Blaue Nacht 2022: Keine Kunst ohne Phantasie, keine Künstler ohne Bühne

SAMSTAG, 7. MAI 2022, NüRNBERG



Auch dieses städtische kulturell-künstlerische Großevent musste zwei Jahre pausieren. Blau gemacht hat aber in der Zeit niemand aus dem Projektbüro der Stadt Nürnberg, im Gegenteil. Die wilden Zeiten haben es auch hier niemandem leichter gemacht. Projektleiterin Simone Ruf startete ihren neuen Job pünktlich zum ersten Lockdown und darf nun endlich ihre erste Blaue Nacht umsetzen. Sie berichtet uns, wie sich das anfühlt.

CURT: Simone, Du bist seit dem Lockdown Projektleiterin der Blauen Nacht. Wie fühlten sich die vergangenen beiden Jahre an?
SIMONE RUF: Dass ich nicht am Kulturleben teilhaben konnte, war für mich privat sehr frustrierend. Ich lasse mich abends gerne treiben – von einer Ausstellungseröffnung zu einem Konzert, abschließend einen Absacker in einer Bar ... Beruflich war es hingegen eine steile Lernkurve! Statt der regulären Festivals des Projektbüros haben wir unter Hochdruck Konzepte für Sonderformate entwickelt, um einen kleinen Teil der Kulturmaschinerie weiter am Laufen zu halten. Der „Kunst-Anschlag“ mit der Gestaltung von Plakatgroßflächen durch lokale Kunstschaffende war mein erstes Projekt, darauf folgte „Lost & Found 2 – ein Kunstparcours im Burggraben“. Das war mein Einstieg in die Projektarbeit im Öffentlichen Raum. Das ist noch mal komplett anders als die Arbeit in einem „Haus“ mit festem Personal und Infrastruktur, wie ich es fast ein Jahrzehnt vom Künstlerhaus gewohnt war. Zig Anträge, Ausschreibungen, Sicherheitskonzepte, endlose Excel-Listen – und dann noch die ständige Anpassung an wechselnde Corona-Regelungen …
Bei uns zeichnet sich eine Person verantwortlich für ein Projekt, d.h. du steuerst alles. Mit der Open-Air-Ausstellung „Lost & Found 2“ haben wir letztes Jahr im Mai die Corona-Lethargie durchbrochen. Das war eine sehr erfüllende Erfahrung. Ich habe immer noch die schrille „Pink void“-Wand und die wehende „Plastikflut“ sowie die strahlenden Augen der Beteiligten vor Augen. Im Herbst kam dann meine erste „Blaue Nacht“-Etappe mit der Burgprojektion von Peter Angermann – eine mehrtägige Show als Ersatz für die ausgefallene Blaue Nacht 2021. Und dann – Bäm! – ging es im Anschluss Vollgas mit den Vorbereitungen für DIE BLAUE NACHT 2022 los: Mottofindung, Auswahl der Burgkünstlerin, Ausschreibung des Kunstwettbewerbs, Jurysitzung, Sponsorengespräche, Häuserrunden …

2020 wäre das Motto „Risiko“ gewesen, 2022 heißt es „Phantasie“. Was gab den Ausschlag für genau dieses Motto?
Es kostet sehr viel Vorstellungskraft, mit über 70 beteiligten Einrichtungen ein analoges Großevent zu planen, wenn man gerade zuhause bleiben muss, die Kontakte aufs Wesentliche reduzieren soll und sich das Kulturleben im Wesentlichen digital abspielt. Keine Kunst ohne Phantasie, keine Künstler*innen ohne Bühne. Manche Gespräche von erschöpften Kulturschaffenden haben uns ins Mark getroffen. Also war unser Motto: Planen und Träumen! Sascha Banck beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Thema „Gedächtnispalast“. Damit war „Phantasie“ dann gesetzt. Viele Beteiligte haben das Thema nun mit Leben gefüllt: Es gibt wilde Traumwelten bei der Mappingshow „Elysium“ von RE:SORB, Stefan „Eichi“ Eichbauer vom Duo „Spaßkoffer“ hat Premiere mit „Photonic Scribbles“ – hier kreiert das Publikum selbst phantastische Lichtmalerei mit Taschenlampen und Leucht-Pois. FCN-Fans stehen wieder vor der Herausforderung, Unmögliches möglich zu machen: In der Lessingstraße gilt es, unrunde Bälle in rechteckige Tore zu schießen.   

