Theater: Peter Handkes "Kaspar" Kultur 01.12.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. BEIM WORT GENOMMEN Ein sprachloser, bis zum Verschwinden rätselhaft bleibender fränkischer Findling von 1828, ein Theatertext-Roulette von 1968 über die Macht der Manipulation im Sprachgebrauch, ein Literaturnobelpreis von 2019 mit Widerspruch-Reflex von vielen Seiten. >>
Oper: Das lügende Klassenzimmer Kultur 23.11.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. Auf der dicht beschriebenen Wandtafel, die ein ursprünglich mal Nymphe genanntes fleißiges Mädchen in Uniform mit Formeln vollgekritzelt hat, steht als aktuellste Botschaft der Musterschülerin ganz unten die Parole „Stop alla plastica!!“. In der Oper gibt es halt auch den Protest in der Originalsprache. Direkt dahinter liegt das Büro der Aufsichtsbehörde (Natur, Ewigkeit, Schicksal – drei Zausel mit Amtsbonus), die alle Visa-Stempel für den Weg zur wahren Tugend und einen großen Papierkorb für Ablehnungsbescheide verwaltet. >>
Theater: Am Wühltisch der Erinnerungen Kultur 22.11.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. Der auflagenstärkste Experte für die Aufforderung zur Expertise, die diesem montierten Hit- und Herren-Abend aus Erfahrungswerten von und mit Singles (man beachte sogleich die doppelte Bedeutung des Begriffs) als Konzept zugrunde liegt, bleibt ausgeschlossen: „Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragte er einst herausfordernd von Bühnen und Plattentellern, aber da er selber einer ist, kann er beim aktuellen Nürnberger Auftrieb der Leit-Männchen kein Gutachter sein. Sie sollen gefälligst singen, was Frauen über sie zu Papier brachten. Und, ehrlich gesagt, den Macho als Ego-Mahnmal zum Anheulen gab es hier sowieso längst, damals als Franz Wittenbrink seine große Zeit der Ohrwurm-Dramatik hatte und nach der Frauen-Power der „Sekretärinnen“ (100 ausverkaufte Vorstellungen) eine breitbeinige Sing-Attacke mit dem Titel „Männer“ (50 Vorstellungen) montierte. >>
Querschläger in Wartestellung Kultur 03.11.-23.05.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Henrik Ibsens „Nora“ am Staatstheater Nürnberg – Star-Regisseur Andreas Kriegenburg organisiert die Umsiedlung aus dem Puppenheim in die Kunst-Galerie >>
Ein Nest auf Stahlträgern Kultur 28.10.-18.07.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Die Trümmer von 9/11, zum Mahnmal erstarrt, ragen als riesige Glasscherben zwischen den Kulissenwänden aus rostigen Stahlträgern bedrohlich in die Szene. Auf dem Zwischenvorhang ploppt im knalligen Graffiti-Potpourri der Wahlkampf-Slogan „Built that Wall“ samt orangenem Schöpfer-Bildnis auf. >>
Umsturz mit Wasserspülung Kultur 11.10.-19.10.2019Von Dieter Stoll STADTTHEATER FüRTH. Dieser einzige kleine Zusatz-Buchstabe, der als Verfremdungsmirakel in die Theatergeschichte eingegangen ist, darf gar nicht mehr mitspielen: In Jean Renshaws Inszenierung „König Ubu“ von und nach Alfred Jarry am Stadttheater Fürth gibt es weder „Merdre“ noch „Schreiße“, die so legendär verrückten Skandalbegriffe, wohl aber völlig unbefangen das drastische Originalwort. Was natürlich sowieso niemanden aufregt, heutzutage. >>
I love you, Turkey! Kultur 28.09.2019Von Dieter Stoll SCHAUSPIELHAUS. Staatstheater Nürnberg – Ceren Ercans Gruppentherapie im Istanbuler Waschsalon als deutschsprachige Erstaufführung in Regie von Selen Kara. SELBSTBEHAUPTUNG MIT SCHLEUDERGANG von Dieter Stoll >>
Jonas Trögers Ausflug in die monochrome Malerei Kunst & Design 14.09.-12.10.2019Von Natalie de Ligt KUNSTVEREIN KOHLENHOF. Jonas Tröger (*1991 in Erlangen) studierte an der Kunstakademie Nürnberg. In der Vergangenheit viel der umtriebige Künstler schon häufig mit seinen Präsentationen auf. Viele der Arbeiten und Installationen weisen einen experimentellen Charakter auf oder befassen sich mit Zusammenhängen und strukturellen Bedingungen von Natur, Technik oder Kultur. >>
Macht-Politiker trifft Multi-Gott Kultur 28.09.2019Von Dieter Stoll SCHAUSPIELHAUS. Jan Philipp Gloger entdeckt die Dreifaltigkeit in Roland Schimmelpfennigs Übertragung der Euripides-„Bacchen“ >>
Der König mordet gern persönlich Kultur 29.09.2019Von Dieter Stoll OPERNHAUS. Staatsintendant Jens-Daniel Herzog schiebt Verdis große Oper „Don Carlos“ in die Gegenwart: Dirigentin Joana Mallwitz kommt ohne Zeitgeist aus. >>
Das Schloss der Fürstin, die Wiese der Trapp-Familie und ... Kultur 01.09.2019Von Dieter Stoll … die gereckten Arme der Generalmusikdirektorin – Wie die Spartenchefs am Staatstheater für die zweite Saison ihr Profil stabilisiern: namhafte Regie-Gäste, feste Größen, erstaunliche Verbindungen – und dazu blitzt Nürnberger Nostalgie in Regensburg. >>
