Von der Dringlichkeit des Rottweilerfurzes
#Dr. Marian Wild, #Kunst, #Kunstkolumne, #Thomas Eller, #Werner Büttner
Text von Marian Wild
Kultur ist Kommunikation. Das lässt sich unmittelbar in der aktuellen Publikation des starfruit-Verlags beobachten, in einem unendlichen E-Mail-Dialog zwischen den Kulturschaffenden Thomas Eller und Werner Büttner, der unter anderem die Verachtung für Malerei, die RAF, Nietzsche, den Turnerpreis und die unerträglichen Zumutungen der Videokunst im Blick hat: Das über ein Jahr währende Gedankenspiel ist ein erfrischend ungewöhnlicher Corona-Kollateralschaden der besonderen Art: Elaboriert und obszön, liebenswert und larmoyant.
Die beiden Sprachschürfer bauen eine im Ganzen bemerkenswerte Beziehung auf, die irgendwo zwischen Boomer-Bromance und mündlicher Germanistik-Abschlussprüfung abgesiedelt ist; und Werner Büttner, der altmeisterliche Maler des feinsinnigen, gedanklichen Abgrunds und Dichter der deutschen Dystopie, liefert gut gelaunt ab:
Sodomie auf parfümiertem Niveau
Ach, wie das Kleine uns entzückt,
und ist es auch noch weiß und bellt,
so wird die halbe Welt verrückt,
ein weißes Hündchen, das gefällt!
Vor allem Damen, auch in Weiß,
sind für das Tierchen leider Gift,
sie heizen herzend es ganz heiß
und pumpen es voll Lippenstift.
(Eller/Büttner, S. 50)
All diesen Tathergang zum Buch sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich emotional auf einen Besuch in der Ausstellung zum Buch vorbereitet. Denn das gebotene Kunstmenü ist von unbestreitbarer, fleischlicher Präsenz. Da malt Werber Büttner nackte, halslose „arme Teufel“, die durch konstruktivistische Hallen wandeln. Oder er lässt Marcel Duchamps Flaschentrockner wiederauferstehen, in der x-ten Defibrillation und doch hier neu als fünffache „Dornenkrone“. Das ist das Ding ja auch, die überschwänglich-mystisch verehrte Monstranz der modernen Kunst. Wie herrlich unreinlich fügen sich dazu die Werke von Thomas Ellers „THE vaChina“-Serie, hier in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Maler Wang Longxing. Nichts weniger als bildliche Phantasien des männlichen Coitus, des sexuellen Höhepunkts, werden hier festgehalten; und in den traditionell ausgewaschenen Tintenflecken meint man nicht nur die konkrete Handlung zu erkennen, sondern auch das Konzept der Geschlechtsdekonstruktion zu erahnen: Der so schnell und männlich gemalte Farbklecks verläuft augenblicklich zur poetischen Vulva, der VaChina.
Somit scheint auch vor der finalen Sichtung der Ausstellung eine Erkenntnis für das gesamte Projekt unausweichlich: Ein Rottweilerfurz kann nicht nur einen Panzerwagen öffnen, wie Büttner in einer seiner Ausführungen erläutert, er mag im übertragenen Sinn auch wichtig sein, um uns wieder an die gute, schmutzige Kunst des kulturellen Protests zu erinnern.
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WERNER BÜTTNER / THOMAS ELLER:
DER STAMM DER ARMEN TEUFEL
Eröffnung am 28.10., 18 Uhr / Laufzeit ab 29.10.
AUSSTELLUNGSRAUM DES INSTITUTS FÜR MODERNE KUNST
im Atelier- und Galeriehaus Defet
Gustav-Adolf-Str. 33, Nbg.
Im Sommer 2022 ist das Buch zur Ausstellung im starfruit Verlag erschienen:
Zuweilen ist Ehrlichkeit die eleganteste Maske. Thomas Eller im Gespräch mit Werner Büttner.
Hrsg.: Manfred Rothenberger in Zusammenarbeit mit dem Institut für moderne Kunst, 136 S., zahlreiche farbige Abbildungen,
ISBN: 978-3-922895-51-0.BUs
Buchpräsentation: Mi., 26.10., 18 Uhr, Neues Museum: Simone Schimpf und Manfred Rothenberger im Gespräch mit Werner Büttner und Thomas Eller. Eintritt frei.
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