Neues Museum: Happy Birthday mit Pipilotti und Lolita!

DIENSTAG, 15. APRIL 2025, NEUES MUSEUM



Das Neue Museum Nürnberg ist 25 Jahre jung: Direktorin Simone Schimpf über Gegenwartskunst, Spielräume und Zukunftspläne.

TEXT: ANDREAS RADLMAIER  
Abergläubisch ist man im Neuen Museum Nürnberg ganz offenkundig nicht. Dabei weiß doch jede und jeder, dass es Unglück bringt, den Geburtstag vorzufeiern. Egal, das Haus am Klarissenplatz tat’s trotzdem und startete an einem Februar-Wochenende ins 25. Jahr mit eindrucksvollen 6.700 Neugierigen, Erstbesuchern und Stammgästen. Dieser Termin fügte sich für Direktorin Simone Schimpf einfach besser in die Jubiläums-Dramaturgie ein als das offizielle Eröffnungsdatum, der 15. April 2000. Der Geburtstag liegt heuer in der Karwoche.

Vor 25 Jahren markierte der imponierend zeitlose Geniestreich von Architekt Volker Staab mit dem passgenauen gläsernen Fassadenschwung Nürnbergs Aufbruch in wegweisende öffentliche Bauten. Günter Domenigs Eingriff in die Nazi-Großmannssucht der Kongresshalle, Eberhard Grabows trotziger Kopfbau-Würfel ans Künstlerhaus, vielleicht auch noch Detlev Schneiders CineCittà-Entwurf markieren ebenfalls ein Bau-Zwischenhoch.  
Funktionalität und Formensprache haben sich seitdem vielfach gewandelt. Nachhaltigkeit und Klimakrise sind ein wichtiges Thema. Energetisch, sagt Schimpf, mit Blick auf die geliebte Glasfassade sei das ja „der Wahnsinn“. Gerade habe man 1.500 Neonröhren im Saal ausgetauscht gegen 400 LEDs, eine Photovoltaikanlage kommt heuer aufs Dach. Selbst lange Transportwege bei Ausleihen fallen inzwischen Nachhaltigkeitskriterien zum Opfer.

Zurück zum Geburtstag. Zum Feierjahr ist auch „Lolita“, die lindgrüne Motorrad-Quadriga, aus dem Depot zurückgekehrt in eines der Fassadenschaufenster. Eines von etwa 5.000 Museumsstücken im Besitz des Hauses, gestiftet von der Museumsinitiative, damals zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrtausends eine treibende Kraft in der Realisierung der Museumsidee. Auch der „Mona Lisa“ des Neuen Museums begeget der Gast aktuell. Naturgemäß. Denn nach dem Selbstverständnis am Klarissenplatz gehört Richard Lindners Gemälde „Telephone“ zu den Ikonen der (einst städtischen) Sammlung. Als gesetzt gilt auch der fulminante Bestand an Werken von Gerhard Richter. In drei Räumen sieht man die Dauerleihgaben der Sammlung Böckmann, die Nürnberg zum Ort mit der drittgrößten Sammlung von Deutschlands aktuell führendem Künstler machen. „Das ist fix“, sagt Simone Schimpf.
Nach ihrer Vorstellung sollen Besuchende auf das ganzjährige Richter-Erlebnis (nächstes Jahr wird umgehängt werden) vertrauen dürfen. Zum Profil gehört also einerseits der Querbezug zur Sammlung, andererseits aber auch der korrespondierende Paarlauf von Kunst und Design, wie ihn aktuell der Architekt Daniel Widrig mit seinen changierenden Objekten in einer Sonderschau vorführt.

Die 51-jährige Schimpf kam 2021 nach Nürnberg, in einer Zeit, in der die Systemirrelevanz der Kultur seitens des Pandemie-Politmanagements definiert wurde. Ein Schlag ins Kontor, der bislang auch nicht durch die Abstimmung mit den Füßen revidiert wurde. Denn so gesehen hat sich die Lage sichtlich erholt. Die Besucherzahlen im Neuen Museum stiegen von 70.000 auf 88.000 im Jahr. Und Simone Schimpf sieht auch nicht die Gefahr der Sättigung.
„Ich habe schon das Gefühl, dass ein ganz großes Interesse da ist,“ sagt sie. Und verweist auf einen deutlichen Bewusstseinswandel der Museumsmacher. Früher habe man sich auf den Auftrag „Bewahren, sammeln, ausstellen“ zurückgezogen. Inzwischen habe sich der Anspruch des Publikums, aber auch die Selbstreflexion der Museen stark geändert. Weniger wegen eines wegbrechenden Bildungsbürgertums, sondern im Ringen um „politische Relevanz“: „Dazu braucht es eine andere Öffnung. Theater sind schon viel länger auf einem anderen Öffnungsweg. Die klassischen Kunstmuseen haben sich in der Beziehung lange Zeit schwergetan. Da ist in den letzten Jahren viel passiert. Das muss auch noch stärker passieren.“
Folglich möchte Schimpf das Neue Museum als Treffpunkt etablieren, als „Dritten Ort“, als Ort des Diskurses, der Überraschung und des Selbermachens. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die „irre“ Anziehungskraft von Workshops, die verbunden sind mit dem Wunsch nach Auseinandersetzung mit aktueller Kunst. Früher war das ein Fall für Bildungszentren, heute stellen sich die Museen diesem Phänomen, diesem Trend.
Gerade im digitalen Zeitalter wachse offensichtlich das Bedürfnis am analogen Erlebnis, am Selbermachen „auf hohem Niveau“. „Da rennen uns die Leute die Bude ein“, sagt sie fasziniert und betont, dass es den Neugierigen nicht „nur um Spaß, sondern auch um Input“ gehe.