Dieses Jahr findet die Blaue Nacht sicher statt. Richtig?
Ja, unter der Einhaltung der dann geltenden Hygieneregelungen. Wir hoffen natürlich auf weitere Lockerungen bis Anfang Mai.

Die Blaue Nacht gehört zu den größten Großereignissen in der Region. Wie viele Besucher*innen erwartet ihr?
Wir starten den Nürnberger Festivalfrühling – so viel steht fest! Unsere Early-Bird-Tickets kamen super an. Seit unserem Besuch im Dezember beim Lyoner Lichtkunstfestival „Fête des Lumières“ – mit einer halben Million Besucher*innen – habe ich keine Zweifel mehr, dass wir DIE BLAUE NACHT in irgendeiner Form zeigen können. Wenn auch nicht mit ganz so viel Publikum wie die Franzosen.

Hat sich das Event verändert / wurde am Konzept geschraubt? Die Gelegenheit wäre günstig, nach der Pause.
Es ist einmalig, 77 verschiedene Orte zu besuchen und so eine Vielfalt an Kultur an einem Abend zu erleben. Ich möchte die Neugierde für dieses einmalige Format wieder wecken! Wir binden neue Orte ein – Garten Marstallbrücke, Kulturscheune der Altstadtfreunde, das Areal von Schmitt + Sohn –, machen über unsere Kanäle transparent, welche Newcomer*innen und etablierte Künstler*innen an Bord sind, welche Highlights die Museenlandschaft aktuell in petto hat. Der Publikums-preis der N-ERGIE anlässlich des Blaue-Nacht-Kunstwettbewerbs feiert zehnjähriges Jubiläum – und erfreut sich in der Kunstszene über ein hohes Ansehen. Ich wäre sehr gerne Besucherin dieses Jahr! Ich glaube, viele frühere Blaue-Nacht-Besuchenden lassen sich von der Fülle abschrecken und dieses Hindernis versuche ich aus dem Weg zu räumen: Das Programmheft hat einen neuen Anstrich, wir haben einen neuen Internetauftritt, hier man kann nach Lust und Laune filtern und Merklisten für die persönliche Route anlegen. Als passionierte Hobby-radlerin freue ich mich sehr, dass wir eine neue Koop mit VAG_Rad haben. Falls die Füße also wehtun: Ab aufs Rad zum nächsten Kunstort! Eine Woche vorher verlosen wir Codes für die kostenfreie Nutzung der Räder an der Blauen Nacht.

Sascha Banck wird diesmal die Burg illuminieren. Warum ist genau sie prädestiniert für den Job?
Leuchtkraft. Ideenreichtum. Technikverständnis. Neugierde. Ausdauer. Das sind Voraussetzungen für eine gelingende Burgprojektion. Sascha hat in den letzten Jahren als Mixed-Media-Künstlerin mit ihren Arbeiten im öffentlichen Raum wahnsinnig viel Kreativität und Leidenschaft gezeigt, z.B. mit ihren Rehschnecken aus Aludibond im Kulturpalast Anwanden, der „Display“-Installation im Schaufenster der kunst galerie fürth oder ihrer Raseninstallation bei #streetartLesen. Sie konnte sich – was für vorherige Burgkünstler*innen bisher noch nie möglich war – die Burgprojektion von Peter Angermann im Herbst anschauen und somit sofort ein technisches Verständnis für die analoge Funktionsweise der Projektion entwickeln. Das hat einen Strudel an Ideen ausgelöst! Sie führte Expert*innengespräche zum Thema Klarträume, Künstliche Intelligenz, Imaginationstechniken und verwebt die Erkenntnisse in ihren Zeichnungen. Diese wiederum hinterlegt sie mit früheren abstrakten Gemälden. Wir brechen sogar erstmals die Tradition und setzen für Stop-Motion-Elemente einen Videobeamer ein.

