Kann Kunst Halt geben? Das Stadttheater Fürth in der Spielzeit 25/26
Das Fürther Stadttheater geht in seine zweite Silvia-Stolz-Spielzeit. Das Motto passt zur Zeit und ist Mahnung und Wunsch zugleich: Zusammen.Halt. Darunter fasst das Haus um die 120 Produktionen, zehn Premieren, hochkarätige Gastspiele, einige klangvolle Namen und die vielleicht tatsächlich wiederkehrende Frage: Kann Kunst Halt geben, wenn die Demokratie ins Wanken gerät? Am Mittwoch, 30.04., wurde die Spielzeit 25/26 der Presse vorgestellt.
Der Auftakt zur Spielzeit vom 25. bis 27.09. setzt den politischen Ton. Los geht es nicht mit Theater, sondern mit einem Gespräch. Auf einen Vortrag von Michel Friedmann über Demokratie, Kunstfreiheit und die Lage Deutschlands folgt ein Podiumsgespräch mit ihm selbst, dem Antisemitismus-Beauftragen der Staatsregierung Ludwig Spaenle und der Autorin Theresia Walser. Walser Auftragsarbeit für das Stadttheater feiert dann am Abend darauf Premiere im Kulturforum: Von allen Geistern ist eine Produktion der Fürther in Zusammenarbeit mit dem Kunstfest Weimar und dem Kleistforum Frankfurt (Oder). Walser beschreibt den Schulalltag am Goethe Gymnasium – nach der Machtübernahme der Rechtsextremisten. Regie führt Torsten Fischer. Der dritte Teil des Auftakts ist ein Musical: Briefe von Ruth basiert auf Briefen und Tagebüchern der Wiener Jüdin Ruth Maier, die 1939 nach Norwegen fliehen konnte und bisweilen als österreichische Anne Frank bezeichnet wird.
Mit Sebastian Sommer kommt im April 2026 der Haus-Regisseur des Berliner Ensembles nach Fürth. Er wird sich einen Klassiker vornehmen, der, so Chefdramaturg Udo Eidinger, zeitlose oder vielleicht sogar jetzt besonders aktuelle Debatten aufruft: Heinrich von Kleists Der zerbrochne Krug: Der Richter Adam hat die junge Eve bedrängt, bei der Flucht vor dem Verlobten ging der Krug zu Bruch. Es folgt eine juristische und komische Posse. Weitere Premieren als hauseigene Produktionen: Heimsuchung, ein Live-Hörspiel nach Jenny Erpenbecks Roman über 15 Lebensläufe in einem Haus in Brandenburg. NippleJesus von Nick Hornby ist das Stück, mit dem das Theater nach draußen geht, in Museen, Galerien und die vhs – ein Solo über die Abgründe des Kunstbetriebs. Als Weihnachtsstück ab 5 Jahren inszeniert Grit Lukas Der Zauberer von Oz. Und im Zuge des Lobs der Vielfalt inszeniert die transnational arbeitende Regisseurin Berfin Orman Istanbul: Eine umgedrehte Gastarbeitergeschichte über Klaus aus Fürth, der Anfang der 60er-Jahre in die Türkei auswandert, umgesetzt mit viel Musik von Sezen Aksu und in Zusammenarbeit mit der Nürnberger Musikhochschule.
Für junges Publikum, das schon zu alt ist für das Weihnachtsstück, gibt es im Juni 2026 ein Stück über Mut und Freundschaft von einem der besten deutschsprachigen Autoren überhaupt: Wolf von Saša Stanišić. Für die Geschichte über Kimi im Ferienlager, wo er den schrägen Jörg und den unangenehmen Marko kennenlernt, erhielt der Autor 2024 den Jugendliteraturpreis. Inda Buschmann inszeniert die Geschichte für Jugendliche (und Erwachsene). Eine Wiederaufnahme bekommt das super erfolgreiche Kinderstück Das Ei mit dem Knacks.
