habe, das ist so Indie-Zeug. Damit hat es angefangen.

Das heißt, am Anfang stand eigentlich die Lust, Musik zu entdecken und zu zeigen?
Ja, genau. Mir hat es schon immer gefallen, dass man hier so ein bisschen überrascht wird. Man stolpert ganz oft über irgendetwas, wo man sonst keinen Zugang hätte. Das ist ein Aspekt, der mich immer schon total begeistert hat am Radiohören. Es gab halt auch einfach noch kein Internet. Radio war auf jeden Fall ein Medium, wo ich mich informiert habe.

Wie erinnerst du dich daran, als du hierhergekommen bist, hast du dich sofort aufgenommen gefühlt? Oder war das schwierig?
Bei diesen ehrenamtlichen Sachen und diesem Vereinszeug dauert es immer ein bisschen, bis man mal drin ist. Ich habe ein paar Jährchen gebraucht, bis ich es wirklich geschnallt habe. Das ist aber ganz normal. Da war ich noch ganz jung und mittlerweile bin ich schon ein bisschen amtsmüde. Wobei das, glaube ich, auch mit der allgemeinen Situation zu tun hat. Vereine tun sich momentan schwer, weil durch die Pandemie so viel Beteiligung weggebrochen ist. Viele Leute haben einfach gemerkt, ich muss mir gar nicht jeden Samstag für ein Ehrenamt den Arsch aufreißen, ich komme auch ganz gut ohne zurecht. Das ist bei uns momentan auch ein Thema.

Wie seid ihr denn mit der Pandemie umgegangen am Anfang?
Wir haben eine ganze Zeit lang niemanden hier reingelassen, einfach weil wir nicht wollten, dass sich jemand auf dem Weg zu Z ansteckt. Das heißt, wir mussten zumachen und das war für unsere eine Mitglieder teilweise heftig.  Die Leute haben sich also befähigt, ihre Sendungen von zu Hause aus aufzunehmen und die allermeisten haben das auch super gemacht.

Hatten dann alle auch die entsprechende Technik daheim?
Zum Teil, ja, und manche haben es sich echt auch angeschafft. Aber wir haben halt auch Sendungen, wo die Leute nur mit Schallplatten auflegen. Das geht nur hier. Ich glaube selbst beim Bayerischen Rundfunk können die das nicht mehr. Diese Sendungen hatten jedenfalls ein Problem, dass das nicht mehr ging.

Das heißt aber, um darauf zurückzukommen, das Problem ist nicht, dass Mitglieder wegbrechen würden, sondern dass die Aktivität eingeschlafen ist?
Ja, das ist ja etwas, was in der ganzen Kultur zu spüren ist. Ich frage mich oft, woran liegt das denn, dass Veranstaltungen zum Teil nicht so gut besucht sind? Ist es, weil die Leute noch Angst haben oder ist es einfach dieses Wir-bleiben-heute-lieber-daheim ...?

Alle Kinder gekriegt ...
Oder einen Hund angeschafft. Naja, das Leben hat sich verändert in den zwei Jahren. Und jetzt müssen die Vereine oder auch die Kultur so so richtig ackern, um deutlich zu machen: Hey, hallo, uns gibt es ja noch. Aber wir bibbern nicht. Uns gibt es seit 35 Jahren, da ist die Basis natürlich super. Aber: Wir wissen alle nicht wirklich, was passiert. Wie ist es jetzt zum Beispiel mit den Energiepreisen? Was bedeutet das für die Stadt Nürnberg, die uns ja auch unterstützt? Das ist ein Beitrag, der für uns essentiell ist und wenn die Stadt sagen würde, wir bezuschussen das nicht mehr ... Das wäre der Supergau.

Dafür gibt es jetzt aber keine Anzeichen, oder?
Nee, also da ist gar nichts zu uns durchgesickert oder so. Der eine Stadtrat von der AfD hat natürlich gewettert, dass wir im Haushaltsplan mit drinstehen. Ansonsten haben wir aber, glaube ich, ein super Standing und auch der Marcus König war vor der Wahl bei unserer Elefantenrunde, damals noch mit Uschi Unsinn. Ulrich Maly war auch Mitglied und öfter mal hier vor Ort.

