Clemens Söllner | Mit dem Holze gemalt

MITTWOCH, 22. APRIL 2020

#Dr. Marian Wild, #Im Gespräch mit, #Interview, #Kunst, #Locked in

Locked in | 005 | – Die wichtigste Erkenntnis zuerst, auch wenn sie trivial klingt und ein Stückweit für jedes Kunstwerk jedes Künstlers gilt: Die Arbeiten von Clemens Söllner, die hier in hoher Auflösung digital gezeigt werden, muss man in einem so großen Format wie möglich ansehen, noch besser im Original, ein Handybildschirm wäre hierfür eine Schandtat. Nur wenn eine angemessene Größe erreicht wird, enthüllen die Bilder ihre Wirkung und Wahrheit, und die ist, dass alles, was man darin sehen kann, selbstgeschnittenes Holzfurnier ist.

Jedes der Bilder ist eine einzige große Intarsie, eine Einlegearbeit aus den unterschiedlichsten Holzsorten. Aus weltweit circa 150 Hölzern lassen sich Furniere schneiden, wie ich im Gespräch von Clemens gelernt habe. Im „Wächter des Goldes“ entsteht der ganze, erstaunlich kräftige Glanz der Goldelemente aus Zitronenholz nur durch den Kontrast mit dem rötlichen Tropenholz. Angesichts der insgesamt gedämpften Farbpalette der Furniere ist das bemerkenswert. Einzelne Bilder entstanden im Zeitraum von Jahren, inzwischen wegen der wachsenden handwerklichen Erfahrung mitunter auch im rasanten Tempo von wenigen Monaten. Die Motive formen sich bei manchen der komplexen Szenerien allein während der Herstellung, ohne Vorzeichnung. Da finden sich schimmernde Gockel mit fast manieristisch verschlungenen Köpfen neben einem Tafelbild des Heiligen Florian, dem traditionellen Schutzheiligen der Feuerbekämpfung. Das Motiv könnte mittelalterlich sein, der geometrische Stil erinnert dagegen stellenweise an die groben, surrealen Körper in den Bildern von Max Ernst. So führt der Blick zum „Wächter des Goldes“, einer irrwitzigen Kritik an Gier und Geld: Skelette schlagen das Gold, das kleine Arbeiter wegkarren, Krieg und Feuer und Trommler bevölkern die Umgebung. Viele verschiedene Geschichten finden sich im Bild, und doch ergibt sich keine einheitliche Erzählung. Der Betrachter bleibt allein mit den kosmonautischen Mienenarbeitern, die an die russisch-konstruktivistischen Sowjetmenschen eines Kasimir Malewitsch erinnern. Vollends rätselhaft bleibt zum Schluss die aufwühlende Tafel „Ohne Titel“, die im Zentrum ein Selbstportrait zeigt, im Umkreis aber alle möglichen Themen vom gestürzten Tiefseetaucher bis zum pochenden Herzen aufgreift. Es ist sein persönlichstes Bild, und ästhetisch sicher das radikalste.
 


Im Interview erzählt Clemens Söllner von der Unterschiedlichkeit der Hölzer, dem Wert des Imperfekten und dem Umgang mit der Tradition.

Marian Wild: Ich erinnere mich noch gut, als dein Bild "Wächter des Goldes" bei der letzten ortung in Schwabach in diesem sehr dunklen, komplett geschlossenen Gewölbekeller ausgestellt war, mit einem hellen Spotlight hervorgehoben. Das hat mit dem Bildmotiv und dem Material sehr gut harmoniert. Arbeitest du auch eher isoliert und auf engem Raum, wenn du ein Werk anfertigst?

Clemens Söllner: Aufgrund der hohen Konzentration beim Arbeiten ist ein gewisses isoliertes Umfeld sehr wünschenswert, denn jegliche Ablenkung könnte blutige Folgen haben. Meist laufen im Hintergrund aber Musik, Radio oder Hörbücher. Beengt arbeite ich zwangsläufig, da ich mir finanziell noch kein größeres Atelier leisten kann. Sollte dies eines Tages möglich sein, wäre es interessant zu beobachten, wie es sich auf die Motive und den Format auswirken würde. Ich träume schon seit längerem von riesigen Formaten.

Deine Werke sind technisch anspruchsvolle Intarsienbilder, also Einlegearbeiten aus den unterschiedlichsten Holzfurnieren. Durch das Video, das du uns weitergegeben hast, kann man den Entstehungsprozess des Motivs schön beobachten, aber technisch passiert da natürlich noch viel mehr. Was sind das alles für Hölzer, wo bekommst du sie her, wie werden daraus diese hochpräzisen Bilder?