Die grandiose Besonderheit des Fürther Stadttheaters besteht aber nach wie vor in der Verbindung von Theater mit eigenem Ensemble und eigenen Produktionen mit vielen Gastspielen, also der Möglichkeit des Fränkischen Publikums ausgezeichnetes Theater aus anderen Städten sehen zu können. Noch im November kommt das Staatstheater Mainz mit einer auch über die Kulturwelt hinaus wichtigen Recherchearbeit in den Großen Sitzungssaal des Fürther Rathauses: Der Autor Tuğsal Moğul sucht nach Transparenz in den maximal intransparenten Vorgängen der Aufarbeitung des rassistischen Anschlags von Hanau. And now Hanau ist in Zusammenarbeit mit Angehörigen und Opfern entstanden und gibt den Betroffenen das Wort. Die Hamburger Kammerspiele sind dann am Januar des kommenden Jahres zu Gast: Alice – Spiel um dein Leben ist ein Solostück, in dem Natalie O’Hara in die Rolle der Pianistin und Überlebenden des Ghettos Theresienstadt Alice Herz-Sommer schlüpft. Eine schauspielerische und musikalische Leistung für die O’Hara 2023 für den Faust Theaterpreis nominiert wurde. Ein bayerisches Haus mit großer Strahlkraft ist mit Sicherheit das Münchner Residenztheater. Es zeigt in Fürth eine Arbeit, bei der der Gegenwartsautor Björn SC Deigner sich an eine aktuelle Brecht-Fortschreibung gewagt hat: Die Gewehre der Frau Carrar/Würgendes Blei erzählt von Frau Carrar, die ihren Söhnen verbietet, sich dem Kampf gegen Franco anzuschließen, Deigners Text sucht nach einer zeitgenössischen Sprache für den überzeitlichen Schrecken des Krieges. Die Inszenierung von Luise Voigt gehört zu den zehn Stücken, die in diesem Jahr für die Berliner Festspiele ausgewählt wurden.
Mit Meisterklasse Maria Callas vom Volkstheater Wien kommt eine richtige Kult-Inszenierung nach Fürth. Seit 1996 spielt Andrea Eckert die ungnädige Diva. Die Vodkagespräche ist eine Produktion des Künstlerkollektivs J.A.C.K. Im Dialog zweier Schwestern bei der Beerdigung des Vaters kommt einmal alles auf den Tisch. Es spielen Karoline Eichhorn und Carin Striebeck, beide kennt man auch aus Film und Fernsehen und von der Wiener Burgtheaterbühne. Und noch ein richtiger Brummer der Theaterwelt: Das Berliner Ensemble zeigt in Fürth Felix Krull – Stunde der Hochstapler, nach Thomas Mann und in Bearbeitung von Alexander Eisenach, momentan Hausregisseur am Residenztheater München, der eine inhaltliche Brücke in die Gegenwart schlägt.
Und das ist nur die Theatersparte. Hinzu kommen etliche Lesungen, unter anderem mit Katharina Thalbach, die Schauergeschichten mitbringt oder Benjamin von Stuckrad-Barre mit Noch wach?. Tanzkompanien reisen unter anderem aus China, Frankreich und Brasilien nach Fürth, im Musiktheater kommt einmal das ganze Leben des Johann Sebastian Bach auf die Bühne und die Tiger Lillies widmen sich auf anarchische Art dem Struwwelpeter bzw: Shockheaded Peter. Die Bamberger Symphoniker bringen den Gegenwartskomponisten Jörg Widmann mit und das brückenschlagende Cairo Symphony Orchestra Kompositionen seines Dirigenten Ahmed el Saedi. MIt Opernsänger Rolando Villazón hat das Stadttheater einen echten Weltstar im Programm stehen, aber auch Katja Riemann, Milow und der wiederkehrende Lars Eidinger werden das Haus garantiert voll machen. Eidinger darf dann im Hinterhaus auch wieder eine Party schmeißen.
Das Fürther Stadttheater bedient sein Profil in der großen Vielfalt. Die Stücke immer wieder in reduziertem Ausmaß, Solo-Abende oder Duos. Daneben die namhaften Gastspiele, die großen Namen, die Orchester, Figurentheater- und Tanzgruppen. Für jeden was dabei – aber sorgfältig ausgewählt. Neu in der Spielzeit 2025/26 ist das Gesprächsformat Nagel trifft Kopf, bei dem der Musiker und Fürther Kulturpreisträger Norbert Nagel Kolleg:innen trifft und mit ihnen musiziert. Im Rahmen der Events und der partizipativen Brückenbau-Reihe taucht auch die mobile HerzWandelBar wieder auf, an der man mit den Theatermachenden und -besuchenden ins Gespräch kommen kann. Zwei Dinge, so Pressesprecher Christof Goger, hätten sich aus dieser Initiative ergeben: Das Plausch-Abo für Menschen, die nach einer Begleitung für den Theaterbesuch suchen und die neuen Nachmittagsvorstellungen um 16 Uhr.
Der Vorverkauf für die Spielzeit beginnt schon vor der Spielzeitpause, am 01.07.
www.stadttheater.de