Ab 15. Mai wieder geöffnet: Kunst und Künstlich
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Marian Wild über die Ausstellung “Survival of the Fittest” – Ein blubberndes Aquarium mit schimmernder Flüssigkeit empfängt den Besucher hinter einem Vorhang im dritten Raum der Ausstellung, darin gut sichtbar schwebend: ein unförmiger, leuchtender Organismus, der über allerlei Versorgungsstränge mit dem Kasten verbunden ist.
Das Werk „ArchaeaBot“ ist eine Kollaboration von Anna Dumitriu und Alex May mit Amanda Wilson, laut Titel wird hier eine neuartige Lebensform erweckt, für die Zeit „nach Klimawandel und Singularität“, also dem Moment, an dem künstliche Intelligenz sich selbst verbessern kann. Ist das schon Leben, das wir hier beobachten, die etwas triste Zukunft unserer ziemlich selbstmörderischen Spezies? Beim Gang durch die Ausstellung verdichten solche Visionen sich zu einem bestechenden Blick auf die Realität. Künstlich geschaffene Wesen gibt es ja bereits, in Genforschungslabors, gezüchtet in Reagenzgläsern und der normalen Evolution entzogen. Mensch und Affe gehen fortan getrennte Wege, schrieb ein Zeitungskommentator einst nach Bekanntwerden der Existenz des Klonschafs „Dolly“.
Der Ausdruck „Survival of the Fittest“ wurde 1864 von dem Biologen Herbert Spencer kreiert, um eine Beobachtung zu veranschaulichen, die er in der Natur machte: die bestangepasste (wohlgemerkt, nicht „stärkste“!) Spezies überlebe den Wettkampf der Natur. Zu Ruhm kam die Phrase freilich erst durch Charles Darwin, der sie in der fünften Auflage seiner „Entstehung der Arten“ von 1869 zu einem der programmatischen Leitsätze machte. Und angepasst an seine Umgebung ist dieser Einzeller im Glas allemal, wird er doch scheinbar nur durch künstliche Bestandteile am Leben gehalten.
Dieser Blick in Zukunft gerät auch immer wieder zum Blick zurück. Die auf konstruktivistischen Sockeln präsentierten Ammoniten der Installation von Jonas Staal haben nicht nur eine hohe skulpturale Qualität, auf beunruhigende Weise wirken sie durch die Präsentation gleichzeitig sehr alt und sehr aktuell, wie ein Mahnmal an uns Betrachter, dass auch wir irgendwann so ein Fossil sein könnten. Wenn wir uns nicht anpassen.
Geradezu meditativ wirken dagegen die Visualisierungen von Alexandra Daisy Ginsberg. Friedliche, kleine, an Beeren erinnernde Gelballons, „selbstaufblasende antipathogene Membranpumpen“ bevölkern moosbedeckte Baumstämme. „Designing for the sixth extinction“, also „Gestaltung für das sechste Massensterben“ (in dem wir uns gerade befinden) heißt die sehr viel ernstere Idee dahinter. Auch die Dinosaurier fielen einer solchen Welle zum Opfer, darauf weisen die diversen Klimabewegungen zu Recht hin. Weil die Dinosaurier nicht ausreichend angepasst waren. Die Tatsache, dass diese so verstörend schönen, postapokalyptischen Bilder mit digitaler Bildbearbeitung entworfen wurden, also mit Computern, der wohl leistungsstärksten und sich am schnellsten entwickelnden, verbessernden und anpassenden Technologie unserer Zeit, ist dabei eine bemerkenswerte zweite Ebene der Arbeiten.
Diese und viele weitere Positionen zum Menschen und der Kunst in der Natur von heute und morgen lassen sich im Kunstpalais entdecken. Eine Fachtagung, zu dem ein kostenloser digitaler Tagungsband geplant ist, sollte die spannenden Betrachtungen ergänzen.
Dieser Artikel ist der erste Baustein einer plattformübergreifenden Berichterstattung. Die Fortsetzung findet sich ab sofort unter www.gallerytalk.net
Wieder geöffnet ab 15. Mai, verlängert bis 6. September 2020
SURVIVAL OF THE FITTEST – ZUM VERHÄLTNIS VON NATUR UND HIGHTECH IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST
KUNSTPALAIS
im Palais Stutterheim
Marktplatz 1, Erlangen
Di–So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr
www.kunstpalais.de
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