So ein Theater ...

FREITAG, 1. APRIL 2016

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Anders denken, besser tanzen, schöner singen – Etwas betagt kommen die Großproduktionen des Monats schon daher (zwei Opern von 1735 bzw. 1863 und ein Schauspiel von 1882 am Staatstheater), aber der wahre Theaterfreund weiß natürlich, dass die Aktualität immer in der Interpretation steckt. Da wirken Rameau, Bizet und Ibsen erfahrungsgemäss oft ziemlich rüstig. Gegenwart ohne solche Umwegrentabilität gibt es im intimeren Rahmen, denn die Sieger-Uraufführung des auf Osteuropa fixierten und seit Neuestem in Nürnberg stationierten Dramenwettbewerbs „talking about borders“, in diesem jahr für Armenien reserviert, schmückt ab April die bluebox im Schauspielhaus. bei den kleineren Theatern ist der Wagemut sowieso Pflicht – was bleibt ihnen übrig, ausser chronisch tollkühn zu sein.

STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE. Dieses Drama eines rigorosen Aufklärers, der in seiner Stadt ohne Rücksicht auf Verluste den wohlmeinenden Betrug der öffentlichen Hand anprangert, ist ein Aufklärer-Traumspiel. Vielleicht aber auch eine bittere Satire auf den Politikerpragmatismus oder die Tragödie der latenten Massenverhetzung. Ein Clinch zwischen Ökologie (verseuchtes Wasser in der Bäderstadt) und Ökonomie (der Finanz- und Imageverlust, wenn das rauskommt), war es sowieso. Unter all den großartigen Stücken von Henrik Ibsen, die jedes für sich ihre aktuelle Bedeutung behalten haben, gilt EIN VOLKSFEIND derzeit als besonders geeignet. Es wurde immer und wird jetzt wieder an vielen Theatern gespielt, als wäre es den heutigen Moralisten-Katastrophen zugeschrieben. Die Nürnberger Neuinszenierung übernahm Sascha Hawemann, der hier zuletzt Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ (siehe auch Fürther Theater!) in eine Kleiderkammer für Kleinbürger-Prototypen verlegte – und damit kontroverse Diskussionen auslöste. Sein Umgang mit Ibsens tragischem, am eigenen Ego wie an der heranstürmenden Hysterie scheiternden Trotzkämpfer, dem die Heldenpose schwerlich gelingen kann, wird wohl den Rahmen der besserwisserischen Zeigefingerpädagogik sprengen.
Premiere: 9. April. Weitere Vorstellungen: 10., 14., 19., 23., 26., 29. April im Schauspielhaus.

PREMIERE. Eine Entdeckung ist die armenische Autorin Karine Khodikyan, die den ersten Preis des für osteuropäische Dramatiker ausgeschriebenen Wettbewerbs „Talking about borders“ im Vorjahr gewann, nur im beschränkten Blickfeld der westlichen Theaterlandschaft. Sie war in ihrem Heimatland schon mal vier Jahre Vize-Kulturministerin, hat einen Verlag samt Literaturzeitschrift gegründet und neben zehn Büchern bereits 39 Bühnenstücke verfasst. Mit dem Sieg durch das Doppeldrama LOTTERIE/FRAUEN DES KRIEGES war die Uraufführungsgarantie in Nürnberg verbunden. Fünf Schauspieler werden da in zwei gegensätzliche Situationen geschickt – erst ist es eine TV-Show (zu gewinnen 1 Job, 1 Pass, 1 Haus im reichen Teil Europas), dann das Entsetzen des Krieges mit Versöhnungsoptimismus (drei Frauen von gegnerischen Fronten organisieren gemeinsam gegen allen Hass das Überleben). Ausdrücklich wird die Spannweite „von der Farce bis zum Rührstück“ beschworen. Die Inszenierung von Patricia Benecke, einer reisenden Regisseurin und Journalistin mit Hauptsitz London, soll im Experimentierrahmen der BlueBox die Lust auf neue Texte anspornen und das Motto des „Drama Contest“ einlösen: „Über Grenzen sprechen“. Über sie hinweg sowieso, oder auch über ihre zweifelhafte Bedeutung in zivilisierter Welt.
Premiere: 2. April. Weitere Vorstellungen: 3., 6., 9., 10., 19. April in der BlueBox im Schauspielhaus.