In meinem Sammelsurium befinden sich etwa hundert unterschiedliche Hölzer. Viele aus Europa, wie Apfel, Kirsche oder Nussbaum, aber auch aus anderen Teilen des Erdballs. Exotische Hölzer bestechen oft nicht nur durch ihre besonderen Farben oder Maserungen, sondern auch durch deren harmonisierenden Duft.  Für dieses Material gibt es Fachhändler, auch hier in Nürnberg gibt es einen. Für ein Bild lege ich mir die passenden Hölzer zurecht. Erweitert wird dann diese „Farbpalette“ durch eine große Kiste mit Resten und Schnipsel etlicher Hölzer. Alle Hölzer haben ihren eigenen Charakter. Nicht nur durch die Farbe unterscheiden sie sich sondern auch in ihrer Struktur und Härte. Jedes hat seine eigene Art und Weise wie es geschnitten werden möchte. Unterschiedlich verhalten sie sich auch beim und nach dem „Sandeln“, das Tauchen in heißen Sand um Schattierungen zu erzeugen. Um das herauszufinden bedarf es etwas an Übung.

Deine Bildmotive sind trotz der einheitlichen Technik sehr unterschiedlich: Da gibt es biblische Motive, Tierdarstellungen, Motive der Volkskunst, aber auch regelrecht postmoderne Szenerien, die sich einer zeitlichen Einordnung entziehen. Woraus schöpfst du deine Bilder, wie findest du zu dem letztendlichen Motiv für ein Bild?

Die Ideen für Bilder erscheinen mir oft während der Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer gegenwärtigen Situation. Oder aber es sind „Testobjekte“ um die Wirkung neu erstandener Hölzer zu testen. Zuletzt entstanden zum Beispiel einige Schmetterlinge, wobei es mir dabei auch um die Eigenschaften und Wirkung des neuen Materials ging. Derzeit entsteht eine Arbeit die aufgrund der gegenwärtigen Umstände auf den ersten Blick sicherlich bedrückend erscheint, letztendlich aber eine positive Nachricht vermitteln soll. Das Kernobjekt der neuen Arbeit kristallisierte sich neulich heraus, das Drumherum entsteht dann oft parallel und intuitiv.

Du musst extrem genau mit diesen dünnen Holzfurnieren arbeiten, die sich vermutlich auch mehr wehren als andere Materialien. Noch dazu sind Intarsien ein sehr traditionelles Handwerksfeld, man hat also auch eine lange, bestimmt manchmal drückende Tradition auf dem Rücken liegen. Wie wütend kann man in so einem Arbeitsprozess auf die eigene Arbeit werden?

Es erfüllt mich mit großer Freude, dass dieses Handwerk mich ausgesucht hat und es ist mir auch ein Anliegen dieses traditionelle Kunsthandwerk zu bewahren. Wie bereits oben schon erwähnt hat jedes Holz seinen eigenen Charakter und das Ziel ist es so präzise wie möglich zu arbeiten. Dies gelingt mir in der Regel zu etwa 95 bis 99,9 Prozent. Mir ist bewusst, dass die absolute Perfektion unerreichbar ist, aber womöglich macht gerade dieses kleine Scheitern die Arbeiten im Vergleich zu gelaserten Intarsien lebendiger und interessanter. Ich nenne es „die Ästhetik des menschlichen Versagens“.
Natürlich gibt es auch bei mir Tage an denen es einfach nicht gelingen will, konzentriert und sauber zu schneiden. Mittlerweile weiß ich dies zu akzeptieren um dann lieber später weiter zu arbeiten. Früher flogen in derartig frustrierenden Situationen schon mal Gegenstände durch das Atelier und es trieb mich in die völlige Verzweiflung.

In deiner Arbeitsweise scheint mir auch eine sehr klare handwerkliche Haltung zu liegen. Was fasziniert dich so an dieser Machart, dass du sie schon so lange durchhältst?

Diese handwerkliche Komponente war mir bisher immer sehr wichtig. Sie lässt sich auch beim fertigen Objekt nicht verleugnen. Wenn nach unzähligen Stunden Arbeit, die Intarsie fertig geschnitten, aufgepresst und geschliffen ist enthüllt das Holz beim finalen Finish, dem Einölen, seine wahre Schönheit. Diese besonderen Momente möchte ich nicht missen.

Weitere Informationen zum Künstler (KLICK)




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