Habt ihr das Gefühl, ihr müsst euch gegen Überangebot durchsetzen, das in Konkurrenz zum guten alten Radio steht?
Wir merken das nicht wirklich. Es kommen konstant Leute nach, auch junge. Das alte Radioproblem ist aber: Man kann es nicht gut messen, man weiß nie, wer schaltet gerade ein.  Es gibt für das klassische Radio nur diese völlig altertümliche Art und Weise, das herauszufinden, wo man per Telefon angerufen und gefragt wird. Und dann gibt es Hochrechnungen und das ist ein Mal so und das nächste Mal völlig anders. Das hat für uns also überhaupt keine Aussagekraft und es ist auch nicht relevant, weil wir ja auch kein Geld damit verdienen, also keine Werbemittel mit dieser Information verkaufen müssen. Unser Gefühl sagt natürlich, die die Mitglied sind, hören immer. Und hin und wieder bekommen wir auch Feedback z.B. über Insta, aber auch per Telefon direkt ins Studio. Wir haben also nicht das Gefühl, unsere Relevanz hätte nachgelassen. Auch weil wir immer noch eine Plattform sind, die es sonst nirgends gibt. Als zuletzt der Integrationsrat gewählt wurde, hat der Ali alle Kandidat*innen eingeladen, zu ihm in die Sendung zu kommen und sich vorstellen.  Oder Menschen mit Behinderung: Wir haben eine Sendung, Ohrenblicke, die von Menschen mit Beeinträchtigungen gemacht wird. Deswegen sage ich manchmal, es ist vielleicht ein bisschen wichtiger für die Menschen, die es machen und die Zahl, wie viele zuhören, ist dann nicht so entscheidend. Und ich denke mir: Wenn wir jetzt gerade fünf Leute erreichen und über etwas informieren, was die vorher noch nicht gewusst haben, das ist doch geil!

Kannst du, auch wenn du nicht dabei warst, erklären, aus welcher Motivation heraus Radio Z vor 35 Jahren entstanden ist?
Ja, das war diese Zeit, die jetzt gerade auch wieder sehr aktuell ist, weil es dieses wundervolle Buch über das Komm gibt. Wir sind nicht direkt aus dem Komm entstanden, aber, wie es halt in Nürnberg immer so ist, es war die gleiche Bubble, dieses linksversiffte Subkultur-Ding. Und dann gab es die Massenverhaftungen im Komm und die Proteste in Wackersdorf waren auch zu der Zeit. Im Zuge dieser Bewegung kam das Gefühl auf, es braucht auch ein Medienformat, wo solche Informationen, transportiert werden. In den Nürnberger Nachrichten hat das nicht stattgefunden. Es brauchte eine Radiosendung und das haben die dann wirklich erstritten, weil das medienrechtlich gar nicht so einfach ist. Dann hat sich der Verein gegründet und angefangen in einem Keller mit Magnetbändern zu arbeiten. Also total abgefahren, richtig piratenmäßig. Anfangs waren es vier Stunden Sendezeit und dann wurden es immer mehr.

Und der Sender hat nachhaltig überlebt.
Ja, also das ist schon beeindruckend, finde ich. Vor allem weil das am Anfang nicht so gewollt wurde. Und weil es auf Dauer ein bisschen erschöpfend ist. Aber dann denke ich mir wieder, was du gefragt hast: Warum braucht es das? Auch um einen Ort für eine Gegenmeinung zu haben. Wir haben jetzt in der Pandemie natürlich besonders drauf geschaut, aber es kam uns kein einziges Mal zu Ohren, das in unseren Sendungen mords rumgeschwurbelt worden wäre. Das ist der Hammer, wenn man bedenkt, dass wir über 200 Ehrenamtliche in 80 Redaktionen haben. Wir mussten aber nirgendwo eingreifen, weil jemand angefangen hätte, übers Impfen zu motzen. Und das fanden wir irgendwie ganz schön cool. Wir haben gemerkt, es haben alle das Herz am richtigen Fleck.