PREMIERE. Die große Comeback-Welle der reizvoll verschnörkelten und dabei vor emotionaler Dynamik vibrierenden Opern-Antiquitäten hatte Nürnberg über Jahrzehnte verpasst und das Defizit bei den weltweit im Remake besonders erfolgreichen Händel-Opern ist bis heute beträchtlich. Immerhin hat Peter Theiler als Opernchef seit 2008 etwas nachgebessert, was eine (gemeinsam mit den Opernhäusern in Toulouse und Bordeaux entstehende) Produktion von Jean-Philippe Rameau unterstreicht. Aus dem Nachlass des französischen Komponisten, der allenfalls mit „Castor und Pollux“ in den Spielplänen präsent geblieben ist, zupfen der dirigierende Barock-Spezialist Paul Agnew und Großcomedy-Regisseurin Laura Scozzi die Rarität einer Ballett-Oper mit dem Titel LES INDES GALANTES  – DAS GALANTE INDIEN. Sie ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich, denn das Ensemble aus Sängern und Tänzern wird durch vier Episoden geschleust, die in der Wechselrahmenkulisse erträumter Exotik allerlei Liebesleid, Großmut und sogar Kulturkonflikt wuchern lassen. Die Regisseurin kommt vom Tanz und hat mit ihrer brausepulvernden Lust auf Comic-Komik in Nürnberg schon unterschiedlich erfolgreiche  Ergebnisse erreicht. Eher plump witzelnd bei Mozarts „Zauberflöte“, fast dadaistisch abgehoben bei Rossinis „Reise nach Reims“, operettig angestrengt bei Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ mit Altersheim-Ambiente. Die Reise der Götter ins „galante Indien“ will sie zur „frech aktuellen Vision einer globalen Welt“ umwandeln. Jetzt also runderneuerter Barock à la francaise – und da sind auf den Schaumkronen des Tanzensembles mit Hrachuhí Bassénz und Michaela Maria Mayer die beiden führenden Goldkehlchen des Ensembles gleich mehrfach zwitschernd im Einsatz.
Premiere: 3. April. Weitere Vorstellungen: 5. April sowie 3., 5. und 8. Mai im Opernhaus.

PREMIERE. Der Nürnberger Ballettdirektor Goyo Montero hat in den letzten Jahren die besonders attraktive Tradition entwickelt, in der zweiten Tanz-Premiere der Saison jeweils zwei der ganz großen europäischen Choreographen mit ihren meist schon legendären Werken zur Spätlese nach Nürnberg zu holen. Im günstigen Fall entstanden in der Adaption für die virtuose Opernhaus-Compagnie sogar neue Ideenfunkenschläge im übernommenen Rahmen. Die dritte Abteilung des Abends war dabei immer einer Montero-Uraufführung, in und für Nürnberg entwickelt, vorbehalten. Dabei bleibt es, aber diesmal stehen nicht die Namen der drei Schöpfer als Titel über der Vorstellung, sondern der eher irritierend kleinformatig wirkende Begriff KAMMERTANZ. Dabei sind mit dem Tanzreformer William Forsythe (Frankfurt/Dresden) und dem Spitzenmann der nächsten Generation Christian Spuck (Stuttgart/Zürich) wahre Größen am Werk. „Approximate Sonata“ kommt aus dem Forsythe-Repertoire, ein Teil von Spucks Totentanz-Zyklus ist „das siebte blau“ entlang am Sound eines Schubert-Streichquartetts. Die Montero-Uraufführung „Four Quartets“ nimmt das zum Saisonbeginn bei der „Latent“-Choreographie erstmals verkündete Bekenntnis zum „puren Tanz“ ohne Handlungsknoten wieder auf und will die komplette Compagnie zu einem vielbeinigen Tanzkörper vereinigen. Das preisgekrönte Apollon Musagète-Quartet spielt live dazu.
Premiere. 30. April. Weitere Vorstellungen: 10., 12. und 14. Mai im Opernhaus.

