Kulturorte neu gedacht: Staatstheater Nbg

MITTWOCH, 1. SEPTEMBER 2021, NüRNBERG



Dinge neu denken – kann man durchaus mal ausprobieren. Die Politbande hat zu vielen Themen neue Ansätze, wie auch zum Staatstheater, dessen möglichen neuen Standort und der Nutzung des sanierungsbedürftigen Objekts. Dazu gab es eine Pressemitteilung, die wir euch nicht vorenthalten wollen:

Kulturorte neu gedacht –Staatstheater auf dem Reichsparteitagsgelände

Nürnberg ist nicht Kulturhauptstadt geworden, Stardirigentin Joana Mallwitz zieht 2023 nach Berlin weiter, und das Opernhaus am äußeren Burggraben ist baufällig und entspricht nicht mehr den aktuellen Brandschutzbestimmungen. Für letzteres hat die Stadt Nürnberg 2021 eine Opernhauskommission bestellt. Diese Kommission plant die provisorische Unterbringung der Nürnberger Oper in einem noch zu errichtenden Interimsbau sowie eine kostenaufwändige und langwierige Sanierung des bestehenden Opernhauses.

Die Gesamtkosten werden hier grob auf 860 Millionen bis 1 Milliarde Euro geschätzt, teurer als der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg. Kosten, die auf Grund der baulichen Grundvoraussetzungen dennoch nicht dazu führen werden, dass aus dem Opernhaus am Richard-Wagner-Platz eine vollumfänglich zufriedenstellende Lösung für das Staatstheater resultieren dürfte.  

Als Standorte für den Interimsbau sind derweilen das Nürnberger Messegelände, das ehemalige Areal der Firma Schöller, sowie die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände im Gespräch. Vergangene Woche haben sich zudem die  Architekt*innen des auf Eis gelegten Konzerthauses mit dem Vorschlag ins Spiel gebracht, doch ein Konzerthaus zu bauen und es zunächst als Interimsspielstätte für das Staatstheater zu nutzen.

So oder so, ein Interimsgebäude ist eine zeit- und kostenintensive Sonderanfertigung. Die zukünftige Nutzung bleibt unklar. Warum investiert man Zeit, Geld und Mühen in die Planungen eines zehn- bis fünfzehnjährigen, sonderangefertigten Gebäudes und investiert dieselben Ressourcen nicht gleich in einen permanenten Ort? Die politbande spricht sich für eine solche permanente Lösung aus. Die Option eines vollständigen Neubaus wurde bisher unzureichend eruiert und die Idee der Sanierung hat sich auf Grund eingespielter politischer und verwaltungstechnischer Abläufe leider verfestigt. Bisher wurde diese nicht mehr in Frage gestellt. Und das obwohl ein Neubau vielfache inhaltliche Chancen für die Stadt bereithalten würde und zugleich auch finanzielle Vorteile bringt.

Als Standort für diesen Neubau sollte man ernsthaft die Kongresshalle auf dem Reichsparteitagsgelände in Erwägung ziehen. Zum einen, weil die Kongresshalle auf Grund baulicher und eigentumsrechtlicher Gegebenheiten zurecht bereits im Gespräch als Standort für den Interimsbau steht, zum anderen, weil sich aus diesem Standort endlich eine Möglichkeit der angemessenen Nutzung dieses historisch problematischen Geländes bieten würde.

