Nachgefragt: David Schumann
David Schumann arbeitet als Model in Japan und steht auf Punkrock, Dosenbier und den FC Schalke 04. Seinen autobiografischen Roman „The Tokyo Diaries“ stellt er zur Zeit auf Lesereise vor, auch im Nürnberger MUZ Club.
Humorvoll und realistisch schildert er in dem Buch die Eigenheiten des Alltagslebens in Japan und seinen Einstieg in die japanische Musik- und Modelszene. Erste Begegnungen mit japanischen Frauen, exzessive Parties und popkulturelle Überlegungen fehlen in dem Bericht, der einst (2005) als Kolumne im Ox-Fanzine begann, ebenso wenig wie ernsthafte Gedanken zum eigenen Umgang mit einer anderen Kultur.
Wie lässt sich für dich der Gegensatz Model / Punkrock verbinden? Oder ist es vielleicht gar keiner (siehe die Entstehungsgeschichte der Sex Pistols)?
Für mich hat Punk rein gar nichts mit Mode zu tun, genauso wenig wie die Sex Pistols mit meiner Definition von Punkrock zu tun haben. Punk hat schon immer bedeutet, sein eigenes Leben zu leben, frei und selbstbestimmt, ohne irgendwelchen gesellschaftlichen Konventionen hinterher zu rennen. Diese Einstellung steht Mode ja extrem konträr gegenüber.
Was machst du am liebsten nach einem absolvierten Model-Job, um abzuschalten?
Eigentlich muss ich danach nicht grossartig abschalten, besonders anstrengend oder anspruchsvoll ist die Arbeit in der Regel ja nicht. Deshalb mache ich auch nach einem Model-Job nichts anderes alssonst immer: Musik hören/machen, schreiben, lesen, Bier trinken und Fussball gucken.
Was sagen deine alten Kumpels zu deiner Model-Tätigkeit?
Da ich ja jetzt schon bald im fünften Jahr als Model arbeite, so langsam gar nichts mehr. Was gibt’s da auch zu sagen? Meine Freunde interessieren sich mehr für die Dinge, die ich abseits der Model-Sache tue. Genauso wie ich.
Liest du eigentlich Modemagazine?
Nein.
Du hast mal gesagt, über den Job als Model würdest du dich nie definieren. Wie definierst du dich dann?
Über alles andere, über die Dinge, die ich denke und tue, über die Art, wie ich handle und über die Kunst, die ich schaffe. Ob das jetzt Musik oder Literatur ist, spielt dabei keine Rolle, Hauptsache ist, dass ich etwas tue, das mich inhaltlich ausdrückt – ein wichtiger Gegensatz zu dem oberflächlichen Modeljob.
Besuchst du in Tokio Konzerte? Wenn ja, welche Band hast du dir zuletzt angeschaut?
In Tokio sind Konzerte um einiges teurer als in Deutschland, deshalb gehe ich weniger weg als zum Beispiel in Köln. Wenn allerdings eine gute Band kommt, dann versuche ich trotzdem immer hinzugehen. Zuletzt waren das Set Your Goals, All Time Low und Gorilla Biscuits.
Was unterscheidet für dich die japanische Musikszene von der (mittel-)europäischen?
Neben den Preisen vor allem die Machart und Organisation. In Japan ist der D.I.Y. Gedanke viel weniger präsent als im Westen, alles ist kommerzieller und inhaltsloser. Viele Bands nehmen die optischen Codes auf, aber nicht die Attitüde und Einstellung.
Gibt es in Japan ähnlich wie hierzulande gerade auch diesen Diskurs über den Werteverfall von Musik als Kulturgut ob Blogs, Flatrate etc...?
Eher weniger, in Japan wird nicht so viel runtergeladen wie im Westen, die Leute haben eine viel ausgepraegtere Sammlermentalitaet. Davon abgesehen wird Musik auch oft nicht als „Kulturgut“ gesehen, sondern eher als Ware.
Deine Meinung dazu?
Ich denke, dass man niemandem einen Vorwurf machen kann, bei der momentanen Verfügbarkeit, sich Musik digital zu beschaffen. Die Labels waren jahrelang viel zu überheblich und arrogant und zahlen jetzt die Rechnung dafür. Bands verdienen inzwischen halt eher an Konzerten und Merchandise. Irgendwie geht es immer weiter.
Warum denkst du, werden Bands, die in Europa höchstens mittelmäßig erfolgreich sind, in Japan oft als Helden gefeiert?
Genauso ist es doch in Deutschland. In Amerika kennt z.B. niemand die Bloodhound Gang...
Kennen die japanischen Musiknerds Bands und Musiker aus Deutschland auch abseits der Scorpions?
Oh ja, die kennen tausende von Bands, die sie als „German Metal“ bezeichnen und von denen ich noch nie gehört habe. In Japan gibt es den generellen Hang dazu, sich extrem besessen mit einem gewissen Thema – sei das jetzt bestimmte Musik, Film, Literatur oder was auch immer – zu beschäftigen und auszukennen. Wobei dann allerdings auch oft abgesehen davon nicht mehr viel anderes wahrgenommen wird.
Welchen Song hast du zuletzt in einer Karaokebar gesungen?
„There is a light that never goes out“ von The Smiths.
Warum?
Weil ich am Morgen des nächsten Tages nach Deutschland geflogen bin und etwas brauchte, woran ich mich festhalten konnte.
Was erwartet den Besucher deiner Lesung? Eher einen fixierten Ablauf oder eher... Punkrock?
Punkrock funktioniert – bei einer Lesung zumindest – auch immer nur spontan, ist nicht planbar. Deswegen habe ich auch nie derartige Erwartungen an meine eigene Show. Ich gehe einfach auf die Bühne, trinke was, lese aus meinem Buch vor und rede mich dazwischen um Kopf und kragen. Was ansonsten passiert, kann man nie wissen, und das ist ja auch das schoene daran: Unberechenbarkeit und Spontanität.
Interview: dl
David Schumann: The Tokyo Diaries, Ein Rock’n`Roll-Roman Lesung, Donnerstag 8. Oktober, MUZ Club, Einlass: 20.00h / Beginn: ca. 20.30h. Eintritt: VVK 6,-€ + VVK-Gebühren über ticketmaster.de / AK 8,-€. Keine Reservierungen über die MUZ möglich.
www.musikzentrale.com