OPER KONZERTANT: Wenn die Entdeckerlust und die Bedenken beim Blick auf ein vernachlässigtes Werk im Gleichgewicht bleiben, kommt es in der Oper gelegentlich zum Kompromiss konzertanter Aufführungen. Man spart die Kosten für die Szene und vermittelt die Kostbarkeit des Klangs. Eine eigene Art von Infotainment. DIE PERLENFISCHER des „Carmen“-Komponisten Georges Bizet (von dem in Nürnberg immerhin schon mal der komödiantische „Wunderdoktor“ für die gelungene Kombination mit der „Schönen Galathée“ ausgegraben wurde) gehört zu den Wunschkonzert-Arienlieferanten, also Titeln, die eher Potpourri-Spuren als Aufführungserinnerungen hinterlassen haben. Caruso drückte eine Bravour-Arie zum allgemeinen Entzücken ans Tenorherz, das Schmettern soll in Nürnberg dem jungen, zunächst als lockigem „La Bohème“-Rodolfo angetretenen Tenor Ilker Arcayürek nun quasi im Stand gelingen. Angekündigt wird, nachdem diese Oper für ihre Realisierungen schon etliche verkleinernde Bearbeitungen überstehen musste, eine „kritische Neuausgabe“ mit Anspruch auf Nähe zum Original. Mal hören, ob das zum Test auf Bühnentauglichkeit reicht. Gábor Káli, der junge Vize-General der Philharmoniker, dirigiert.
Premiere: 24. April. Weitere Aufführungen: 4. und 6. Mai im Opernhaus.

HÖHEPUNKTE SCHAUSPIEL: Kein Zweifel, die Inszenierung von Elfriede Jelineks DIE SCHUTZBEFOHLENEN ist der bisherige Höhepunkt der Saison. Eine Expedition ins Textgebirge, denn die Literaturnobelpreisträgerin hat die vor gut drei Jahren entstandene Verbalattacke zur sogenannten Flüchtlingskrise ständig mit aktuellen Kommentaren erweitert. Und den Theatern die Freiheit gelassen, daraus ihr eigenes Stück zu montieren. Regisseurin Bettina Bruinier nahm das Angebot in aller Gedankenfreiheit an und schuf mit dem bestens motivierten Nürnberger Ensemble eine von Wortspieltrieb befeuerte 100-Minuten-Revue voller beißender Wut. Da kann allenfalls die Adaption von Orwells BigBrother-Klassiker 1984 mithalten, so wie Regisseur Christoph Mehler diese längst in Realität verwandelte Überwachungs-Fantasy  in der Fortschreibung aufs Jahr 2050 auf der Kammerspiel-Bühne entwickelt hat, nämlich Sprechoper mit Videohorizont. Da ist Bestseller-Jurist Ferdinand von Schirach mit seinem ersten dramatischen Versuch TERROR ein paar Kategorien schlichter. Er konstruierte einen Denkprozess (durfte ein gekapertes Flugzeug samt Passagieren abgeschossen werden, um 70.000 Leben im Fußballstadion zu retten?) im Mitbestimmungsmodell, indem er die Zuschauer per Hammelsprung als Schöffen abstimmen lässt. Regisseur Frank Behnke ist es gelungen, aus den stelzenden Protokolldialogen ein spannend interaktives Thrillerchen zu machen. Das Publikum macht begeistert auf „Hohes Gericht“ und urteilt in jeder Vorstellung anders.
Termine: Die Schutzbefohlenen (16. und 30. April Schauspielhaus), Terror (16. und 30. April Kammerspiele), 1984 (3., 15. 17. und 27. April Kammerspiele).

