Claudias Kinoempfehlungen im März

SONNTAG, 1. MäRZ 2020

#Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Filmhaus Kino, #Kino, #Metropolis

Verzweifelte Frauen – Sie sind nicht überall, aber diesen Monat in der Überzahl, zumindest im Kino. Verzweifelte Frauen kämpfen gegen ihre Mutter an, fürchten, dass die beiden Männer ihres Lebens sich an die Gurgel gehen. Manche fordern ihren Platz in der Welt ein, andere versuchen ihre große oder kleine Liebe festzuhalten. Und bei all dem muss man immer noch gut aussehen.

 

KAHLSCHLAG
AB 05.03. // CINECITTA
Wenn die Pflicht ruft, muss Eric sein Leben unterbrechen und seinen Bruder aus irgendwas rausboxen. Sebastian baut immer Scheiße. Sie alle leben auf dem Kaff und eigentlich ist Eric glücklich, seit er mit der tollen Frenni zusammen ist. Doch die Karten werden neu gemischt und wir erfahren langsam, warum jetzt alles anders ist. Eric ist ein Schatten seiner selbst und geht eines hässlichen Tages mit seinem alten Kumpel Martin angeln. Was ist passiert, wo und warum ist alles aus dem Ruder gelaufen? Der Film springt immer wieder zurück in die Vergangenheit von Martin, Eric und Sebastian. Das ist verdammt starker Tobak. Passend dazu schießt das blutige Drama öfter übers Ziel. Der Rostocker Regisseur mag manchmal komische Antworten liefern, stellt aber doch wichtige Fragen.
 



LA VERITE
AB 05.03. // CINECITTA
Leben und lügen lassen heißt es im Untertitel. Wie schlecht das mit der Familie klappt, zeigen Juliette Binoche und Ethan Hawke als Künstlerehepaar. Sie, Tochter einer bekannten Schauspielerin, staunt nicht schlecht über die Memoiren ihrer selbstverliebten Mutter. Beim Heimatbesuch knistert es vom ersten Moment zwischen Mutter und Tochter. Binoche hat Lust, ihrer divenhaften Mama vors Schienbein zu treten, die ist allerdings abgebrüht im Kontern. Die Verbal-Schlacht ist eröffnet, die Säbel sind gewetzt. Nebenbei gilt es ein Geheimnis zu lüften, das aber gar nicht so fürchterlich interessant ist. Wie eigentlich der Film auch. Es gibt viele dramaturgische Längen, in denen gemeinsame Setbesuche wie eine Lehrstunde wirken. Familientherapie haben wir schon besser gesehen.  
 


ZU WEIT WEG
AB 12.03. // CINECITTA
Kinderfilm oder nicht, das ist hier die Frage. Ich finde, ZU WEIT WEG bastelt um ein Gegenwartsthema ein gelungenes Konstrukt. Und Drama gibt es mit 30 genauso wie mit 11. Ben schmeißt seine Fußballschuhe auf den Baum, weil sein Dorf plattgemacht wird. Er muss umziehen, und so weit ich mich erinnere, hat man darauf keinen Bock, bevor man nicht wenigstens 1,50 Meter groß ist. Was der eine mitten in Deutschland erlebt, passierte Tareq in Aleppo. Es geht nicht um Katastrophenvergleich, sondern ums Weitermachen. Auch wenn Mitschüler und Lehrer ein bisschen eindimensional geraten sind, erleben zwei den Beginn ihrer Freundschaft, für die sie über ihren Schatten springen, auf ihre Chance (im Fußball) warten müssen und eine Menge mehr. Schöne Momente, wenig Pathos. Angesichts vieler durchschnittlicher Filme eine Alternative fürs und mit Herz.  
 

 
DIE PERFEKTE KANDIDATIN
AB 12.03. // CASABLANCA UND METROPOLIS
Mit großer Selbstverständlichkeit zeigt dieser Film wie Frauen in Saudi Arabien leben (müssen). Die Regisseurin ist Wegbereiterin, weil sie drehen darf, schickt nach „Das Mädchen Wadjda“ diesmal eine junge Ärztin ins Rennen - um einen Platz im Gemeinderat. Eine Idee, aus der Not geboren, aber mit viel Energie angegangen. Maryam will, dass die Straße vor ihrer Klinik in einen Zustand versetzt wird, dass Patienten nicht im Schlamm steckenbleiben. Eine Frau mit einer Meinung in der Politik finden etliche Wahlberechtigte inakzeptabel. Die wunderschöne junge Doktorin weiß zwar was sie will, tritt aber nicht als Heldin auf. „Die perfekte Kandidatin“ erlebt jede Menge Gegenwind in einem Drama, das interessant ist, aber nicht zu Herzen geht.   
 


ÜBER DIE UNENDLICHKEIT
AB 19.03. // FILMHAUS
Menschen, die im Kino gerne Fragen stellen, sind hier schlecht aufgehoben. Hier sollte man schauen und genießen. Bilder, Bilder, nichts als Bilder bietet ÜBER DIE UNENDLICHKEIT. Da schweben Menschen durch, es passiert Verrücktes oder gar nichts. Plaudern ist nicht in diesen farbentleerten unterkühlten Szenen, die wie kleine Kunstwerke wirken. Es wird getanzt und gejammert, ein Stillleben an das nächste gereiht. Ich kann euch nicht sagen, ob das einen Sinn ergibt, habe einfach abgeschalten und mir eine Handlung zusammengesponnen und mich dann wieder berieseln lassen. Denn das sieht alles schon verdammt gut aus.
 


JEAN SEBERG
AB 26.03. // FILMHAUS
Schöne Frauen, zweiter Teil. Jean Seberg war eine unglückliche, erfolgreiche Schauspielerin, die in Hollywood Ende der Sechzigerjahre Fuß fasste. Doch ihr ging es nicht um Geld und Karriere, sie wollte etwas bewegen und so ergriff sie die Chance, die Black-Panther-Bewegung aktiv zu unterstützen. Gekoppelt mit einer Affäre, begibt sich die sexy Aktrice ins Visier des FBI und wird nach allen Regeln der Kunst in den gesellschaftlichen Rahmen gedrängt, in den sie gehört. Sie widersetzt sich der US-Ordnung und der Kampf geht an die Substanz. Der Ausschnitt ihres Lebens ist superspannend, wenn auch hier und da etwas vollgepackt, da gleich drei Geschichten erzählt werden. Danach fällt auf: Wie leicht ist es doch heute, sich politisch zu engagieren – und kaum einer tut's.
 


UNDINE
AB 26.03. IM CINECITTA
Das ist so schön, wie Christian Petzold Traurigkeit und Stille inszeniert. Auch wenn anfangs keiner spricht, ist klar, dass wir Zeuge einer Trennung sind. Johannes lässt Undine sitzen. Sie weint, erklärt ihm aber dann, dass sie ihn umbringen muss, wenn er das ernst meint. Zack. Zurück zur Realität, in der Undine Christoph trifft, den wohl wunderbarsten Mann, den das Kino seit langem gesehen hat. Sie erleben eine kurze, sehr innige Zeit. Dann kommt Petzold, zeigt, wie fragil eine Beziehung ist, die eben noch so unschuldig, glücklich und unverwundbar schien. Und was war eigentlich mit dieser Drohung? Der märchenhafte Film verzaubert den Alltag, taucht ins Reich der Sagen ein und nimmt dir erst den Atem und dann eine unerwartete Entwicklung.Nimm zur Kenntnis, dass das Mädchen Undine heißt, lies aber möglichst wenig vorab. Einfach anschauen. Lohnt sich.  
 






 




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