Du selbst machst mittlerweile den Stoffwechsel, euer Info-Programm. 
Genau. Ich habe noch eine Sendung, die heißt Europe is Found und da geht‘s um europäische Strömungen oder eben andere Länder und was da grad so los ist, das ist aber auch nur einmal im Monat. Der Stoffwechsel macht auch viel Projektarbeiten, wir müssen zu, sage ich mal, 80 Prozent, die Anträge stellen. Wir machen zwei Stunden Programm pro Tag und da ist immer eine Person von uns auch hier. Und zur Zeit sind wir nur zu sechst für fünf Tage. Das muss man sich in gewisser Weise schon auch leisten können.

Bei über 200 Ehrenamtern muss man natürlich auch darauf vertrauen, dass alle immer rechtzeitig ihre Sendung abliefern. Wie oft läuft was schief?
Wenn wir Sendeausfälle haben, sind die eher technischer Natur, dass sich irgendwas aufgehängt hat. Dass eine Redaktion etwas verpeilt hat, ist wirklich ganz selten. Es sind halt auch Leute, die das machen, weil sie das so lieben und für ihr Thema brennen.

Wie kontrovers wird intern diskutiert oder seid ihr meistens einer Meinung?
Irgendwie ist ja klar, wenn du vorhast, hier etwas zu machen, muss dein Herz links schlagen. Die Linke untereinander ist sich natürlich auch nicht immer einig, aber wir versuchen, alle zu Wort kommen zu lassen. Das ist ja auch das, was Radio ausmacht, dass man versucht, offen zu bleiben, zuzuhören und die andere Person ausreden lässt. Damit ist schon viel gewonnen.
Wie gesagt, Corona hatte viel Potenzial für Sprengkraft. Und manche fanden unsere Entscheidung, dass wir hier jetzt zumachen, nicht so toll.  Und was viele total genervt hat, war, dass wir den „Ghettoblaster“ abgesägt haben – eine HipHop-Sendung, die eine richtige Institution war, eine der ersten reinen HipHop-Sendungen in Deutschland überhaupt. Aber die Redaktion war so verstritten, das hat uns so viel Kraft und Arbeit gekostet, dass irgendwann klar war, nein, wir können nicht mehr, wir sind keine Institution, die Gruppentherapie anbietet. Das war echt hart und da haben wir, glaube ich, auch Leute verloren. Jetzt haben wir ja wieder eine HipHop-Sendung mit ganz neuen, ganz jungen Beteiligten. Die sind jetzt seit zwei Jahren on air und kriegen auch gutes Feedback. RapreZent, Samstag, 17 Uhr.

Was würdest du dir für Radio Z in den kommenden Jahren wünschen?
Jetzt stehen erstmal die Sendefrequenzvergaben an. Alle acht Jahre muss man sich neu um die Frequenz bewerben und dann können die auch „nö“ sagen. Diese Entscheidung trifft der Medienrat, also im Prinzip Leute aus dem Landtag. Und da sitzt ja jetzt auch die AfD und die finden uns halt nicht so geil. Ich wünsche mir also, dass wir unsere Frequenz behalten können. Im Moment denke ich insgesamt mit Bauchschmerzen an unsere gesamte Kulturlandschaft. Was da an Kürzungen auf uns zukommt, wissen wir jetzt noch nicht und vielleicht wird man an alte Zeiten anknüpfen müssen und wieder viel mehr eigenes Engagement an den Tag legen. Engagement oder Ehrenamt ist aber immer zeitaufwändig und ich würde mir wünschen, dass mehr bürokratische Hürden abgebaut werden. Und dass die Menschen im Ehrenamt mehr Wertschätzung erfahren.

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MAGGIE BERNREUTHER (Blog mit eigenen Texten), aufgewachsen im 200-Seelen-Kaff, später im K4 hängengeblieben und mit dem Musikverein zahllose Veranstaltungen organisiert. Mehrere Theaterstücke mit dem Theater thevo. Seit Ende der Nullerjahre Mitglied bei Radio Z, anfangs in der Musikredaktion, mittlerweile Stoffwechsel-Moderatorin und erste Vorsitzende.

RADIO Z ist ein freier, nichtkommerzieller Radiosender für den Großraum Nürnberg.
UKW-Frequenz 95,8, Livestream und Mediathek auf: www.radio-z.net




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