HÖHEPUNKT OPER: Diesen Titel wird der größte Teil des Publikums nicht kennen und nie wieder wahrnehmen. Leos Janaceks AUS EINEM TOTENHAUS, um 1930 frei nach Dostojewskis „Aufzeichnungen“ aus dem sibirischen Straflager entstanden und in Nürnberg vor 40 Jahren schon mal im einzigen je realisierten Bühnenbild von Michael Mathias Prechtl gewagt, ist das Anspruchsvollste, was Musiktheater in dieser Saison hier bietet. Auch das Aufregendste. Das in Klang und Szene gleich tiefgründige, gegen Wohllaut und Romantisierung gerichtete Werk findet in der Blickfanginszenierung des phantasievollen Calixto Bieito (ein Propellerflugzeug in Originalgröße beherrscht die Szene und ersetzt den Adler als Symbol der Freiheit) seine spannende Übersetzung. Nicht Sibirien in der Vergangenheit, sondern „irgendwo“ jetzt ist das angesiedelt. Dieser Orgie der Gewalt, die der für seine gnadenlos zu Ende gedachten Inszenierungen berühmte Regisseur wie ein brodelndes Bild präsentiert, kann kein Zuschauer entkommen. GMD Marcus Bosch dringt mit den Philharmonikern und riesigem Solisten- und Chor-Ensemble weit in die Melancholie des Seelen-Sounds mit der zerbrechenden Hoffnung auf das glimmende Gefühl im Menschen, den emphatisch so empfundenen „Funken Gottes“, vor. Bild und Klang sind zum ganz großen Theater-Ereignis  vereinigt.
Termine: 7., 13. und 25. April im Opernhaus.

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

LETZTER AUFRUF. Ein 1937 geschriebener Roman der belgischen Autorin Madeleine Bourdouxhe, die als europäische Poetin ihr Leben lang zwischen Brüssel und Paris pendelte, hatte in den 1980er-Jahren ein erstes Comeback über die feministische Literaturkritik und wurde 20 Jahre später erneut wiederentdeckt, in Deutschland sogar als Hörbuch mit der Stimme der Nürnberger Schauspielerin Uschi Illert festgehalten. Auf die Bühne brachte es GILLES´ FRAU aber erst jetzt. Die Dreiecksgeschichte, in der sich ein geliebter Ehemann plötzlich wider alle Vernunft der zickigen Schwester seiner Frau zuwendet, gleitet von der Familienidylle in den Eifersuchts-dschungel. Gisela Hoffmann versetzte das emanzipatorische Drama um die Liebe als seltsames Spiel in die Gegenwart, also emotional auf Tuchfühlung, und inszenierte die bei der Premiere mit großem Beifall aufgenommene deutsche Erstaufführung im kunstvollen Rahmen tänzerischer und musikalischer Elemente.
Termine: Nur noch vom 6. bis 9. April im Gostner Hoftheater.

GASTSPIEL. Es könnte sein, dass diese beiden Schauspieler derzeit in Nürnberg die größte Reichweite haben, zumindest was die weiträumige Bespielung verschiedener Theater betrifft. Lisa-Sophie Kusz und Helwig Arenz gehören zum Ensemble des Theater Pfütze, wirken in Produktionen der Tafelhalle mit und erobern nun auch das Gostner Hoftheater. SOFA ist der lapidare Titel des Stückes, das Arenz sich selber geschrieben hat – die Geschichte eines Sonderlings, der aus Angst vor der Welt draußen nur das eigene Sofa als gepolsterten Lebensraum akzeptiert. Die rätselhafte Frau, die in diese rituelle Einsamkeit einbricht, könnte die Rettung oder den endgültigen Absturz bringen. „Sex, Exzess und Selbstzerstörung“, meldet die Inhaltsangabe der Inszenierung von Meera Theunert für alle, die Zweifel an der Multifunktionalität von Sitzgelegenheiten haben. Und damit keine Missverständnisse entstehen: Helwig Arenz  ist nicht zu verwechseln mit dem großen Bruder Ewald, der fürs Fürther Theater diverse Musical-Revuen der leichteren Art schrieb.
Termine: 15./16. April im Gostner Hoftheater.

