Florian Aschka | Vive la révolution

FREITAG, 26. JUNI 2020

#Dr. Marian Wild, #Florian Aschka, #Im Gespräch mit, #Interview, #Kunst, #Locked in

Locked in | 015 – Disclaimer: Die Bildergalerie enthält Nacktheit und Spuren von Anus. Wir bitten Leser mit schwachen Nerven, sich vorsichtig in den Beitrag vorzuwagen und übernehmen keine Haftung für unkontrolliertes Kopfschütteln.

Review
Überall Hintern. Mal pink, mal in Natur, mal rot mit dem Aufdruck der Antifaflagge. Florian ist nicht zimperlich mit sich und dem Betrachter, wenn es um politische Aussagen geht. Nun war Nacktheit immer auch ein politisches Signal, das ikonische Foto der Kommune 1 in München, zirka 1968 (sieben Personen und ein Kind, die nackt an einer weißen Wand lehnen) ist ja längst kollektives Bildergedächtnis. Nackt heißt verwundbar, darum auch friedlich. Nacktheit ist damit ein Symbol für gewaltlosen Widerstand, und damit paradoxerweise eine mediale Waffe. Gleichzeitig ist Nacktheit ein Akt der Demütigung, wenn Gefangene oder Schutzbedürftige gezwungen werden, sich in ihrer Zelle oder zur Visitation zu entkleiden (auf einschlägige Beispiele verzichte ich hier). Gleichzeitig, und nun erreichen wir das künstlerische Spannungsfeld, ist Nacktheit schon immer ein Motiv der Kunst gewesen. Nackt waren die dargestellten antiken Götter, nahezu nackt war der gekreuzigte Christus, nackt waren die Musen, die Allegorien, die Akteure in erotischen Zweideutigkeiten (hier dann auch mitunter „ausgezogen“, was ein bedeutender Unterschied ist). Nackt waren auch die brutalen Wiener Aktionisten um Hermann Nitsch, die sich in den 1970ern in radikalen Performances mit Tierblut übergossen haben, und hier nur bedingt als Vorbild funktionieren. Florian steht also in einer langen, nackten Tradition, die er auf queere Kontexte überträgt. Es geht um Körperbilder, jenseits von den Hochglanzstandards der Werbung und Mode, und davon abgeleitet, um künstlerische Institutionen. Wenn Florian leichtbekleidet mit einem Dutzend Mitaktivisten in geschlechtsverwischenden pinken und blauen Outfits solche Ikonen wie das Kunsthistorische Museum stürmt, mit Speer und Helm wie ein Pop-Art-Achilles, dann stellt die Gruppe hier die Frage nach Diskriminierung im Kunstbetrieb, traditionellen Rollenbildern im Museum und toxischer Maskulinität. Die Provokationen sind also genau durchdacht. Weniger provokativ werden sie dadurch freilich nicht.
 

(Für den externen Videolink ist allein der Künstler verantwortlich)

Im Interview erzählt Florian von der queeren Guerilla in Wien, positiven Körperbildern und digitaler Museumsarbeit.

Marian Wild: Du lebst jetzt schon seit ein paar Jahren in Wien, die ja von manchen für die lebenswerteste Stadt der Welt gehalten wird. Was gab für dich den Ausschlag zu gehen, und wie ist es da jetzt gerade während der Quarantäne?
Florian Aschka: Erstmal danke für das Interview und dass ich hier dabei sein darf. Und ich muss vorwegsagen, dass ich ja nicht alleine gegangen bin, sondern mit der wunderbaren Larissa Kopp, mit der ich nun schon seit fast 14 Jahren zusammen wohne und arbeite. Zu Wien: Sagen wir so, Wien ist eine der lebenswertesten Städte der Welt, es gibt aber natürlich auch so einige Dinge, die hier nicht rundlaufen. Aber es wäre schon eher Jammern auf hohem Niveau. Den Ausschlag zu gehen, gab Nürnberg selbst. Weniger meine Freunde und die vielen lieben und engagierten Leute, die ich hier kennenlernen durfte und auch nicht die tolle Akademie, die sich, vor allem in den letzten Jahren sehr zu ihrem Vorteil entwickelt hat, eher die extrem spießige und teils provinzielle Kulturpolitik. Für eine Stadt dieser Größe ist diese wirklich nicht besonders berauschend. Und auch sah ich nicht wirklich eine Chance, dass meine Kunst in den städtischen oder staatlichen, noch in den privaten Institutionen auf große Resonanz stoßen würde. Und ich mich so weiterentwickeln und wachsen könnte bzw. größere Projekte verwirklichen könnte. Meine Themensetzung und Interessen begannen sich ja damals schon abzuzeichnen.