Ein solcher Neubau in der Kongresshalle wäre notwendigerweise an eine verstetigte künstlerische und kritische Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe gekoppelt und würde kultur- und gesellschaftsrelevante Debatten anstoßen: wie soll adäquat mit NS-Bauerbe umgegangen werden? Welche Stücke und Formate könnten in diesem neuen Kulturort aufgeführt werden und wenn ja, wie? Ein Staatstheater auf dem Gelände des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes würde so immer auch als Mahnmal gegen den menschen- und kulturverachtenden Nationalsozialismus stehen. Denken, Inspiration, Bildung und Partizipation. Ein Ort des Austausches und des Miteinanders, der durch kluge Formate viele Bürger*innen bewegt und anspricht.
Der Neubau könnte eine nachhaltige Verbindung von Sub- und Hochkultur ermöglichen. In ihrer Kulturhauptstadtbewerbung hat die Stadt Nürnberg bereits eine Teilnutzung der Kongresshalle als Künstler*innenhaus vorgeschlagen, die genügend Platz für dringend benötigte Ateliers oder Probe- und Veranstaltungsräume bieten soll. Das Staatstheater ist bereits jetzt ein Mehrspartenhaus aus Oper, Operette, Ballett, Theater. In einem neuen Gebäude können Konzeption, Kooperationen und gemeinsame dauerhafte wie projektgebundene Nutzungen modernisiert und neu gedacht werden. Ein direkter Austausch zwischen verschiedenen Kultursparten und -szenen in Nürnberg und darüber hinaus. In einem Gebäude vereint könnten bildende Künstler*innen, Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Musiker*innen des Staatstheaters und der freien Szene in einen lebendigen Dialog treten. Die räumliche Nähe würde diesen Austausch möglich, die belastete Vergangenheit des Raumes diesen sogar unabdingbar machen.

Mit einem Neubau würde man sich auch eines zweiten Problems entledigen, das in der ganzen Diskussion bisher noch gar nicht berührt worden ist. Die Frage ist nämlich, was da genau kernsaniert werden soll im alten Opernhaus. Wie bekannt sein dürfte, ließ das NS-Regime die gesamte originale Jugendstilornamentik des Innenraumes brutal entfernen. Stattdessen wurde der Innenraum entsprechend der NS-Kulturideologie verändert. Dabei veränderte sich auch die gesamte Akustik des Hauses – zum schlechteren. Über der Bühne angebracht wurde außerdem auch ein Relief, das der Nazibildhauer Emil Hipp geschaffen hat. Es stellt sich also die Frage, welcher Innenraum bei einer Restaurierung da eigentlich wiederhergestellt werden soll; in Stein gehauene Nazipropaganda oder eine aufwendige Rekonstruktion des Originals. Beides wäre wohl problematisch. Und es handelt sich dabei um eine Frage, auf die die Stadt Nürnberg schon im Zusammenhang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände nie eine wirklich überzeugende Antwort gefunden hat.

Neben der Kostenersparnis, denn erspart bliebe nicht nur der Bau eines später kaum adäquat nutzbaren Interims, sondern auch die zeitaufwendige und risikoreiche Sanierung des Opernhauses, wäre ein neues Opernhaus auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ein visionäres Projekt für die Stadt Nürnberg. Signalisiert würde ein mutiger und kritischer Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe, das Projekt böte große Wirkung und Anziehungskraft weit über die Stadt hinaus.

Eine alternative Nutzung der alten Oper am Richard-Wagner-Platz könnte durch schrittweise- / bzw. Teilsanierung und der Tatsache, dass das Gebäude nichtmehr als Oper genutzt werden müsste, deutlich kostengünstiger, weniger aufwändig und schneller realisiert werden. Es entstünde ein neuer Kulturraum und Begegnungsort für die Bürger*innen Nürnbergs in unmittelbarer Innenstadtnähe. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig und bereits jetzt werden visionäre Ideen entwickelt. Sie reichen von einem botanischen Garten, der im Rahmen der Landesgartenschau 2030 realisiert werden könnte– über ein Klima- und Kulturhaus, in dem die wichtigsten Frage- und Problemstellungen unserer Zeit in verschiedenen Projekten von Klimaaktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen diskutiert und angegangen werden.
Mit diesem Ansatz könnten gleich zwei neue Wahrzeichen für unsere Stadt entstehen und Nürnberg sich zudem als moderne Großstadt beweisen.

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Erarbeitet und verfasst wurden die Visionen in einem zweimonatigen Prozess aus verschiedenen Diskussionen und Workshops in einem breiten Netzwerk im August und September 2021.
 
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Ansprechpartner*innen: Julia Wally Geyermann + Ernesto Buholzer Sepúlveda




www.politbande.de

 




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