PREMIERE. „Wenn ein Baum wachsen soll, muss man die toten Äste abschneiden“, erläutert einer der Beteiligten bei diesem zynischen Wohnzimmerspiel zur Bereinigung des eigenen Freundeskreises. Wie man lästig gewordene Gäste elegant entsorgen kann, ohne sie gleich um die Ecke zu bringen, wird im Modell ABSCHIEDSDINNER durchexerziert. Da bekommt der Abschiebekandidat eine letzte Einladung mit stilvoller Bewirtung und wird danach nie wieder etwas von den „Freunden“ hören. Problematisch wird das, wenn er die Prozedur kennt und beim Ritual der gutbürgerlichen Lüge querschießt. Das Autorenpaar Matthieu Delaporte und Alexandre de la Pattellière, das in Paris mit dem Vorgängerstück „Der Vorname oder Zu Gast bei guten Freunden“  einen Kassenknüller produzierte und dabei gar die thematisch ähnlich operierende (allerdings weitaus giftiger formulierende) Yasmina Reza übertrumpfte, macht Komödie mit kleinen Haken, an denen sich die Fassade ihre Risse holt. So beim denn doch peinlichen „Abschiedsdinner“ zum Zwecke der „Freundschaftsoptimierung“. Schadenfreude ist auch eine Freude, also könnte Gostenhof (wo ja einst Rezas „Kunst“ eine ihrer weithin besten Aufführungen erlebte) der passende Ort sein, um die gespreizte Selbstentlarvung der halbwegs feinen Leute auszulachen. Stephan Hoffstadt, feste Größe im Gostner, kommt zu seiner jährlichen Nürnberger Inszenierung, es spielen Miriam Kohler, Thomas Tucht und Thomas Witte.
Premiere: 27. April. Weitere Vorstellungen 28. bis 30. April sowie 4. Mai bis 4. Juni jeweils Mittwoch bis Samstag im Gostner Hoftheater.

GOSTNER HOFTHEATER
Austr. 70, Nbg
gostner.de


TAFELHALLE

PREMIERE. Die mobile Festtagstafel eines Familientreffs als metaphorische Zirkusarena. Sebastian Eilers, der mit seinem freien SETanztheater seit einigen Jahren immer wieder überraschende Spektakel als Sammelbecken vieler Reizmomente bietet (zuletzt „Peer, du lügst!“, da wurde querfeldein gesungen, getanzt und gespielt) hat sich die liebe Verwandtschaft als Horrorkabinett vorgenommen. Ein offenbar unerschöpfliches Thema. In seinem CIRQUE DE LA FAMILLE, wo mehrere Generationen einander an den Nerven zerren, gibt es SUPPE FÜR DIE SIPPE. Und der Löffel wird nicht abgegeben, ehe die versprochene Akrobatik den Zuschauer vom Sitz gehoben hat. Ach ja, „bewegte Poesie“ ist ebenfalls versprochen, könnte auch ein Salto sein.
Premiere: 21.04. Weitere Termine: 22./23. April in der Tafelhalle und dann vom 20.-24. Juli als Freilichtaufführung in der Katharinenruine.

TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de


KÜNSTLERHAUS

PREMIERE. Vor 20 Jahren galt die junge britische Autorin Sarah Kane als die wichtigste Vertreterin eines radikalen Theaters, das seine Sehnsucht mit fast unerträglicher Brutalität formulierte und bei der Beschwörung von Liebe und Tod über Tabugrenzen hinweg segelte. Große Regisseure wie Peter Zadek und Thomas Ostermeier setzten das wie schmerzhafte Gewaltlyrik in drastischen Bildern um. Erst 2016, also 17 Jahre nach dem frühen Tod mit 28, wurde sie von einem der großen Theater daheim in London als Wagnis auf den Spielplan gesetzt. Übrigens mit dem gleichen kontroversen Ergebnis wie damals in Berlin: Grimmig türenschlagende und fasziniert zuhörende Abonnenten zuhauf. Sarah Kanes GIER, das vorletzte ihrer fünf „Skandal“-Stücke, überwindet die Form eines Handlungsdramas, es gilt als „Konzert von Stimmen und Gedanken“. Nikolaus Struck, der seit Jahren in Nürnberg seine eigene Projektwelt pflegt, inszenierte mit vier Schauspielern und Hilfe des Koproduzenten Tafelhalle/Künstlerhaus.
Premiere: 28. April. Weitere Termine 28. und 30. April sowie 11./12. Mai im Festsaal des Künstlerhauses.

