Kuratorin Tine Nowak: Ausstellung #neuland
##neuland, #Ausstellung, #Museum für Kommunikation, #Printmagazin, #Stadtgeschehen
Die Ausstellung „#neuland: Ich, wir und die Digitalisierung“ ist an sich seit 12. Mai 2020 für die Besucher*innen geöffnet – und konnte im realen Raum ihre Premiere feiern. Jetzt, im Lockdown, gewinnt sie noch mehr an Aktualität: Die Digitalisierung erfährt mit der Ausbreitung des hoch ansteckenden Corona-Virus weltweit einen unerwarteten Entwicklungsschub. Aufgrund der Corona-Pandemie ist das Museum zur Zeit geschlossen. Es gibt aber diverse Veranstaltungen des Begleitprogramms, das online stattfindet. Wir haben uns mit Kuratorin Tine Nowak unterhalten.
Tine, wann hast du selbst das letzte Mal Neuland betreten?
Ich denke, es gehört zur Biografie-Arbeit, immer wieder im Leben Neuland zu begegnen. Durch neue Erfahrungen wachsen wir als Personen. Ob wir dieses Neuland als positiv oder negativ erleben, liegt vielmehr daran, ob wir selbstbestimmt aufbrechen oder ein Wandel fremdbestimmt über uns hereinbricht. Mein derzeitiges Neuland ist daher etwas ganz Positives: Ich entdecke gerade Korea. Ich tauche in die koreanische Film- und Serienwelt, aber auch koreanische Küche ein und überlege sogar, Koreanisch zu lernen. Es interessant, sich etwas komplett Fremdes neu zu erschließen.
Wie seid ihr auf dieses Thema gekommen?
Wir von den Museen für Kommunikation waren über ein anderes Ausstellungsprojekt mit der Nemetschek Stiftung in Kontakt gekommen und haben bei einem Workshop gemerkt, dass uns das Interesse für Digitalität und eine demokratische Gesellschaft verbindet. Da wurde die Idee zur Ausstellung geboren. Wir wollten eine Ausstellung zur Reflektion erarbeiten, in der thematisiert wird, wie sich der digitale Wandel in unserem Alltag, aber auch für die Gesamtgesellschaft darstellt – also zwischen Ich und Wir.
Was hat das Ganze mit Corona zu tun? Gäbe es die Ausstellung ohne Corona … ganz anders?
Die Ausstellung sollte Ende März Premiere in Frankfurt haben. Zehn Tage vor Eröffnung ging das Land in den Lockdown. Da stand nun die fertige Ausstellung im geschlossenen Museum, fast so wie jetzt auch in Nürnberg. Als im Mai die Museen öffnen sollten, hatten wir uns gefragt, ob nicht diese Wochen, in denen unsere Kommunikation so stark von digitalen Infrastrukturen abhängig war, nicht etwas mit uns gemacht haben. Kann man eine Ausstellung zu Digitalisierung so unkommentiert einfach aufschließen? Aus diesem Grund haben wir im Mai innerhalb von zehn Tagen die sogenannte „Corona-Spur“ erarbeitet und alle fünf Themenbereiche der #neuland-Ausstellung mit einer Corona-Geschichte ergänzt. Zeitgleich wurde digital an den Standorten Nürnberg, Berlin und Frankfurt online dazu aufgerufen, uns Artefakte zu senden, welche die Kommunikation während der Corona-Pandemie erzählen. In Nürnberg führt diese Corona-Spur nun durch die Dauerausstellung – ergänzt mit lokalen Objekten, die aus dem Sammlungsaufruf stammen. Diese Corona-Objekte werden in diesem Zusammenhang nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt.
Die Coronakrise zwingt ja auch Museen, auf Digitalisierung zu setzen. Ist dieses Neuland eine Chance? Oder nur nervig?
So dramatisch ich die Pandemie auf vielerlei Weise erlebe, so ist sie auch Katalysator für die Digitalisierung im Alltag, ob privat oder im Büro. Das ist bei den Museen ebenso. Es ist erstaunlich, mit welch explorativen und spielerischen Formaten Museen nun versuchen, digital zu kommunizieren. Zuvor war oft die Angst vor dem Scheitern groß, es fehlt an Geld oder Erfahrung. Aber gerade im Frühjahr gab es viel digitale Aktivität, in der Museen ihre Komfortzonen verlassen und einfach etwas ausprobiert haben. Allein bei uns in der Museumstiftung ist viel passiert: das Berliner Museum hat einen Online-Programmierkurs erstellt, bei mir in Frankfurt wird seit März regelmäßig gebloggt und die Nürnberger haben ein etabliertes Format wie den Datendienstag nun permanent mit einem Livestream versehen und entwickeln weiterhin neue Live-Formate.
