Mit Thomas Mann und Tanja Kinkel in Davos

DONNERSTAG, 5. AUGUST 2021

#Ausstellung, #Davos, #Dr. Marian Wild, #Germanisches Nationalmuseum, #Interview, #Tanja Kinkel

Ein exklusiver curt-Pressetermin im Germanischen Nationalmuseum

Als Thomas Mann sich 1912 auf den Weg zu seiner lungenkranken Ehefrau in den Schweizer Kurort machte, war ihm höchstwahrscheinlich selbst noch nicht bewusst, dass dieses Erlebnis 12 Jahre später einem der berühmtesten Bildungsromane seiner Zeit bis heute zur Welt verhelfen würde. Die alpenländische Tuberkulosestation wird ihm und seinem Protagonisten Hans Castorp zur phantasmagorischen Zwischenwelt voller Wahn und Rausch, literarisch überhöht natürlich, aber eben im Kern ein gleichzeitig realer und doch irrealer Ort. Nun war Thomas Mann nicht der einzige Schriftsteller, den Davos beeinflusste: Arthur Conan Doyle entschied hier seine Romanfigur Sherlock Holmes sterben zu lassen, damit er mehr Zeit zum Skifahren hatte; auch Künstlerinnen und Künstler nahmen sich des Ortes an, am umfangreichsten und bildstärksten wohl Ernst Ludwig Kirchner. Ein Ort der freischwebenden Kreativität also, wabernd zwischen frankensteinschen Tuberkulosebehandlungsmethoden und Höhenluftkuren.
Welchen Eindruck hinterlässt diese Szenerie auf eine der verblüffendsten deutschen Autorinnen unseres Jahrzehnts, Tanja Kinkel? Die Schriftstellerin, gebürtige Bambergerin und dort auch im Kuratorium des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, hat in den letzten 32 Jahren fast zwei Dutzend Publikationen verfasst, die in über ein Dutzend Sprachen übersetzt wurden; sie hat mehrere Gastdozenturen inne, ist Mitglied im PEN-Zentrum und bei den Münchner Turmschreibern, außerdem Vorsitzende der Internationalen Feuchtwanger Gesellschaft; vor wenigen Wochen erhielt sie den Bayerischen Verdienstorden. Begleitet man sie während der Führung durch die Ausstellung, kann man eine hochkonzentrierte, zurückhaltende Beobachterin entdecken, die nur hin und wieder Ausführungen ergänzt oder hinterfragt, und deren Blick die sie umgebenden Informationen scheinbar mühelos in den Kopf zieht, wo sie die Einzelteile verarbeitet, in Kontext setzt, raffiniert. Ein quasifotografisches Gedächtnis scheint da zu arbeiten, im Gespräch erzählt sie, mitunter erinnere sie sich sogar an die Namenlisten im Abspann von Filmen. Hört man ihr im Gespräch zu, fallen die akribischen und präzisen Formulierungen auf, die genau abgewogenen Details, die hohe Souveränität im Gebrauch von Daten und Fakten, Eigenschaften die man auch dem so hochorganisierten Thomas Mann zuschreibt. Womöglich braucht es diese Fähigkeit um wie sie souverän sagen zu können, dass eine objektive Geschichtsschreibung nicht existieren kann. Wir alle wählen ständig aus, was wir aufschreiben, an was wir uns erinnern, wie wir die Vergangenheit einfärben. Auch Thomas Mann, oder der Mann-Bruder, der ihr näher ist, wie sie sagt: Heinrich Mann, Autor des Romans „Der Untertan“, ein Prototyp des obrigkeitshörigen Menschen. Wie Heinrich Mann betätigt Tanja Kinkel sich politisch im Genre des Romans. Ihr 2015 erschienenes Werk „Schlaf der Vernunft“ beschäftigt sich mit der RAF, auf neue Weise, wie viele würdigten. Was verändert sich also nun an ihrem Bild von Thomas Mann, nach Kenntnis der kulturhistorischen Ausstellung? Ihr ginge es in solchen Momenten wie mit einem Gemälde, in dem man anfangs nur eine bestimmte Person fixiert habe, antwortet sie. Durch die Ausstellung könne sie ein paar Schritte zurücktreten, die weiteren Figuren im Bild erkennen, und den größeren Zusammenhang. Man darf gespannt sein, worin die Eindrücke münden.




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