Was hat es mit Artist-in-Residence auf sich und was dürfen wir vom Künstler Matthias Deeg erwarten?
Das ist eine seit 2018 existierende Kooperation der Akademie der Bildenden Künste, der Firma Hüttinger Interactive Exhibitions und dem Projektbüro zur Förderung junger Kunstschaffender. Studierende der AdBK erhalten die Möglichkeit, ein halbes Jahr in den Werkstätten der Firma Hüttinger in Schwaig ein von einer Fachjury ausgewähltes Projekt zu realisieren. Das ist eine sehr spannende und lehrreiche Erfahrung, wie mir Matthias Deeg berichtete. Matthias hat für seine Installation mit Infrarotkameras dunkle Räume erkundet. Elektromagnetische Wellen, die er an diesen Orten aufnehmen konnte, wandelt er um und macht das gewonnene Film- und Soundmaterial auf Röhrenbildschirmen sicht- und hörbar. Er zeigt seine Installation noch über die Blaue Nacht hinaus. Am 14. Mai geben Matthias Deeg und Sascha Banck bei einem Künstlergespräch tiefere Einblicke in ihre Projekte.

Gerade nach zwei Jahren Pause ist die Vorfreude umso größer, in der Stadt, aber wahrscheinlich auch bei euch im Team. Worauf freust du persönlich dich am meisten und wie hast du selbst immer die Blaue Nacht bisher erlebt?
Bei den 13 Kunstwettbewerbsprojekten sind einige audiovisuelle Soundinstallationen dabei, die ich – nachdem ich die Konzepte bestimmt fünf Mal gelesen habe – nun gerne in der Umsetzung erleben möchte. Z.B. den Leipziger Künstler Stefan Schleupner mit Solar_sub; die Jungs von ELEKTROPASTETE mit SUR | RUS oder die AdbK-Studierende Hannah Gebauer (und Co.) mit „Pattern of Noise“. Und auch auf Nándor Angstenberger, den Publikumspreisträger der Ortung 2021, freue ich mich besonders. Er schafft eine Textilinstallation aus türkisfarbener Wolle in den verwinkelten Historischen Felsengängen. Auf ein Blaue-Nacht-Feierabendbier trifft man mich dann auf jeden Fall im Club Stereo! Bisher habe ich als interdisziplinäre Programmmacherin im Künstlerhaus erlebt – mit vielen Gruppen und Vereinen, die eine Nacht zusammen gestaltet haben. Jetzt ist „die Stadt“ mein Haus. Das macht mich sehr glücklich.

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DIE BLAUE NACHT 2022
Über 200 Programmpunkte, von Ausstellungen über Performances
bis zu Musik. Am 7. Mai, in Nürnberg.

06.05. / 20 –24 Uhr    Preview der Kunstwettbewerbsprojekte
07.05. / 19–24 Uhr     plus Late Night –  DIE BLAUE NACHT
09.04.–14.05.    Burgprojektion 2022 „Streifzug durchs Paralleluniversum“ von Sascha Banck im Kunstverein Kohlenhof
07.05.–15.05.    Installation „I see another world but I can´t stop“ von Matthias Deeg, Artist-in-Residence der Firma Hüttinger, im Foyer Museum für Kommunikation
07.05.–12.06.    Installation „Fantasma. Spurensuche und die Faszination Unbekannt“ von Nándor Angstenberger, Historische Felsengänge




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