Angela Merkel hatte ja gesagt: „Das Internet ist für uns alle Neuland“. Wie recht sie hatte!
Es ist ja interessant, dass nicht unbedingt die Technologien neu sein müssen, um für uns Neuland zu sein. Als Angela Merkel diesen Satz sagte, waren viele von uns schon seit vielen Jahren Nutzer*innen dieses Internets. Was fehlt ist, dass die Technik, die verfügbar ist, durchdrungen und verstanden wird. Solange es für viele bequem war, auf eingeübte Routinen zu vertrauen, war ein Wechsel zu digitalen oder online-Lösungen nicht notwendig. Der Nutzungsdruck hat vieles verändert: plötzlich wurden Videokonferenzsysteme genutzt – das gibt es ja schon lang. Plötzlich kann man viel mehr Dinge online bezahlen – das war ja auch vorher möglich.
Was macht das alles mit unserer Kommunikation?
Kommunikation wird mit all den neuen Routinen nicht einfacher. Es entstehen auch neue Problemfelder. Wo fängt meine professionelle Kommunikation im Rahmen von Arbeit im Home Office an und wo hört sie in Abgrenzung zum Privatleben auf? Und wir sehen auch, wie privilegiert wir leben oder nicht: Habe ich ein Umfeld im Lockdown, oder bin ich auf mich selbst geworfen. Kann ich es mir leisten zuhause zu bleiben oder muss ich mich dem Kontakt mit anderen Menschen aussetzen? Physische Kommunikation mit Fremden bedeutet nun immer auch eine potenzielle Bedrohung. Das kann niemand auf Dauer aushalten, darum sehen wir auch so viele Formen der Verdrängung.
Ihr fordert weiterhin „Exponate“ ein und wünscht, dass man euch Corona-typische Dinge sendet.
Ja, man kann uns immer noch Objekte einsenden, die dokumentieren, wie wir in diesem Jahr kommuniziert und gelebt haben. Unter www.sammlungsaufruf.museumsstiftung.de findet sich die genaue Anleitung, wie man sein Objekt einreichen kann.
Die Ausstellung basiert auf Mitmachen, Mitdenken, Interaktion. Was soll das bei den Besuchern bewirken?
Wir sehen den Ausstellungsraum als Dialograum, die Themen sind Trigger, damit wir ins Nachdenken über unsere eigene Situation kommen. Das Online-Rahmenprogramm nimmt diese Funktion nun auf. In ihm gibt unterschiedliche Veranstaltungen, die ebenso zur Reflexion der Gegenwart einladen. So gab es Anfang November einen Online-Diskussionsabend in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung, in der die Gegenwart der Digitalisierung betrachtet wurde. Am 8. Februar wird es eine ähnliche Veranstaltung zu Fake News und Desinformation geben, die ich moderieren darf. Zusätzlich gab und gibt es regelmäßig Twitch-Livestreams in denen gesellschaftsnahe Aspekte des Gamings mit Gästen besprochen werden. Hier wird noch einiges folgen, ob digital oder hoffentlich bald wieder physisch im Museum.
Welches Neuland wünscht du dir für 2021 / für die nahe Zukunft?
Für 2021 habe ich vielmehr Sehnsucht nach alten Gefilden, insbesondere nach Treffen mit vielen Freunden. Vielleicht ist the old old the new new? ;)
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Tine Nowak
ist Referentin für Ausstellungen am Museumfür Kommunikation Frankfurt, zuvor war sie dort als Projektleiterin von „Leben & Lernen X.0. Digitale Bildung unsere Zukunft“ tätig und hat im Rahmen dessen die #neuland-Ausstellung kuratiert. Sie ist Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten. Seit 2013 podcastet sie privat unter www.kulturkapital.org zu Kultur, Medienbildung und Wissenschaft und beruflich unter www.lebenx0.de/podcast mit einem Erklärpodcast für Erwachsene zum Digitalen Wandel.
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#neuland: Ich, wir und die Digitalisierung.
28.10.2020 – 25.04.2021 im Museum für Kommunikation Nürnberg.
curt ist Medienpartner.
www.ausstellung-neuland.de
##neuland, #Ausstellung, #Museum für Kommunikation, #Printmagazin, #Stadtgeschehen