KÜNSTLERHAUS IM KUNSTKULTURQUARTIER.
Königstr. 93, Nbg
kunstkulturquartier.de


THEATER ERLANGEN

PREMIERE. Der Sehnsuchtsruf „Nach Moskau, nach Moskau…“ wird auch diese Neuinszenierung von Anton Tschechows DREI SCHWESTERN bestimmen. Der Traum vom sinnvolleren Leben in der Großstadt legt sich wie ein Schatten über die Zwänge der Provinz in diesem russischen Weltschmerztheater mit Familienanschluss, bei dem der Schauspieler als Dialogtherapeut gefragt ist. Regisseurin Elina Finkel, die aus der Ukraine stammt, übersetzte schon „Die Möwe“ und „Onkel Wanja“ für eigene Tschechow-Produktionen und macht das auch für diese von 1901 nach 2016 umgeleiteten Elegie um die Schwestern Olga, Mascha und Irina, die in Erlangen gemäß dem alles stempelnden Spielzeit-Motto „Heimat“ etwas zwanghaft als Protagonisten einer „Heimatverklärung in vier Akten“ angekündigt werden. „Nach Nürnberg, nach Nürnberg“, werden sie aber sicher nicht rufen.
Premiere: 7. April. Weitere Vorstellungen: 17., 18., 28. und 29. April im Markgrafentheater.

PREMIERE. Der Titel dieser Extraproduktion passt in jeder Hinsicht: NEULAND wird als interkulturelles Projekt angekündigt, entstehend aus der Zusammenarbeit von Erlanger Theatermachern (Regisseur Jakob Fedler, Schauspieler Christian Wincierz) mit Geflüchteten aus verschiedenen Ländern, die sich mit ihrer eigenen Poesie zur Gemeinschaftsexpedition ins Märchenhafte aufmachen, also Neuland erobern. Aus den Beiträgen soll in Worten und Liedern ein Mosaik der Möglichkeiten entstehen, auch in der Form anders als übliche Theaterabende, somit ästhetisches Neuland.
Premiere: 8. April. Weitere Vorstellungen: 15., 16., 29. und 30. April in der Garage.

GASTSPIEL. Die belgische Compagnie Rosas von Anna Teresa de Keersmaeker, seit Jahrzehnten Garant für springlebendige und dabei geradezu streng feinfühlige Avantgarde, ist grade mit einem furiosen Shakespeare-Spektakel in Deutschland unterwegs. Aber mit solch großen Ensembleproduktionen war sie bisher weder in Nürnberg finanzierbar noch fürs dann doch zu konventionelle Fürther Tanztheater-Abo kompatibel. Aufgepasst! Etwas unerwartet, denn im dortigen Spielplan ist Tanz allenfalls äußerste Randerscheinung, kommt im Erlanger Markgrafentheater für einen Nachmittag  der vor Sensibilität vibrierende Pas de deux von Keersmaeker mit ihrem Vorzugspartner Boris Charmatz zu Bachs PARTITA NO. 2 aus dem Repertoire der Rosas. Die Geigerin Amandine Beyer ist die Dritte im Bunde der absolut außergewöhnlichen Liveinterpretation.
Termin: 10. April im Markgrafentheater

LETZTER AUFRUF. Nachporto ist nicht vorgesehen für den Briefwechsel des liebeskranken Schmerzensmanns, der in Goethes Roman die Unerreichbare anschwärmt. Eike Hannemann, Regisseur beim Nürnberger Kult-„Winnetou“, hat DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER rund 240 Jahre nach der Veröffentlichung mit Mario Neumann als Solo für heutiges Publikum inszeniert. 90 Minuten Intensivgefühl mit absehbarem Absturz. Das hat schon viele Generationen bewegt – auch aktuell in Erlangen hatte die Aufführung großen Erfolg in Serie. Jetzt verabschiedet sie sich mit vier Vorstellungen.
Termine: 11., 12., 26., 27. April in der Garage.

KASSENKNÜLLER. Der intergalaktische Liederabend HEIMAT ERLANGEN, in dem Ekat Cordes von Helene Fischer bis zu Marsmännchen allerlei unerwartete Kampfgefährten auftreten lässt, hat nach der bejubelten Premiere auch im Spielplan-Alltag die Zuschauer erobert. Die süffige Revue mit den feuerwerksartigen Knalleffekten zischt durch Schlagerwelten und Theatergeschichte – und wer mag, kann sogar Weisheiten zur Lage der Nation mitnehmen.
Termine: 13. und 14. April im Markgrafentheater.
 
THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


STADTTHEATER FÜRTH

GASTSPIEL. Wer im März die nachdramatisierte Fassung von Max Frischs Roman „Homo faber“ in der Eigenproduktion des Fürther Theaters spannend fand, wird für die Ergänzung mit einem echten Theaterstück aus der Feder des Schweizer Autors dankbar sein. ANDORRA, dieses einst wie ein Blitz in die Spielpläne gefahrene und nie wieder verschwundene Drama um Antisemitismus als mahnendes Denkbeispiel für den Umgang mit offensichtlich unheilbaren Vorurteilen, hat neuerdings wieder an Aktualität gewonnen. Ganz sicher inhaltlich, und für die angemessene Form sind die Interpreten gefordert. Sandra Lava inszenierte mit dem Ensemble des kleinen Theaters Schloss Maßbach, das mit dem Ergebnis die große Bühne sucht.
Termine: 6. bis 9. April im Stadttheater.

GASTSPIEL. Es ist Arthur Millers erfolgreichstes Stück, wurde zweimal verfilmt (zuletzt mit Dustin Hoffman) und dürfte seinen sicheren Platz als Klassiker des Gegenwartstheaters haben. Als Kontrast zur vorerst letzten Nürnberger Inszenierung von TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN, die im Vorjahr den dahindämmernden amerikanischen Vorstadt-Realismus durch die abstrahierende Kulisse einer noch ungemütlicheren Kleiderkammer ersetzte, könnte das Gastspiel aus Hamburg vom dortigen renommierten St. Pauli-Theater funktionieren. Auch wegen der Regie des inszenierenden Bühnenbild-Altmeisters Wilfried Minks, vor allem aber wegen Burghart Klaußner in der Titelrolle des unglücklichen Willy Lomann. Man kennt den Charakterkopf der Sonderklasse u.a. als Pastor aus dem Goldene-Palme-Film „Das weiße Band“ 2010, auch als hessischen Generalstaatsanwalt in der TV-Verfilmung von 2015 „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und in der Bühnenkönigsklasse mit Rollen wie dem Philipp in „Don Carlos“.
Termine: 15./16. April im Stadttheater.

PROJEKT. In Fürth haben Stadttheater und Kunstgalerie die gemeinsame Basis geschaffen, auf der seit vier Monaten ein sehr eigenes Projekt entsteht, dessen jetziger Aufführungstitel zuvor die Aufforderung an alle Beteiligten war: ANDERS HERUM DENKEN. Angesprochen war jedermann, der hören wollte, zunächst als Rohmaterial-Lieferant. Sammelboxen für leere Pappschachteln aus dem Haushalt waren aufgestellt, aus denen die Galerie eine Installation baute. Die „Kunst“-Schachteln wiederum wurden den Besuchern im Tausch gegen notierte Gedanken zum Motto angeboten. Die Zettelsammlung war – aus der Ferne grüßt Elfriede Jelinek – Futter für die entstehende Textfläche. Das KULT-Ensemble des Jugendtheaters (Regie: Thomas Stang), Johannes Beissels Bürgerbühnen-Chor und das Papiertheater von Johannes Volkmann wollen in spartengrenzüberschreitender Dreisprung-Theatralik belegen, was sie wie ein Leitmotiv vorgelegt hatten: „Das, was man denkt, lebt man auch“. In fünf Vorstellungen an drei Tagen ist Gelegenheit zur Nachempfindung.
Premiere: 22. April. Weitere Termine 23.und 24. April (da jeweils 15:00 und 19:30 Uhr) im Stadttheater.

