Agnes Ritli | Ein weites Feld

FREITAG, 19. FEBRUAR 2021

#Agnes Ritli, #Dr. Marian Wild, #Im Gespräch mit, #Interview, #Kunst, #Locked in

Locked in | 049 – Im Kunstkontext Theodor Fontane zu zitieren ist vermutlich eine heikle Sache. Das literarische Nationalheiligtum „Effi Briest“ ist ja ebenso historisch wie mehr oder weniger latent frauenfeindlich, und den ehernen Autor*innengrundsatz, sich nicht selbst zur fiktiven Figur zu machen hat Fontane auch nicht so ganz beherzigt.

In Form von Effis Vater nimmt der Literat also ein Stück weit am eigenen Roman teil, und was hat er zur Lage der Welt und dem Fortgang des sich vor ihm aufspannenden Milieudramas zu sagen? Ein „weites Feld“ sei das alles, also kompliziert, zu schnell, zu komplex, zu verwirrend. Eine Atmosphäre von Einfachheit könnte die seelische Lösung für den Patriarchen sein, aber die zu erreichen erfordert einiges an Kunstfertigkeit, und hier kommt Agnes Ritli ins Spiel: Ihre Werke sind mitunter von bestechender Einfachheit, transluzente Farbflächen auf Papier und Karton, übereinander geklammerte Karopapiere oder ein Bild der weißen Leinwandecke, inklusive der Abdrücke in der Wand. Und dazwischen, ein grüner Algenknödel, ausgestattet mit einem halben Dutzend Armen und Beinen, der auf eine eigentümliche Art vertraut und lebendig wirkt. Was Herr von Briest wohl im Angesicht des gräsernen Gegenübers bemerkt hätte? Ein weites Feld entspannt sich hier fraglos.

Im Interview erzählt Agnes von räumlicher Weite, klaren Gedanken und dem Wissen darum, was im Leben wichtig ist.

Marian Wild: Deine Werke setzen sich oft aus einer sehr reduzierten und feinfarbigen Malerei zusammen, die zum Bestandteil einer Materialinstallation wird, und auch mit Rauminstallationen hast du ja schon einige Erfahrungen. Als was siehst du dich selbst, als Malerin, Objektkünstlerin, oder beides?
Agnes Ritli: Ich wechsle gerne zwischen den Bereichen und Techniken und möchte mich nicht vorher festlegen. Es fühlt sich dann an wie ein Auswählen zwischen verschiedenen Sprachen. Die Arbeiten haben aber meist etwas Zeichnerisches gemeinsam, durch eine Linienführung, die dominant ist und am Anfang der Erarbeitung steht. Auch die Unmittelbarkeit einer schnellen Zeichnung ist charakteristisch für meine Bilder.

Für unerfahrene Betrachter wirken deine Arbeiten vermutlich mitunter einfach oder leicht reproduzierbar. Das ist ein undankbares Schicksal, das du mit einigen zeitgenössischen Kunstschaffenden teilst. So einfach die Bilder aber aussehen, so schwierig sind sie „aus dem Nichts“ zu erschaffen, also ohne dass man sie schon kennt und dann einfach nachmachen kann. Gibt es etwas, das du deinen Besucher*innen schon immer mal als Hintergrundinformation zurufen wolltest, aber wozu du bisher keine Gelegenheit hattest?
Nein, denn meine Arbeiten dürfen und sollen tatsächlich eine gewisse Offenheit und Unbestimmtheit behalten. So zeigen sie auch ihren Entstehungsprozess, der eher suchend ist, es existiert selten vorher schon eine klare Vorstellung darüber, wie das Bild oder die Arbeit sein soll. Für mich transportieren sie so wie sie meist angelegt sind – also aus wenig verschiedenen Elementen bestehend und mit viel Raum – ein Gefühl der gedanklichen Weite. Formal entstehen viele der Bilder aus sich wiederholenden Gesten, die aber leicht variiert eine eigene Fläche und eine Stofflichkeit oder ein Muster bilden. Dann vielleicht doch noch: Es geht für mich auch darum, dass ein Bild in einem Schwebezustand bleibt zwischen „erkennen“ und „wahrnehmen“.

Mit deinen Arbeiten spielst du sehr charmant immer wieder mit den Grenzen der klassischen Malerei: Mal schichtest du Papiere übereinander, mal wechselst du den Malgrund oder gleich das gesamte Material. Wie findest du zu den Konstellationen in deinen Arbeiten?
Ich sehe eine große Freiheit darin, mich nicht festlegen zu müssen auf einen bestimmten Bereich und gehe so eher spielerisch und je nach Interesse spontan und intuitiv auf Möglichkeiten der Bildfindung ein, die sich teils auch zufällig ergeben, zum Beispiel durch gefundene Kopien oder collageartige Bildinstallationen. Meist finde ich eine Art der Herstellung spannend, also den Prozess, und beobachte eher experimentell die Möglichkeiten, die ein Malmittel bietet. Oder ich habe eine Formidee im Kopf, wie einen Gedanken, den ich dann versuche zu formulieren. Dann hat das Bild für mich eher einen erzählerischen Charakter.

Für „Locked in - Locked out“ beschäftigst du dich mit der aktuellen Pandemie. Was hat sich bei dir während dieser Zeit geändert und was denkst du was sich danach ändern wird?
Zuerst dachte ich lange: An meiner künstlerischen Arbeitsweise hat sich nicht viel geändert, weil ich mich ja auch sonst gerne zwischen verschiedenen Techniken und Arbeitsweisen bewege und das nach wie vor so machen kann; also eine Technik, die unmittelbar verfügbar ist, nutze und dazu keinen besonderen Ort, Materialien oder Ähnliches unbedingt brauche. Aber gleichzeitig verschiebt sich die Wahrnehmung von den Dingen, die wichtig sind – in der Gesellschaft und auch im Privaten. Und ich habe bis jetzt bei mir privat eine Entschleunigung oder besser Nachdenklichkeit bemerkt, die sich eingestellt hat. Ich bin selber gespannt, was sich danach ändern wird, gerade bin ich zu sehr mit der jetzigen Situation beschäftigt, um da klare Gedanken für die Zukunft fassen zu können.

Weitere Informationen zur Künstlerin: (KLICK!)




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