Malerei als Laster und Reflektion Kunst & Design 12.07.-06.10.2019Von Natalie de Ligt NEUES MUSEUM. David Reed: «Vice and Reflection #2» / Ganz gleich, wie man zu moderner und zeitgenössischer Kunst stehen mag, ganz gleich, ob man das gemalte Bild in der heutigen Kunst für kaum mehr relevant erachtet, oder ob man an dessen Traditionen streng festhalten möchte, kaum einer wird sich der Faszination, die von den Bildern des amerikanischen Malers David Reed ausgeht, entziehen können. Und das, obwohl oder vielleicht gerade weil sie abstrakt sind. >>
Obdachlos und wortgewaltig Kultur 24.06.-17.07.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Ein Geldautomat als trügerische Verheißung irdischer Seligkeit ist schon am Rand der noch hermetisch verschlossenen Szene der Nürnberger Inszenierung von Wolfgang Rihms „Jakob Lenz“ zu sehen, ehe der tragische Titelheld mit den ersten Klängen aus dem Suizidversuch zurück ins Bühnenleben gespuckt wird. Sobald das wandelbare Passepartout, das fortan in vielen Variationen wie im Stummfilm-Schnitt den offenen Blick in doppelter Aktion erst rahmend domestiziert und dann blitzschnell absaugt, die insgesamt 13 aneinander reibenden, ineinander greifenden Szenen eher vereinigt als trennt, einen ersten geordneten Eindruck vermittelt, sieht gleich alles anders aus als erwartet. >>
Deckel drauf und alles in Ordnung Kultur 03.06.-19.07.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Der Sandmann – Clara Weyde inszeniert E.T.A. Hoffmanns schwarzromantisches Schauerdrama in Nürnberg als Bilderspalier mit Sarg in der Trauerhalle. >>
Ein kleines Juwel ringt um Fassung Kultur 10.05.-23.07.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Nach Einspruch der Beckett-Erben durfte Dieter Dorn den Feydeau-Einakter „Herzliches Beileid“ nicht in „Glückliche Tage“ spiegeln – und lässt in Nürnberg doch viel Nähe ahnen. >>
Rabenschwarz und taubenweiß Kultur 12.05.-07.07.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Als vor elf Jahren, bei der letzten Nürnberger „Lohengrin“-Produktion, der Regisseur und Bühnenbildner Michael Simon das große Wagner-Pathos mit Puppenspielern unterminierte, verweigerte Premierendirigent Christof Prick die Verbeugung auf der Bühne. Das musste David Hermann jetzt in der nächsten Inszenierungs-Variante bei Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz trotz seiner demonstrativen Ankündigung einer „ungewöhnlich humorvollen“ Deutung des sonst nur dank Leo Slezak erheiternden Stückes kaum befürchten. Obwohl die im Original nicht geplante Bühnen-Fleischwerdung von Germanen-Gott Wotan und Christen-Gralskönig Parzival am Ende zu einer unvorhersehbar radikalen, durchaus als Provokation ankommenden Machtübernahme führt. >>
Optimismus bis zum Verduften Kultur 10.05.-12.05.2019Von Dieter Stoll STADTTHEATER FüRTH. Ihre besten Tage sind eindeutig vorbei, wenn die mobile Kosmetik-Fachverkäuferin Cookie Close, die man in gehobenen deutschen Haushalten der älteren Generation wohl spontan „Avon-Beraterin“ nennen würde, am Ende ihres aktuellen Einsatzes für die Reinheit von Haut und Seele den Rollkoffer in die Ecke stellt und die engen Renn-Pumps mit den hohen Blockabsätzen abstreift. Weit und breit kein Ruckediguh, aber aus den Schuhen schwappt Blut auf die porentief reine Vorderbühne des Fürther Stadttheaters, das nach der Ersten Hilfe den Vorhang lupft, um die Welt dahinter als ungemütliches Kletter-Objekt zu zeigen. >>
Synchron-Würgen im Salon Kultur 05.04.-03.05.2019Von Dieter Stoll GOSTNER HOFTHEATER. Bei den beiden kaum miteinander bekannten Herren, die sich da etwas desorientiert vom gemeinsamen Nachtlager in die ungewisse Migräne-Zukunft des neuen Tages hinauf gerappelt haben, darf man wahlweise von Saufkumpanei oder Schicksalsgemeinschaft sprechen. Am Abend vorher hatten sie beim Ehemaligen-Treffen ihrer Schule bis zur Bewusstlosigkeit gezecht, immerhin irgendwie die rettende Zuflucht für den Promille-Abbau erreicht, und nun erwachen sie inmitten bürgerlicher Kulisse im restalkoholgeschwängerten Dunst der Ahnung einer kriminellen Katastrophe. >>
Harakiri für Fortgeschrittene Kultur 23.03.-18.07.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Beinahe wäre das diesmal sogar gut ausgegangen: Die „Butterfly“ genannte japanische Freudenbringerin für solvente Herren hat den amerikanischen Besatzungsoffizier in Nagasaki nach dem erotischen Deal einer Schein-Vermählung, die sie freilich nicht als Affäre sondern als Lebensentwurf betrachtet, zum sofortigen Eheglücksvollzug gebeten. >>
Ein Troll, ein Schlagbaum und Umarmung für alle Kultur 10.03.-23.05.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Am Rand (ein Protokoll) – Jan Philipp Glogers Uraufführung einer Grenzwert-Groteske seines offiziellen Schauspiel-„Haustronauten“ Philipp Löhle in Nürnberg. >>