Das Selbstbewusstsein ist im Wandel, die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange. Kataloge werden zu Auslaufmodellen (zu teuer, wenig attraktiv fürs Publikum), „kunstgeschichtlich-geschnäbelte“ Ausstellungstexte werden sukzessive ausgemustert und eher die Frage erörtert, „in welchen Sprachen“ sollen wir unsere potenziellen Besucher ansprechen, wie erreichen wir Kinder, wie Unbeleckte, wo muss leichte Sprache her. „Das lernen wir gerade: Wo wir als Museum anders auftreten sollen und wollen.“
Zu diesem konzeptionellen Ansatz gehört auch eine beachtlich hohe Anzahl von wechselnden Präsentationen. Die habe es im Neuen Museum freilich früher schon gegeben, nur hätte das dann „Szenenwechsel“ und nicht Ausstellung geheißen. Dabei bedeuteten auch kleinere Umhängungen „genauso viel Arbeit“. Also nennt man sie auch so und verbindet sie mit Eröffnungen.
Was inzwischen den positiven Effekt hat, dass die Besucherzahlen auch ohne Sonderschau nicht zurückgehen. Mit beengten Platzverhältnissen hat die erhöhte Anzahl von Präsentationen aber nichts zu tun. Der in den Gründerjahren vertanen Chance eines Erweiterungsbaus in direkter Nachbarschaft weint Schimpf jedenfalls nicht nach. Denn mehr Fläche bedeute ja auch „deutlich mehr Geld und deutlich mehr Personal“: „Deswegen ist auch eine Konzentration auf immerhin 3.000 Quadratmeter nicht schädlich.“
Dass der Fokus auf zeitgenössischen Kunstströmungen liegt, erleichtert Schimpf das Umsetzen. „Wir haben ein großes Plus, dass wir so flexibel sein können“, meint sie. Der Gegenwartscharakter ergibt Spielräume. „Das Germanische Nationalmuseum kann nicht eben mal Vitrinen ausräumen und neu bestücken. Wir können auf Stadtthemen reagieren oder auf Künstler. Das ist eine Stärke dieses Hauses und deswegen möchte ich das auch ganz offensiv so nutzen. Ich sehe das nicht als Gefahr, dass wir eine Art Ausstellungszirkus werden. Wir arbeiten ja mit unserer Sammlung.“
Die Planungen müsse man immer wieder erden und rückkoppeln, „sonst wird es austauschbar“. Man solle jedenfalls bei der Auswahl erkennen können, dass man sich eben nicht gerade in Köln, Hannover oder Hamburg in einem Kunstmuseum aufhalte. Ein Leitsatz lautet: „Wir zeigen internationale Nürnbergerinnen und Nürnberger und Internationales in Nürnberg.“

Im Jubiläumsjahr mit einem Dutzend Ausstellungen begegnet man somit innerhalb der „Triennale der Zeichnung“ der „Kulikunst“ von Alighiero Boetti bis Werner Knaupp (bis 31.08.), den zwischen Installation, Malerei und Video changierenden Farbwelten von Pipilotti Rist und Yayoi Kusama (27.06. bis 21.09.), dem aus Nürnberg stammenden Dokumentarfotografen Jan A. Staiger (23.05. bis 26.10.), dem „Recycling Designpreis“ (18.07. bis 14.09.), dem Jeppe-Hein-Brunnen auf dem Klarissenplatz (ab 06.06.) und den Fotobüchern der Magnum-Agentur-Größe Martin Parr, für den der große Ausstellungssaal in ein „Grand Hotel“ mit Lobby, Restaurant und Strand verwandelt wird. Für Simone Schimpf eines ihrer Lieblingsprojekte in diesem Jahr, weil es auch den Bogen von Köln nach Nürnberg schlägt. Christoph Schaden ist Professor an der TH Nürnberg und gleichzeitig Mitbetreiber des Kölner PhotoBookMuseums.

Für Simone Schimpf ist „Nürnberg eine große Kulturstadt“, „sehr lebendig“, „sehr solidarisch“. Gemessen an der Dauer ihren bisherigen Karrierestationen feiert sie gerade Halbzeit. Aber ein Wechsel ist keine Überlegung, sagt sie lachend: „Vielleicht wird man auch irgendwann müde, weiterzuspringen. Ich fühle mich hier sehr wohl.“

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25 Jahre neues Museum Nürnberg
curt gratuliert!
www.nmn.de

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16 Werke, die sich mit der Symbolik eines von Unterhaltungsindustrie und Medien geprägten Bildes der Europäischen Union auseinandersetzen.
Vom 23. Mai bis zum 26. Oktober 2025.




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