Theobald O.J. Fuchs: Volxvulkan

DIENSTAG, 1. DEZEMBER 2015

#Comedy, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Der alte Vulkan hatte sich schon vor vielen Jahren zur Ruhe gesetzt. Der letzte Ausbruch seiner Karriere lag so lange zurück, dass sich selbst seine älteren Kollegen nicht mehr an seinen Namen erinnerten. Er lag friedlich dösend in Mitten einer wüsten Landschaft. Ringsherum erstreckte sich ohne Baum und Strauch ein Meer erkalteter Lava, die er im Laufe seiner erfüllten Berufslaufbahn ausgespien hatte. „Stille Berge sind hohl“, raunten sich die Einheimischen gegenseitig ins Ohr. Weil man ja nie wissen konnte, ob der eine oder andere alte Lavakotzer mithörte.

VOLXVULKAN

In der Caldera des alten Vulkans wohnte der endemische Hirte. Es gab nur einen einzigen von seiner Sorte, weshalb er sehr einsam war. Jeden Abend weinte er, seit Jahrhunderten schon, doch gab es, wie stets in dieser Welt, auch jemanden, der davon profitierte. Die Krater-Fliegen freuten sich darüber, denn sie lebten ausschließlich von Tränenflüssigkeit. Das Geheimnis des Vulkans war nämlich, dass er den Hirten nur deswegen hervorgebracht hatte, damit er die Fliegen ernährte. Denn der Vulkan war ein verkappter Naturforscher, der heimlich mit dem Geigerzähler um den Kratersee schlich, um seine eigene Radioaktivität zu bestimmen.
Außer den Fliegen lebten nur Wolfsmilch-Tulpen, versteinerte Agaven und grüne Salamander, die tröpfchenweise Aloe Vera-Badezusatz pinkeln, im Krater. Auf dem Boden wuchs nichts als Eintönigkeit, leere weiße Schneckenhäuser und Bimssteine. Der alte Vulkan war voll und ganz zufrieden damit wie es war, er wünschte sich kein bisschen mehr. Rund um seine Krone kreisten warme Luftströme, die weder Kraterfliegen nach draußen entkommen noch fremdes Saatgut nach innen eindringen ließen.

Dann jedoch begab es sich, dass der Vulkan des Nachts erwachte und sich unwohl fühlte. Einen kurzen Moment wusste er nicht, wo er sich befand. Doch alsbald erblickte er die vertrauten Sternenmuster am schwarzen Firmament und wusste wieder, dass er auf seiner gewohnten Insel lag. Zugleich spürte er ein gewisses Grummeln im Bauch, das ihm überhaupt nicht gefiel. Hatte er etwas Falsches gegessen? War es das ungewohnte Klima, das die vielen Wanderer, die jeden Tag an seiner Flanke herum kletterten, aus England und Dänemark eingeschleppt hatten?

Auch der weinende Hirte schreckte in dieser Nacht aus dem Schlaf. Er hob den Kopf von seinem durchnässten Kissen und lauschte in die Dunkelheit. Da meldete sich etwas, was sich anfangs nur wie ein leises Rülpsen anhörte, bald aber immer lauter und lauter wurde, bis es wie ein gewaltiges Rülpsen klang. Dann erhellte ein rot glühender Schwall Lava die Nacht und blendete die Fliegen, die in der Luft zusammenprallten und sich gegenseitig mit dem Anwalt drohten. Nur wenige Minikurzsekunden freilich, weil sie der opulente Schwall, der den alten Vulkan selbst überraschte, hoch hinauf in die Atmosphäre schleuderte, wo sie bis heute auf Chemtrails um die Erde rundherum surfen.

Am nächsten Morgen war der Hirte verschwunden, ohne Lebewohl zu sagen, wie vom Erdboden verschluckt. Doch den alten Vulkan kümmerte das wenig. Ein neuer Hirte würde nachwachsen, darauf konnte er sich verlassen. Er war ja Rentner und hatte deshalb viel Zeit, um zu warten, dass die Evolution ihren Job erledigte.

Die gute Nachricht: er war nur ein Mustervulkan in einer Vulkanhandlung. Mit gelegentlichem Beispielvulkanausbruch. Dort gibt‘s übrigens Vulkane passend für jeden Geldbeutel - in fabrikneu oder auch gebraucht (nur einmal benutzt mit 999 Jahren Rückgaberecht).

PS: in dieser Geschichte kam so gut wie kein Tier zu Schaden. Wirklich!



UND WAS MACHT THEO WIRKLICH?
Wenn der promovierte Physiker sich nicht gerade mit Korrekturen bei Strahlaufhärtung aufhält oder seiner Leidenschaft für obskur-bedenkliche Geschichten nebst skurrilen Fotowerk frönt, kann man ihn hin und öfters in der Galerie Bernsteinzimmer bewundern. Als Bonvivant, Mitinitiator, lebender Kunstversuch. Etwa am Sonntag, 6. Dezember, zur Ausstellungseröffnung von Rainer Funk, oder am Freitag, 18. Dezember, wenn die GoHo-Hobos auf ihrer Glühbier-Tour auf ein paar Trash-Folk-Weisen vorbeischauen.
Tags zuvor, am Donnerstag 17.12., liest der Kurzkrimipreisträger übrigens in Würzburg, in der Kellerperle, zusammen mit Lukas Münich und Demien Bartók. Vermutlich Lyrik. Vermutlich gut.
 




Twitter Facebook Google

#Comedy, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Vielleicht auch interessant...

Da saß ich im Bus nach Prag und dachte mir, wie unangenehm es sein müsste, von einer Stadt in die andere Stadt gebeamt zu werden. Also mittels Star-Trek-Transporter [https://de.wikipedia.org/wiki/Star-Trek-Technologie]. Man wäre ja im selben Augenblick da, in dem man abgeschickt wird, und würde die schöne Fahrt verpassen. Welche Auswirkungen der abrupte Ortswechsel auf die menschliche Seele hätte, ist noch völlig unerforscht. Zudem ja erst die Seele an sich definiert werden müsste. Das ist sonst ungefähr so, wie wenn man die Verdauung des Monsters von Loch Ness erforschen wollte.  >>
20240201_Staatstheater
20240201_Mummpitz_160
20240317_Tafelhalle
20240201_NMN_Weaver
20240201_Kaweco
20230703_lighttone
20240201_Referat_Umwelt_Konferenz
20240201_VAG_D-Ticket
20240201_Theater_Erlangen
20240201_Retterspitz
20240324_AfF