In deinen Arbeiten beschäftigst du dich oft mit Kostümen und Rollenbildern, und auf vielen Fotos explizit mit dir selbst, mitunter auch nackt. Welche Rolle spielt dein eigener Körper und deine Sexualität für deine Werke?
Beide erachte ich als sehr wichtige Themen und in Folge aber auch als Instrumente, um meine Botschaften und Assoziationsräume zu vermitteln. Auch die Kostüme sind ein wichtiger Aspekt, um auf Dinge, wie die Performanz im Alltag hinzuweisen. Was den Körper betrifft, versuche ich – und hoffe das gelingt – ein positives Körperbild zu vermitteln und anzustoßen, dass man sich stärker mit teils stark neoliberalen Körperbildern beschäftigt und diese hinterfragt. Und damit man ein ungezwungeneres Bild vom nackten Körper bekommt, auch gerade vor dem Hintergrund einer weitgehenden Zensur von Nacktheit in Social Media Plattformen.

Deine Bilder hinterfragen schon von Anfang an Rollenklischees und Begrifflichkeiten wie männlich-weiblich, heterosexuell-homosexuell-transsexuell, oder auch mächtig-ohnmächtig. Aber seit du in Österreich bist, scheinst du dich einer in jeder Hinsicht hemmungslosen, queer-feministischen Revolutionsgarde angeschlossen zu haben, die leicht bekleidet klassische Wiener Museen stürmt und der konservativen österreichischen Gesellschaft den Allerwertesten entgegenstreckt, metaphorisch und auch ganz konkret fotografisch. Was ist passiert? Was geht da ab in Wien?
Na ich denke, man muss da differenzieren, Wien und Österreich sind eigentlich zwei verschiedene paar Schuhe. Wien, kann man sagen, ist wirklich eine Weltstadt, in weiten Teilen international, weltoffen, sehr tolerant, was nicht heißen soll, dass Probleme wie Rassismus, Antisemitismus, Klassismus [Diskriminierung auf Basis der sozialen Herkunft und Position, Anm. des Interviewers] und so weiter nicht existieren. Österreich als Land wiederum ist schon teils sehr ländlich und sehr konservativ geprägt. Was meine „Wandlung“ betrifft, beziehungsweise Weiterentwicklung, so denke ich hat das natürlich viel mit dem noch angehängten Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Ashley Hans Scheirl zu tun. In ihrer Klasse werden viele dieser Themen verhandelt. Aber auch vielfältige Zusammenarbeiten (abgesehen von meiner immer noch fortlaufenden Kollaboration mit Larissa Kopp) mit Künstler*innen wie Berivan Sayici, Alexandru Cosarca oder Thomas Trabitsch haben mich viel dazulernen lassen. Wofür ich allen unendlich dankbar bin. Ah übrigens ich plane gerade mit Freunden hier die Gründung des QUEER MUSEUM VIENNA (KLICK!), wer sich dafür interessiert möge uns auf Instagram folgen. Die Arbeiten daran sind jetzt, allerdings wie so vieles wegen Corona, etwas ins Stocken geraten.

Mein absolutes Lieblingsportrait von dir ist das Selbstbild als Einhorn. Was können wir Kulturschaffende vom Einhorn lernen?
Na was man definitiv vom Einhorn lernen kann als Kulturschaffende ist antifaschistisch und antikapitalistisch zu sein – sich für faire und gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle einzusetzen und kein klassistisches Oarschloch zu sein, sondern SOLIDARISCH.

Weitere Informationen zum Künstler (KLICK!) und zum QUEER MUSEUM VIENNA (KLICK!)




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