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de


THEATER SALZ+PFEFFER

WIEDERKEHR. Ein Geiselnehmer, der statt viel Geld nur ein wenig Gesellschaft will und sich plötzlich in einem wunderlichen Dreiecksverhältnis wiederfindet: Das Stück MEIER MÜLLER SCHULZ zeigt ein ziemlich komisches Trio auf der Flucht vor der Einsamkeit. Die „humoristisch und tiefgründig“ argumentierenden Puppen des Theater Salz+Pfeffer in Gesellschaft von Wally und Paul Schmidt können sich auf die Dialoge von Marc Becker verlassen. Ein vielseitiger Autor, der mal in jungen Jahren am Erlanger Theater als Regisseur engagiert war („Magic Macbeth“ blieb in Erinnerung) und den Nürnberger Kulturförderpreis bekam. Jetzt arbeitet er leider weit weg im Norden Deutschlands – da transportiert die Wiederaufnahme am Plärrer auch einen Hauch von Erinnerung.
Termine: 22. und 23. April im Theater Salz und Pfeffer.

THEATER SALZ+PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
salzundpfeffer-theater.de


THEATER PFÜTZE

GASTSPIEL. Eine Haus-Etage mit vielen Türen, hinter denen sich unbekanntes Leben ereignet, ist der Spielraum in Johanna Richters komödiantischem Murmel- und Bewegungstheater INTIMATE STRANGER von der Münchner Schauburg. Überall erscheinen überraschend Personen, treffen auf den Nachbarn, das unbekannte Wesen, und wimmeln hektisch durch die unerwartete Spontankommunikation oder an ihr vorbei. Von Handkes „Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ über Pina Bauschs Rundlauf-Improvisationen bis zur Körpersprache der Familie Flöz kann man da viele Spuren im neuen Zusammenhang entdecken. Filmstar Tim Bergmann, aus TV-Produktionen zwischen „Bella Block“ und „Bergdoktor“ gar nicht mehr wegzudenken, ist der Prominenteste im wirbelnden Sextett der Akteure. Für Jugendliche ab 13 und Erwachsene ein auf- oder durchrüttelndes Vergnügen.
Termine: 29./30. April im Theater Pfütze

THEATER PFÜTZE
Äuß. Laufer Platz 22, Nbg
theater-pfuetze.de


DEHNBERGER HOF THEATER

WIEDERKEHR. Herzhaftes Gelächter ist die Basis für Pergolesis Musiktheaterminiatur LA SERVA PADRONA – DIE MAGD ALS HERRIN von 1733. Gleichzeitig ist das Werk, das ursprünglich mal zur Entspannung zwischen zwei gewichtigeren Kunstaktionen angesetzt wurde, in Handlung und Klang der Urknall für die „komische Oper“. Ein kauziger Herr (Bassbariton) wird da von seiner blitzgescheiten Magd (Sopran) unter Slapstick-Assistenz eines Dieners (stumm) systematisch um den Finger gewickelt, was Anlass für ein halbes Dutzend herrlicher Arien & Duett-Kabinettstückchen ist. In Nürnberg war das vor Jahrzehnten mal in den Kammerspielen zu erleben, in Dehnberg beruft sich Regisseur Ulrich Proschka sogar auf die TV-„Nanny“. Gesungen wird original italienisch, gewitzelt echt deutsch. Statt des üblichen Streicherensembles gibt es das Drei-Bläser-Arrangement von Klarinettist Norbert Nagel, der selber im Trio mitspielt.
Termin: 30. April im Dehnberger Hof Theater.

WEITER IM PLAN. Es darf noch eine Runde jenseits der Niveaufrage gekichert werden: Die Hausmacher-Inszenierung der Komödie CHARLEYS TANTE, deren britische Erfindung einst als Urknall aller Travestieklamotten in verjuxter und verdruckster Biederkeit weltweit die Bühnen eroberte, sorgt in der Dehnberger Scheune für Zwerchfellerschütterungen, dass sich die Original-Balken biegen. Wo Männer mit Perlenketten und ausgestopftem Busen bewaffnet sind, kann offenbar nichts schief gehen mit der gutgelaunten Besucherquote. Marcus Everding hat das offensichtlich unverwüstliche Lustspiel von Brian Thomas, das von Alec Guinness bis Peter Alexander alle Komikerklassen faszinierte, aufgefrischt und als ganzjährig einsetzbaren Faschingsspaß angerichtet.
Termine: 9., 10., 22., 23., 24. April im Dehnberger Hof Theater

DEHNBERGER HOF THEATER
Dehnberg 14, Lauf/Pegnitz
dehnbergerhoftheater.de




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