Theobald O.J. Fuchs: Waldbildreport

MITTWOCH, 30. MäRZ 2016

#Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Ollar und Ullo waren zwei Wildschwein-Buben, die sich in einem gemütlichen Gebüsch kennengelernt hatten, am Rande des großen dunklen Waldes. Die beiden passten einwandfrei zueinander, waren gefräßig und gesprächig und schätzten das gemeinsame Wälzen im Schlammbad. Soweit war also alles prima und dufte, mit Ollar und Ullo.

Es gab da eine Schneise, die tief hinein reichte in den großen dunklen Wald. Alle Wildschweine hüteten sich aufs Äußerste, diese Schneise zu betreten, solange der Jäger auf seinem Hochsitz saß. Denn alle, die es gewagt hatten, dem Jäger unters Angesicht zu treten, waren vom Schweinegott im Zorn erschlagen worden, mit Blitz und Donner. Ganz schrecklich schlimm hatte dort das Blut schon gespritzt.

Warum der Schweinegott nicht mochte, dass der Jäger eine der Wildsauen erblickte, lag daran, dass er ein sehr eifersüchtiger und strenger Gott war und das Verbot nur zum Allerbesten seines Schweinevolkes diente. Denn dem Herrn missfiel es überaus, wenn eines seiner Schweinchen geschaut ward und zum Anblick diente einem Auge, das nicht Gottes war. So hatte es ein angenehm stinkender alter Eber den kleinen Schweinchen gelehrt. Und derselbe Schweinegott war es gewesen, der dem Jäger auftrug, eine dieser postmodernen Wildkameras aufzuhängen, an einem schwachen Bäumchen, am schmalen Ende der Schneise. Das Fotokästchen wachte fortan auch dann über die Schweinchen, wenn der Jäger darnieder lag im sagenhaften Gebüsch der Jäger, das irgendwo hinter dem Horizont sprießte, und ausruhte.

Und es dauerte nicht lange, da fuhr in Ullo ein böser Dämon, der fortan seine Träume vergiftete. Denn Ullo träumte am hellichten Tag davon, wie der Jäger Ollars Abbild betrachtete und dabei schmatzte vor Bildlust und Schauensfreude. Ullos Kampf mit dem Dämon war kurz und endete unzweideutig.

Ein gehöriger Schreck fuhr dem Freund in die Glieder, als Ullo vor ihn trat und Ollar sah, dass um Ullos fetten Hals das dritte Auge des Jägers baumelte. Ullo grinste böse und sprach: „So lautet der Plan: du gehst jetzt raus auf die Schneise, wälzt dich ein wenig im Dreck und zeigst deinen fetten Bauch. Ich mache derweil Bilder von dir.“

„Spinnst du?“ wies Ollar den Vorschlag zurück. „Was sollte es dir oder mir bringen? Und gefährlich ist das obendrein.“
„Du musst den Wald nicht lieben und du musst den Jäger nicht lieben“, rülpste Ullo und funkelte böse aus kleinen Schweinsäuglein. Aber wenn du es ernst meinst, liebst du die Kamera und den Gedanken, dass ein Bild von dir darin steckt.“
„Was ist neuerdings los mit dir?“, fragte Ollar. „Du darfst nicht mich mit dir selbst verwechseln. Du verletzt meine Gefühle. Und ich bitte dich um nichts anderes, als diese Kamera wieder dorthin zurück zu bringen, wo der Schweinegott es dem Jäger offenbarte.“  
„Du bist so darüber, Ollar“, grunzte Ullo, „und tust sonst immer so gelassen. Man sollte dich zwingen, dich auf der Schneise zu wälzen.“
„Ich will das nicht“, grunzte Ollar zurück, „und außerdem: Die Situation hat sich grundlegend verändert.“
„Und mir reicht‘s jetzt endgültig mit dir!“ röchelte Ullo. „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, hau ab! Viel Spaß noch in einem Leben ohne Einfluss, Macht und Verbindungen.“

„Wie du meinst“, grunzte Ollar und drehte sich um. „Diese blöde Sau“, dachte er und trabte los, immer weiter geradeaus, bis er einen anderen dunklen Wald erreichte, wo er nie zuvor gewesen war. Und wo es ihm auf Anhieb so gut gefiel, dass er Ullo, den Jäger und das dumme Gebüsch, in dem er groß geworden war, auf Anhieb vergaß und sich nie wieder daran erinnerte.
Dass er sich gerade noch rechtzeitig über den Acker gemacht hatte, erfuhr Ollar nie. Weil: zuerst entwickelte Ullo ein Alkoholproblem, nachdem er unter dem Hochstand eine Schnapsflasche gefunden hatte. Und nicht lange darauf tauchten Baumaschinen auf, rodeten die Bäume beiderseits der Schneise und errichteten ein Factory Outlet für kunterbunte Turnschuhe einer absolut überflüssigen Life Style-Marke.


UND WAS MACHT THEO WIRKLICH?
Wenn der promovierte Physiker sich nicht gerade mit Korrekturen bei Strahlaufhärtung aufhält oder seiner Leidenschaft für obskur-bedenkliche Geschichten nebst skurrilen Fotowerk frönt, kann man ihn hin und öfters in der Galerie Bernsteinzimmer bewundern. Als Bonvivant, Mitinitiator, lebender Kunstversuch.
Oder am 15. April auf der Pecha Kucha Night im Neuen Museum, wo der Herr Doktor in 6 Minuten und 40 Sekunden darüber berichtet, wie seine curt Kolumne entsteht.

 




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